Studentische Beschäftigte bestreiken US-Eliteuniversität

08.05.2018, Lesezeit 10 Min.
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An der US-amerikanischen Elite-Universität Columbia in New York traten studentischen Beschäftigte in den Streik. Wie der Kampf vorankommen kann, diskutiert Ben Fredericks in einem Artikel, der am 30. April auf unserer Schwesterseite, leftvoice.org, erschienen ist. Der Sektor der „grad workers“ konnte eine Verlängerung der Streiks nicht durchsetzen. Stattdessen wurde am ursprünglichen Plan festgehalten und der Ausstand am 30. April vorerst beendet. verbunden mit der Ansage, den Kampf nach einer Phase intensiver Organisierung im Herbst weiter mit Streiks zu eskalieren.

Seit sie im Herbst 2016 mit überwältigender Mehrheit für die Gewerkschaftsmitgliedschaft abgestimmt hatten, haben die studentischen Beschäftigten der New Yorker Columbia University die Anerkennung durch die Universitätsverwaltung gefordert, die sich bisher jeglicher Verhandlungen verweigert hat. Assistent*innen in Lehre („TAs“) und Forschung („RAs“) haben so einige Dinge satt: verspätete Bezahlung, sexuelle Belästigung, minderwertige Krankenversicherung, keine Elternzeit, hohe Arbeitsbelastung, keine Jobsicherheit und vieles mehr. Die hart arbeitenden wissenschaftliche Hilfskräfte haben genug von unverholener Respektlosigkeit und Ausbeutung und sagen „no more!“, so geht es nicht weiter!

Die „Columbia grad workers“ sind nun auf die Streikwelle aufgesprungen, die von Bildungsarbeiter*innen im ganzen Land geführt wird. Lehrer*innen, Lehrassistent*innen, Kantinenbeschäftigte, Busfahrer*innen und andere Schularbeiter*innen rebellieren gegen Armutslöhne und die chronische Unterfinanzierung der öffentlichen Bildung. Die Schularbeiter*innen von West Virginia schlugen zuerst zu, gefolgt von Bildungsarbeiter*innen in  Oklahoma. Heute sind die Lehrer*innnen in Arizona an der Frontlinie. Die studentischen Beschäftigten der Columbia haben die Streikwelle, die bisher im Bereich des öffentlichen Bildungswesens stattfand, auf eine der reichsten privaten Universitäten der Welt ausgeweitet.

Die studentischen Studierenden der Columbia sind an den Streikposten von vielen Studierenden, anderen Campusarbeiter*innen und Unterstützer*innen aus der ganzen Stadt verstärkt worden. Mitglieder verschiedener Gewerkschafts-Ortsgruppen (SEIU 32BJ, PSC, CWA local 4, NYU-GSOC) haben sich bei den täglichen Versammlungen solidarisiert. Der Arbeiterbewegungs-Historiker Eric Foner sprach am Donnerstag (26. April) zur Menge und hob die zentrale Rolle der Gewerkschaften bei der Verteidigung der Demokratie hervor. Frank Guridy, Spezialist für Stadtgeschichte und soziale Bewegungen, sprach über das Erbe der Besetzung der Columbia durch Studierende 1968, das durch den heutigen Streik der „grad workers“ reflektiert würde. Eine erfahrene Hochschullehrerin erinnerte sich daran, wie sie selbst 2005 als studentische Beschäftigte gestreikt hatte und verband den laufenden Kampf mit den großen Streiks, die derzeit von den französischen Bahner*innen gegen das historische Kürzungsprogramm der Regierung Macron geführt werden.

Die Folgen des Streiks der studentischen Beschäftigten sind spürbar. Viele Lehrveranstaltungen, die von graduierten Studierenden gegeben werden, mussten abgesagt werden. Andere Lehrveranstaltungen sind wegen der Streikposten an Orte außerhalb des Campus verlegt worden, oder sind verschoben worden, bis der Streik am 30. April enden soll. Ein ansehnlicher Streikposten umkreist die Low Library im Herzen des Campus und es ertönen Rufe „What do we want? Contract! If we dont get it, shut it down!“ („Was wollen wir? Tarifvertrag! Falls wir ihn nicht kriegen, legt alles still!“) und „No justice, no peace!“ („Keine Gerechtigkeit – keinen Frieden!“).

Zugleich ist der Druck durch den Streik durch eine Reihe von Faktoren ernsthaft beschränkt, die, wenn hier keine Veränderung stattfindet, der Univerwaltung erlauben würden, den Konflikt auf lange Sicht auszusitzen. Auf einer Ebene stehen die streikenden studentischen Beschäftigten vor der schweren Aufgabe, Solidarität zwischen den Fachbereichen aufzubauen und Alle dazu zu bewegen, aktiv am Streik teilzunehmen. In gewissem Sinne war die Entscheidung, den Streik auf eine Woche zu begrenzen, ein Versuch, die möglichst hohe Beteiligung von jenen studentischen Beschäftigten sicherzustellen, die zu einem längeren Streik nicht bereit waren.

