Stonewall was a riot: Für einen revolutionären Pride Month

01.06.2023, Lesezeit 6 Min.
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Bing Wen/Shutterstock.com

Heute, am 01. Juni 2023 beginnt wieder der Pride Month. Neben unzähligen Regenbogenfahnen in den Sozialen Medien, auf Produkten und Firmenlogos, wollen wir für eine echte Queere Befreiung kämpfen. Doch was bedeutet dies und warum muss der Kampf trotz vermeintlicher Repräsentation weiter gehen? 

Im Vergleich zum Vorjahr steigt die Zahl der Straftaten gegen queere Menschen, um 300% allein in Deutschland. Gleichzeitig werden kleine Reformen verabschiedet, die reell kaum Veränderung bewirken. Vor einigen Wochen stellten Bundesjustizminister Marco Buschmann und Bundesfamilienministerin Lisa Pau die Grundzüge eines neuen Selbstbestimmungsgesetzes vor, welches das veraltete „Transsexuellengesetz“ von 1980 ersetzen soll. Jedoch hat die Regierungskoalition nur wenig versprochen und noch weniger geliefert. Das neue Gesetz ist ein Kompromiss zwischen reaktionären Kräften des sogenannten „Radikalfeminismus“ und den Interessen des deutschen Imperialismus. Es stellt sich die Frage, wie eine tatsächliche Befreiung der Geschlechter erreicht werden kann. Trotz des Versprechens, erniedrigende psychologische Beratungen abzuschaffen und die Namensänderung zu vereinfachen, bleibt das neue Gesetz bei einigen kleinen Reformen und führt neue Repressionen ein.

In den USA wurden allein in diesem Jahr mehr als 500 queerfeindliche Gesetzesentwürfe von Republikaner:innen eingebracht, darunter über 100 Verbote zum Thema Geschlechtsanpassung im Gesundheitswesen. Einige dieser Gesetze zielen beispielsweise auf den Bereich des Sports ab. Sie schreiben vor, dass transgeschlechtliche Athlet:innen an Wettkämpfen nur entsprechend ihrem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht teilnehmen dürfen, was zu Benachteiligung und Ausschluss transgeschlechtlicher Sportler:innen führt. Darüber hinaus gibt es Gesetze, die den Zugang zu medizinischer Versorgung für transgeschlechtliche Jugendliche erschweren. Einige Bundesstaaten haben Gesetze erlassen, die es Ärzt:innen verbieten, geschlechtsangleichende Behandlungen wie Hormontherapie oder chirurgische Eingriffe bei Minderjährigen durchzuführen, selbst wenn diese Behandlungen medizinisch notwendig und von Fachleuten empfohlen werden. Weitere Gesetze richten sich gegen die Möglichkeit, dass transgeschlechtliche Personen ihre geschlechtliche Identität auf ihren Ausweisdokumenten ändern können. Diese Gesetze erschweren die rechtliche Anerkennung der geschlechtlichen Identität und setzen betroffene Menschen einem erhöhten Risiko von Diskriminierung und Belästigung aus.

Zudem zeigte sich auch kürzlich in Uganda eine erschreckende Entwicklung. Ugandas Präsident Yoweri Museveni unterzeichnete vor einigen Tagen ein Gesetz gegen homosexuelle Handlungen. Laut diesem Gesetz gilt die Todesstrafe für „schwere Homosexualität“ – sexuelle Beziehungen, an denen mit HIV infizierte Personen beteiligt sind. Gleiches gilt für Sex mit Minderjährigen und anderen als gefährdet eingestuften Personen. „Versuchte schwere Homosexualität“ kann mit bis zu 14 Jahren Haft geahndet werden. Personen oder Gruppen, die sich für homosexuelle Personen einsetzen, wie etwa Aktivist:innen, können mit bis zu 20 Jahren Haft bestraft werden. Schon davor stand Homosexualität in Uganda unter Strafe. An der Situation von Uganda wird erkenntlich, wie sich Kolonialismus und Imperialismus bis heute in den heute halbkolonialen Ländern auswirken. Queere Identitäten und Sexualitäten waren in vielen indigenen Gesellschaften bis zum Einfall der kolonialen Weltmächte keinesfalls von Unterdrückung betroffen. Die heutige Politik in Ländern wie Uganda verwaltet, durch eine sich dort entwickelnde Bourgeoisie, das koloniale Erbe weiter und mit ihr die queerfeindlichen Gesetze.

