Stimmt der akademische Senat der Universität Bremen gegen die Antisemitismus-Resolution?

Der akademische Senat der Universität Bremen diskutierte in einer öffentlichen Sitzung zur sogenannten Antisemitismus-Resolution. Es beteiligten sich zahlreiche Studierende, die sich geschlossen gegen einen möglichen Beschluss und die Kriminalisierung von Palästina solidarischen Stimmen aussprachen.
Am 9. April 2025 tagte das höchste Selbstverwaltungsgremium der Universität Bremen zu der sehr umstrittenen Resolution des Bundestages „Antisemitismus und Israelfeindlichkeit an Schulen und Hochschulen entschlossen entgegentreten sowie den freien Diskursraum sichern“, die am 29. Januar 2025 beschlossen wurde.
Es handelt sich dabei um eine Resolution, die auf den deutschen Bildungsbetrieb wie den Universitäten zugeschnitten ist und sich gegen die großteils studentisch geprägten Proteste gegen den Genozid in Palästina richtet. Dabei beruht die Resolution auf der umstrittenen International Holocaust Rememberance Alliance – Definition (IHRA-Definition) von Antisemitismus, die jegliche Israelkritik beliebig als Antisemitismus brandmarken kann.
Bereits im vergangenen November wurde im Bundestag ein Vorläufer dieser Resolution verabschiedet: „Nie wieder ist jetzt – jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken“. Die Hochschulrektorenkonferenz äußerte sich deutlich kritisch zu dieser Resolution. Sie sprach sich für die Wahrung der Hochschulautonomie und der Wissenschaftsfreiheit aus und betonte, dass es Aufgabe der Wissenschaft sei, Debatten, insbesondere über Begriffsdefinitionen, offen zu führen und nicht politisch vorwegzunehmen. Auch die Vergabe von staatlich finanziellen Fördermitteln sollte nach wissenschaftlichen Grundprinzipien entschieden werden. Gleichzeitig sollen die Universitäten laut der Resolution eine engere Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden pflegen, was bedeuten würde, noch repressiver gegen die eigenen Studierenden vorzugehen.
Die studentischen Stimmen erheben sich
Im Vorfeld mobilisierten die studentischen Organisationen Uni(te) for Pali, SDS Bremen, Studis gegen Rechts Bremen und auch der AStA, der gewählte Studierendenausschuss, zur Sitzung des akademischen Senats. Es füllten rund 60 Studierende und weitere solidarische Kräfte den Raum, um aufzuzeigen, dass sich die Studierendenschaft gegen die Repression und Kriminalisierung ihrer Solidarität mit Palästina stellen.
Nach Erteilung des Rederechts sprachen die beiden Studierenden, die sich aktiv an der Besetzung der Uni Bremen beteiligt und seit dieser verschiedene Veranstaltungen zum Thema Palästina organisiert haben. In ihrem Redebeitrag betonten sie, dass die Antisemitismus-Resolution kein isolierter Beschluss des Bundestages sei, sondern Teil einer längerfristigen Entwicklung, die seit dem Beginn des Genozids in Palästina deutlich erkennbar ist. Sie warfen ihrer Universität zu Recht vor, maßgeblich zu dieser Entwicklung beizutragen und damit rechten Kräften den Weg zu ebnen. Seit Beginn des Genozids ist die Universität den protestierenden Studierenden gegenüber mit Ignoranz, Strafanzeigen, polizeilichen Vorgehen, Diffamierung und gebrochenen Versprechen entgegengetreten. Rassistische Angriffe auf palästinensische Studierende wurden nicht zur Kenntnis genommen, stattdessen wurde ihre emotionale Haltung betont und infantilisiert.
Weiter klagten sie an, dass trotz großer Versprechungen eines offenen Diskurs, Veranstaltungen zum Thema Palästina untersagt und die Räume entzogen wurden. So wurde beispielsweise das gemeinsame Schauen des international renommierten Dokumentarfilms „Where Olive Trees Weep“ untersagt oder der Raum für ein Gespräch mit einem israelischen Journalisten entzogen.
Die Universität Bremen geht sogar soweit, die Autonomie des AStAs auszuhebeln. Der AStA nutzte seine Möglichkeit, den Studierenden und Uni(te) for Pali zur Menschenrechtssituation im Nahen Osten einen ungehinderten Austausch mit Räumlichkeiten zu gewährleisten. Daraufhin griff die Universitätsleitung den AStA in seinen Rechten und Pflichten an und zog die Genehmigung zur Nutzung des Raumes rückwirkend zurück, wie der AStA gemeinsam mit anderen unterstützenden Gruppen in einem Offenen Brief anklagte.
In ihren Redebeiträgen forderten die Studierenden die Rücknahme der angedrohten Maßnahmen, die Anerkennung der Autonomie des AStAs, die freie Verfügbarkeit der universitären Räumlichkeiten auch zum Thema Palästina und den gesicherten und fairen Umgang mit dem politischen Austausch, ob mit der Studierendenschaft, den Beschäftigten oder Gästen.