Der Streik ist auch durch die Tatsache beschränkt, dass die „grad workers“ die einzigen sind, die streiken – der Rest der ordentlichen und befristeten Lehrkräfte bleiben unorganisiert und wurden nicht zum Streik aufgefordert. Nur die Lehrveranstaltungen, die ausschließlich von Studierenden mit Hochschulabschluss gegeben werden, fallen aus, nicht aber diejenigen, die von Lehrbeauftragten, Dozenten oder befristeten Lehrkräften übernommen werden. Der eingeschränkte Charakter des laufenden Kampfes muss als eine Schwäche verstanden werden, die sofort überwunden werden muss, wenn die Gewerkschaft der studentischen Beschäftigten, GCW-UAW local 2110, eine Bastion der Arbeiter*innen-Macht an der Columbia aufbauen und nicht marginalisiert werden soll.

Den Streik verbreitern und ausweiten – Shut Down Columbia!

Mit einem wachsenden Bewusstsein von Selbstvertrauen und Aktivismus, haben viele Organisator*innen der studentischen Beschäftigten eine online-Petition unterstützt, die zum unbefristeten Streik aufruft. Diese sagt unter anderem:

„Die Idee ist simpel. Jeder erfolgreiche Streik in der jüngsten Zeit beweist, dass der einzige Weg, mit gewinnbringenden Unternehmen wie Columbia umzugehen, weder der Appell an ihr Rechtsbewusstsein ist, noch die Erwartung einer juristischen Konfliktschlichtung. Wie graduierte Studierende der NYU und Lehrer*innen in West Virginia zeigen, ist der einzige Weg, um eine legale Gewerkschaftsexistenz und einen Tarifvertrag zu erreichen, der Streik bis zur Erfüllung unserer Forderungen. Wir haben uns entschieden, die Gewerkschaft aufzufordern, eine Abstimmung über einen Streik bis zum Semesterende zu organisieren.“

Dass eine große Zahl der „grad worker“ die Unzulänglicheit eines einwöchigen Streiks erkennt und für eine Ausweitung bis in den Prüfungszeitraum kämpft – ein Zeitraum, in dem ein studentischer Streik ernsthafte Probleme für die Universitätsleitung bedeuten würde – ist ein richtiger Schritt. Die Kraft der Lehrer*innen von West Virginia, die in der Columbia Petition genannt werden, kam aus ihrer Solidarität, der gesellschaftlicher Unterstützung, ihrem Aktivismus und entscheidend aus ihrer Fähigkeit, die Schulen stillzulegen.

Abgesehen davon, ob der derzeitige Streik bis zur Prüfungszeit weitergeht, wird der Konflikt nicht in diesem Frühling gelöst werden. Allerdings hat das Graduate Student Organizing Committee seinen Kampf in Begriffen des Klassenkampfs formuliert, die akademischen Arbeiter*innen gegen den Millionär und Universitätspräsidenten Lee Bollinger und seine milliardenschweren Investor*innen gestellt, denen die Verwaltung dient. Streikschilder und Parolen betonen oft, dass die studentischen Lehrkräfte und Forscher*innen Teil einer größeren Arbeiter*innenklasse sind – eine Ablehnung des typischen Elitedenkens der Columbia. Solange die Universität von einer wohlhabenden Elite besessen und betrieben wird, wird der Klassenkonflikt bleiben.

Streikende haben einen wichtigen Slogan wiederbelebt, der heute von vielen Gewerkschaften vergessen ist, wenn sie rufen: „picket lines mean don’t cross!“ („Streikposten heißt hier nicht weiter!“). Diese Gewerkschaftstradition, der Gedanke, dass Arbeiter*innen Streikposten ernst nehmen und nicht vorbeigehen sollten, weist in die richtige Richtung. Falls Streikposten bei zentralen Gebäuden und Eingängen präsent sind und wenn andere Arbeiter*innen und Lehrkräfte nicht bereit sind, vorbeizugehen, würde die Kraft des Streiks sehr gestärkt.

Wähend studentische Beschäftigte eine Petition zur Ausweitung des Streiks organisieren, könnten andere Campus-Arbeiter*innen öffentlich erklären, dass sie zumindest keinen Streikposten ignorieren werden. Durch einen breiten Aufruf an jede Lehrkraft, in Solidarität die Lehrveranstaltungen abzusagen, bis Columbia zu einem Übereinkommen bereit ist, könnte der Streik an Stärke gewinnen und siegreich werden. Arbeiter*innen haben die Kraft alles stilllzulegen, aber wir müssen dies Kraft auch nutzen.

Eine wachsende Rebellion der Bildungsarbeiter*innen

Nach Jahrzehnten des Rückzugs der organisierten Arbeiter*innenbewegung, rebellieren nun Lehrer*innen – gemeinsam mit Lehrassistent*innen, Kantinenarbeiter*innen, Busfahrer*innen und anderen Schularbeiter*innen – gegen Armutslöhne und die chronische Unterfinanzierung der öffentlichen Bildung. Die Schularbeiter*innen von West Virginia schlugen zuerst zu, gefolgt von den Bildungsarbeiter*innen Oklahomas und heute sind die Lehrer*innen in Arizona an der Frontlinie. Die studentischen Beschäftigten der Columbia haben die Streikwelle, die bisher im Bereich des öffentlichen Bildungswesens stattfand, auf eine der reichsten privaten Universitäten der Welt ausgeweitet.