All diese Beispiele zeigen uns klar, dass wir international gegen Queerfeindlichkeit kämpfen müssen. Gleichzeitig muss der Kampf gegen die Unterdrückung queerer Menschen auch mit dem Kampf gegen Kapitalismus, Ausbeutung und jeglicher Unterdrückung verbunden werden. Wir müssen realisieren, dass Mercedes-Benz-Logos in Regenbogenfarben uns keinen Schritt weiter bringen, sondern vielmehr versuchen, uns vom Kämpfen abzuhalten. Solche Marketingstrategien sollen uns zeigen, dass all diese Unternehmen auf unserer Seite stünden, dass wir uns längst befreit hätten in der Ära des “rainbow capitalism”. Aber was ist mit queeren Arbeiter:innen am Band von Mercedes, oder queeren, outgesourcten Arbeitskräften, die für einen Hungerlohn täglich um ihr Überleben kämpfen? Hier zeigen sich vielmehr die Unterschiede verschiedener Kapitalfraktionen. Den “rainbow capitalists” geht es darum ihre, Profite im zweiten Quartal zu sichern. Dabei geht es nicht um eine moralische, sondern um eine wirtschaftliche Entscheidung. Die meisten beginnen dann am 1. Juni ihre Logos in Regenbogenfarben anzumalen und dabei das eine oder andere Produkt nochmal ein bisschen teuer zu gestalten. Manche andere Firmen hingegen, die ein konservatives Publikum ansprechen wollen, stellen sich dann auf die Seite rechter Kulturkämpfer:innen. Diese haben bisweilen eine absurden Geschmack daran gefunden Unternehmen zu boykottieren, die ihnen inzwischen zu „woke“ sind. So zum Beispiel die öffentliche Vernichtung von Bud Light Bierdosen, die eine trans Frau in einer Werbekampagne des Unternehmens zeigte. Es ist genau diese Heuchelei, die wir aufzeigen müssen und gegen die wir kämpfen müssen.

Auch auf die Regierung ist kein Verlass. Ist es nicht beispielsweise Annalena Baerbock, die sich immer wieder als “Ally” für queere Menschen und Feministin bezeichnet, ganz stolz Schilder mit “Jin, Jiyan, Azadi” hochhält, gleichzeitig aber Öl-Deals mit Quatar befürwortet und bei Bedarf auch gerne mit der Türkischen AKP Regierung zusammenarbeitet? Wer hätte es geahnt, Quatar und Türkei die Vorreiter in Sachen Feminismus und queerer Befreiung?! Auch hier zeigt sich klar, auf wessen Seite die vermeintliche “Fortschrittskoalition” steht. Für queere Befreiung zu kämpfen, heißt also auch, keinen Glauben in bürgerliche Regierungen zu hegen. Es bedeutet, die Klassenfrage zu stellen und zu erkennen, dass Baerbocks Verständnis von Allyship nur leere Worte für den nächsten Wahlkampf sind. Wir müssen auf internationale und revolutionäre Organisierung setzen.

In diesem Sinne, lasst uns an die Anfänge von Pride Month erinnern. Lasst uns nicht vergessen, dass Stonewall ein Riot war und dass die Cops nichts in unseren Gewerkschaften zu suchen haben. Nur gemeinsam Schulter an Schulter, vereint mit allen Ausgebeuteten und Unterdrückten, gemeinsam unter dem Banner unserer Klasse, können wir für queere Befreiung kämpfen. Wir wissen, wir können uns nur selbst von unseren Ketten befreien und wir können erst frei sein, wenn alle anderen auch frei sind. Lasst uns also gemeinsam organisieren, gegen dieses widerwärtige System, denn nur so können wir eine revolutionäre Kraft aufbauen, die die Macht ergreifen und eine bessere Welt erschaffen kann.

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