Als Reaktion darauf stritt die Universitätsleitung die Verantwortung für die repressiven Maßnahmen ab und legitimierte sie stattdessen, teilweise dabei unterstützt oder auch kritisiert von den Mitgliedern des akademischen Senats. In ihrem Verhältnis zur Wissenschaftsfreiheit äußerten sich die Mitglieder des akademischen Senats widersprüchlich: Einerseits beteuerten sie sich für freie Lehre und Forschung einzusetzen, andererseits betonten sie auch, man dürfe das „Existenzrecht Israels“ nicht in Frage stellen.
Wie geht es weiter?
Der akademische Senat entschied sich dafür eine weitere Sitzung zu der Antisemitismus-Resolution abzuhalten, um der Diskussion gerecht zu werden. Bis jetzt hat sich noch keine eindeutige Mehrheit für die Antisemitismus-Resolution ausgesprochen. Doch von wessen Mehrheit sprechen wir hierbei?
Der akademische Senat setzt sich aus zwölf Hochschullehrer:innen verschiedener Fachbereiche, vier Vertreter:innen des akademischen Mittelbaus sowie zwei Angehörigen aus Verwaltung und Technik zusammen. Diese Mitglieder werden alle zwei Jahre neu gewählt. Hinzu kommen auch vier Studierende, die von der Studierendenschaft jährlich neu gewählt werden. Der Vorsitz des akademischen Senats liegt bei der Rektorin der Universität, sie selbst hat aber kein Stimmrecht. Weder die Studierendenschaft, noch die Beschäftigten haben somit ein Mitspracherecht gemäß ihrer Anzahl und das Gremium wird von einer Mehrheit von Professor:innen geführt.
Der akademische Senat ist zwar das höchste Gremium der Selbstverwaltung der Universitäten und trifft grundlegende Entscheidungen in Fragen der Lehre, Forschung, Struktur und Entwicklung der Universität, jedoch zeichnet sich in ihm das undemokratische System ab, nachdem die Universität organisiert ist.
Das einzige Mittel, die studentischen oder anderweitigen Stimmen in den Sitzungen zu Wort kommen zu lassen, ist ein Antrag, der von den Mitgliedern des akademischen Senats angenommen werden muss. In dieser Sitzung machte die Vertretung der Studierenden Gebrauch von diesem Recht und gab zwei Studierenden, sowie anderen Unterstützer:innen das Wort. Wir denken jedoch, dass es allen frei möglich sein sollte, sich zu den Angelegenheiten der Universität zu äußern. Sie betreffen schließlich auch uns alle. Es braucht demokratische Versammlungen der Studierenden und Beschäftigten, in denen jede Person auch eine Stimme besitzt, um über diese und andere Entscheidungen abzustimmen.
Es war genau richtig von uns Studierenden bei dieser undemokratischen Struktur und Diskussion, wo wir die Erlaubnis erteilt bekommen müssen zu reden und für unsere Zukunft zu kämpfen, anwesend zu sein. Wir haben gezeigt, dass wir gemeinsam gegen ihre Maßnahmen stehen, ob gegen die Repression oder die eventuelle Einschneidung der Wissenschaftsfreiheit durch die Antisemitismus-Resolution.
Es braucht eine öffentliche Positionierung der Universität gegen diese Resolution des Bundestages, die die Universitäten zum verlängerten Arm der Sicherheitsbehörden verkommen lassen würde. Gleichzeitig braucht es aber auch eine sofortige Beendigung der Repression gegenüber den Studierenden, ob mit strafrechtlichen und polizeilichen Maßnahmen oder mit den Verboten von Veranstaltungen an unserer Uni. Die Polizei hat nichts am Campus zu suchen! In Berlin sollen vier unserer Kommilitoninnen abgeschoben werden – was hat die Uni Bremen dazu zu sagen?
Wir denken, es braucht eine ganz andere Universität. Eine, in der wir entscheiden, was gelehrt und gelernt wird. Damit könnten wir schon heute anfangen, in dem wir einen selbstverwalteten Fachbereich zu Palästina-Studien errichten, um der Geschichtsrevision entgegenzutreten. Unsere Uni Bremen hat sich als erste Universität in Deutschland zur Zivilklausel verpflichtet. Wir fordern, ihre Verpflichtung zur Zivilklausel auch wirklich durchzusetzen und nicht mit dreckigen Deals mit OHB (Otto Hydraulik Bremen GmbH) und Co. zu umgehen. Doch eine wirkliche Einhaltung der Zivilklausel können wir nur sicherstellen, wenn die wirtschaftlichen Einflüsse aus der Uni rausgeworfen werden und sie von uns selbst verwaltet wird.
Es gilt also nicht nur gegen die Antisemitismus-Resolution zu kämpfen, sondern für eine Uni, in denen wir keine Repression zu fürchten haben, in denen keine wirtschaftlichen Interessen Einfluss haben und in der wir über die wichtigen Fragen unserer Zeit forschen können. Lasst uns in der kommenden Sitzung des akademischen Senats noch stärker gegen die undemokratische Abstimmung eintreten und für einen freien Campus einstehen!