Stonewall was a riot! Und heute?

12.07.2019, Lesezeit 4 Min.
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Dieses Jahr ist ein besonderes Jahr für die LGBTQI*-Bewegung – wir erinnern uns an die Stonewall-Aufstände in New York, die vor 50 Jahren der "Zünder" der modernen LGBTQI*-Bewegung waren und derer bis heute in Form des jährlichen Christopher Street- Days gedacht wird. Doch was ist von den damaligen Kämpfen übrig geblieben?

Heutzutage ist der CSD eine eher fröhliche Veranstaltung mit viel Musik und einer bunten Parade, die auf die immer noch herrschende Ungleichberechtigung in der Gesellschaft hinweist. Der ursprüngliche Stonewall-Aufstand entstand in einer Zeit, in der LGBTQI* noch weitreichender kriminalisiert und unterdrückt wurde. Ausschlaggebend war die massive Repression und Gewalt der Polizei gegenüber den LGBTQI*s, die zu einem Massenaufstand führte.

Die Gewalt gegenüber LGBTQI* ist immer noch präsent. Die Rechten wachsen immer weiter – nicht nur in Deutschland und greifen massiv die bis jetzt gewonnen Rechte für LGBTQI*s an. Geflüchtete, die aufgrund ihrer Sexualität verfolgt werden, sind in Lager eingesperrt und jeglicher Rechte beraubt und erfahren tagtäglich Gewalt durch Security und Polizei. Und der deutsche Staat schiebt weiterhin auch diese Geflüchtete ab, denen aufgrund ihrer Sexualität im Herkunftsland Verfolgung, Kriminalisierung und der Tod drohen.

Der Paragraph 175, der seit dem Kaiserreich gleichgeschlechtliche Kontakte unter Strafe stellt, wurde zwar 1994 abgeschafft. Seitdem ist es in Deutschland nicht mehr strafbar, gleichgeschlechtliche Sexualpartner zu haben, doch Gerechtigkeit für bereits Verurteilte gab es bis heute nicht. Seit 2017 gibt es in Deutschland auch das Recht auf eine Ehe für homosexuelle Paare, was als ein großer Sieg der Gleichstellung gefeiert wurde.

Wenn die Gleichstellung so präsent wäre, bräuchten wir eigentlich auch keinen CSD mehr. Die gesellschaftliche und politische Realität sieht allerdings anders aus.

Die Pathologisierung von Homosexualität entspringt aus dem christlichen Weltbild, das die klassische Familie als die einzige richtige Lebensweise sieht. Auch heute gibt es immer noch Kündigungen von LGBTQI*s durch kirchliche Träger und der Staat toleriert dies. Ebenso ist es LGBTQI*s trotz „Ehe für alle“ bis heute nicht gestattet, kirchlich zu heiraten, ein Ausdruck der Ablehnung gegenüber gleichgeschlechtlicher Paare ist.

Dies ist einer der Gründe für das weitgehend ablehnende Bild gleichgeschlechtlicher Paare in der Gesellschaft. Man sieht es schon an dem Wort „outen“ sehr gut: Es steht für ein Geständnis gegenüber dem Familien- und Freundeskreis mit Angst vor Reaktionen oder Ausgrenzung. Viele Jugendliche fallen auch in Depressionen oder begehen sogar Suizid, da die Angst und der Druck zu groß ist.

Wir brauchen einen CSD, der auf diese und weitere Punkte verstärkt hinweist und genauso kämpferisch und politisiert ist wie vor 50 Jahren. Und wir sollten diesen Kampf nicht alleine führen, sondern wir müssen uns mit allen Unterdrückten und Ausgebeuteten zusammenschließen. Mit ArbeiterInnen, mit Geflüchteten, mit MigrantInnen und allen, die aufgrund sexueller Orientierung unterdrückt werden.

Der CSD ist zu einer Kult- und Kommerzveranstaltung geworden und lange keine Protestveranstaltung mehr. Die Organisator*innen lassen Parteien wie die CSU, die die Unterdrückungen und Gewalt an Geflüchteten vorantreibt und ihre christlichen Werte eines vermeintlich klassischen Familienbildes vertritt, in München teilnehmen. Die CSU hat bei so einer Veranstaltung keinen Platz, der Protest beim CSD soll genau gegen diese Menschen gehen. Es reicht nicht, sich einen Tag im Jahr gleichgestellt und anerkannt zu fühlen. Wir müssen für Forderungen wie Trennung von Kirche und Staat, sofortiger Stopp aller Abschiebungen geflüchteter Menschen und für deren Rechte, gegen Staats- Polizeirepression und für die Abschaffung der staatlichen Kontrolle über die Ehe auf die Straße gehen und kämpfen.

Nur gemeinsam können wir die Spaltung und Unterdrückung beenden. Natürlich können wir feiern beim CSD, jedoch sollte auch jeder daran denken, dass es noch einen langen Kampf braucht um all diese Forderungen umsetzen zu können. Das geht nur mit einer Organisation und einem gemeinsamen Kampf der Unterdrückten! Wir brauchen einen Stonewallaufstand wie vor 50 Jahren!

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