Der Studierendenstreik an der Columbia wird auch das Denken der Universitätsarbeiter*innen im ganzen Land ändern, die dann vielleicht selbst in den Streik treten. Die studentischen Beschäftigten des Boston College und der Harvard Universität haben jüngst auch erfolgreiche Gewerkschaftswahlen durchgeführt und Arbeiter*innen an der University of California und auch der City University of New York haben bereits für Streikaktionen gestimmt. Das Ergebnis des Kampfes an der Columbia wird einen wichtigen Grundton für andere setzen.

Profitorientierte Bildung, Gentrifizierung und Ausbeutung

Die Columbia Universität verkörpert die immense immerwährende soziale Spaltung, die New York City bedeutet: extremer Wohlstand, vereint mit Ungleichheit, Armutslöhnen und Rassismus. Die schwarze und latino-Bevölkerung in Harlem und Morningside Heights, Bevölkerungen die Polizeigewalt und unbezahlbare Wohnkosten ausgesetzt sind, haben keine Liebe für die Columbia übrig, eine Lehranstalt, die nur einer kleinen Zahl von Studierenden aus der Arbeiter*innenklasse und nicht-weißen Studierenden zugänglich ist, und die als ein eltäres und gentrifizierendes Übel wahrgenommen wird.

Columbia hat immense materielle und intellektuelle Ressourcen, einschließlich vieler angesehener Forschungs- und Lehr-Programme und gründliche, wertvolle Möglichkeiten für höhere Bildung. Aber diese Ressourcen und Möglichkeiten sind das Eigentum der Millionär*innen und Milliardär*innen, die den Ton angeben. Für sie existiert Columbia um die Profite, Gesetzgebung und Reproduktion der herrschenden 1% zu sichern. Univeritätspräsident Bollinger und der Rest der Universitätsleitung wollen nicht, dass Columbia den normalen arbeitenden Menschen dient.

Die von der Unileitung bekundete extreme Feindschaft gegenüber den Campusgewerkschaften ist nur ein Teil ihrer grundsätzlichen Missachtung. Sprecher*innen bei den täglichen Streikversammlungen haben Columbias dunkle Schattenseite ans Licht gebracht: 12 Studierende haben allein letztes Jahr Selbstmord begangen und die Universitätsleitung schenkt Berichten von Belästigung und sexuellen Übergriffen weiterhin keine Beachtung. Ein Mitglied der Studierendengruppe 24/7 Columbia wies darauf hin, dass die Unileitung trotz ihrer Milliardenvermögen darauf verzichtet, in die Hilfeleistung für Studierende mit psychischen Schwierigkeiten, Erfahrungen von sexuellen Übergriffen oder einfach medizinischen Notfällen nach 17 Uhr zu investieren.

Übernehmt die Universität für die Arbeiter*innenklasse!

Mittels gewerkschaftlicher Organisierung Arbeiter*innen-Macht auf dem Campus aufzubauen, kann Raum und Selbstbewusstsein für den Kampf für größere Ziele schaffen, wie kostenlose Hochschulbildung, Bau bezahlbaren Wohnraums und die Streichung der Studienschulden. Dennoch, selbst wenn der gesamte Campus gewerkschaftlich organisiert wäre und jede*r Arbeiter*in einen guten Vertrag hätte – ein großartiges Ziel für sich betrachtet – würde die Zweckbestimmung der Universität immer noch von wohlhabenden Investor*innen, Spender*innen und einer nicht gewählten Universitätsleitung vorgegeben werden.

Für einen wirklichen Paradigmenwechsel darin, wofür die Columbia Universität steht, zu erreichen, werden die Studierenden, Arbeiter*innen und Lehrkräfte eines Tages die Universität übernehmen müssen und sie aus den Klauen der Milliardäre reißen. Arbeiter*innen halten die Hochschule am Laufen und Studierende zahlen Millionen um die Universität zu besuchen – doch weder Arbeiter*innen noch Studierende dürfen irgendetwas entscheiden über die Aufgabe und Politik der Hochschule.

Den Immobilienbesitzer*innen und Gewerkschaftsfeinden, die heute die Columbia beherrschen, sollte ihr Vermögen entrissen und die Ressourcen der Universität in öffentliches Eigentum übergehen. Genau wie schwarze und puerto-ricanische Studierende die City University of New York besetzen mussten, um den de facto rassistische Ausschluss von Studierenden zu beenden, müssen auch die Arbeiter*innen und Studierenden der Columbia die Universität für die breitere Arbeiter*innenklasse öffnen. Institutionen der akademischen Bildung sollten von gewählten und abwählbaren Führungen geleitet werden, von Komitees aus Arbeiter*innen, Studierenden, Lehrkräften und der örtlichen Bevölkerung.

 

Dieser Artikel erschien zuerst auf LeftVoice.org und ist dort im Original zu finden.

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