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Santiago Lupe: „Wir müssen mit allen Illusionen in die Verwaltung des kapitalistischen Staates brechen“

05.05.2020, Lesezeit 8 Min.
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Santiago Lupe war der Redner der Revolutionären Strömung der Arbeiter*innen (CRT) des Spanischen Staates bei der Internationalistischen Mai-Kundgebung mit Organisationen aus 14 Ländern in 6 Sprachen, organisiert vom Internationalen Zeitungsnetzwerk von Klasse gegen Klasse.

Die Coronavirus-Krise hat die Europäische Union erneut in Bedrängnis gebracht und deutlich gemacht, dass sie nichts weiter als ein reaktionäres Abkommen zwischen den verschiedenen imperialistischen Staaten ist, die wieder einmal als die eigentlichen Vorstände ihrer jeweiligen Kapitalist*innen aufgetreten sind. Jeder Staat hat Maßnahmen ohne die geringste Koordination und Zusammenarbeit ergriffen. Deutschland und Frankreich gingen so weit, im schlimmsten Moment des gesundheitlichen Zusammenbruchs in Italien und dem Spanischen Staat den Export von Beatmungsgeräten und anderen medizinischen Geräten zu verbieten. Die Achse des Nordens, mit Deutschland und den Niederlanden an der Spitze, will wie schon 2008 diese Krise nutzen, um ihre Position auf Kosten der Leiden der Arbeiter*innen und der Massen des Südens Europas zu stärken. Die Regierungen Italiens oder des Spanischen Staates fordern Corona-Bonds und die Verallgemeinerung der Schulden – aber nicht um uns zu retten, sondern die italienischen und spanischen Kapitalist*innen.

Diese neue Krise trifft die EU nach dem Brexit und mitten in der Entwicklung starker nationalistischer Tendenzen, die von der extremen Rechten kapitalisiert werden. Diese reaktionären Tendenzen wurden durch eine jahrelange Austeritätspolitik unter Führung der Troika erzeugt. Und sie verstärken sich wegen des institutionellen Rassismus der Regierungen gegen die Geflüchteten, die sie weiterhin zu Tausenden im Mittelmeer ertrinken lassen, sie in Unterkünften – wie hier im Spanischen Staat – einsperren oder in Geflüchtetenlagern in Griechenland unter elenden und ungesunden Bedingungen.

Eine Reform der EU des Kapitals ist nicht möglich. Aber weder der rechtsextreme Nationalismus noch ein linker Nationalismus sind eine Alternative. Sie wollen uns auf die alten nationalen Rahmen begrenzen. Das Scheitern der imperialistischen EU lässt die Notwendigkeit wieder aufleben, dass die Arbeiter*innenklasse des Kontinents für ein Europa der Arbeiter*innen und Massen kämpfen muss. Gegen das Europa des Kapitals kämpfen wir für die sozialistischen Vereinigten Staaten von Europa.

Der Spanische Staat wurde zu einem der Epizentren der Gesundheitskrise. Wir haben gesehen, wie zuerst die Krankenhäuser und dann die Leichenhallen kollabierten. Die Regierung handelte verspätet, führte keine massiven Tests durch, auch heute noch nicht, und verschweigt die tatsächliche Zahl der Todesopfer, die aber Schätzungen zufolge weit über 30.000 liegt. Es war nicht nur eine gesundheitliche Katastrophe, wir erleben ein soziales Verbrechen. Ein soziales Verbrechen, für das die Regierungen des Partido Popular und der Sozialistischen Partei verantwortlich sind, die ganze Teile des Gesundheitssystems oder Altersheime privatisiert und das Gesundheitsbudget im letzten Jahrzehnt um 20 Milliarden gekürzt haben. Ein soziales Verbrechen, für das auch die so genannte fortschrittliche Regierung der PSOE und Unidas Podemos und alle Regionalregierungen verantwortlich sind. In all dieser Zeit wurden weder elementare Maßnahmen ergriffen, wie z.B. eine wirksame und entschädigungslose staatliche Übernahme der privaten Gesundheitsfürsorge, in der Tausende Intensivbetten im schlimmsten Moment der Krise zur Verfügung standen, noch wurde vorgeschlagen, in alle Industriezweige einzugreifen, die auf die Herstellung von Schutzausrüstung oder Beatmungsgeräten umgestellt werden könnten.

Dies ist eine katastrophale Antwort auf die Gesundheitskrise, die auch mit dem Versuch einherging, der Armee und der Polizei neues Prestige zu verleihen, die unsere Straßen militarisierten und den Föderalismus weiter einschränkten. So nutzt die Regierung die Situation, um ihre Position gegenüber Katalonien und den demokratischen Bestrebungen des katalanischen Volkes nach Selbstbestimmung zu stärken, das im vergangenen Oktober eine Reihe von Protesten und Straßenschlachten durchführte, die die Legitimität des Regimes erneut in Frage stellten.

Auf diese gesundheitliche Katastrophe folgt nun eine wirtschaftliche und soziale Krise, wie es sie seit dem Ende des spanischen Bürger*innenkriegs nicht mehr gegeben hat. Es gibt vier Millionen Menschen in Kurzarbeit, eine Million Entlassungen, 1,5 Millionen Selbständige ohne Arbeit, Hunderttausende von Kleinunternehmer*innen im Ruin… Angesichts dessen bietet die Regierung nur geringe Subventionen an, während sie die millionenschweren Gewinne der großen Unternehmen und großen Vermögen nicht antasten. Die Banken erhielten in einer präventiven Rettungsaktion nicht weniger als 100 Milliarden Euro in Form von Garantien. Alles finanziert mit mehr öffentlichen Schulden, die die Zukunft der neuen Generationen mit Kürzungen in den nächsten Jahre belasten.

Und dieser neue Rettungsplan für die Kapitalist*innen wird wieder von einer Regierung der sozialliberalen PSOE angewandt, wie in der Krise von 2008, aber dieses Mal zusammen mit Podemos, einer Linken, die sich als neu präsentierte, aber die alte Strategie zur Reform des Kapitalismus besitzt. Heute sehen Tausende, wie diejenigen, die seit ihrer Gründung die Kürzungen von 2008 angefochten haben, an der Spitze noch schlimmerer Anpassungsmaßnahmen stehen. Weil sie Teil der Regierung der viertgrößten europäischen imperialistischen Macht wurden, also die Anwält*innen ihrer multinationalen Konzerne, die den Reichtum unserer Geschwister in Lateinamerika und anderen Kontinenten ausbeuten. Podemos hat beschlossen, eine Seiner Majestät loyale Partei zu sein, die der reaktionären monarchischen Institution Tribut zollt, von der inmitten dieser Krise neue Korruptionsfälle bekannt wurden. Die Krone hat uns Millionen und Abermillionen weggenommen, die heute für die öffentliche Gesundheit von entscheidender Bedeutung sind.

Aber es gibt Viele, die mit Misstrauen auf diese Linke schauen, die kapitalistische Geschäfte verwaltet. Wie unser Genosse Asier, ein Delegierter von Telepizza, sagte, machen viele prekäre Arbeiter*innen die Regierung für ihre Komplizenschaft mit den Unternehmen verantwortlich. Weil sie den Chefs erlaubte, sie dazu zu zwingen, ohne Hygienemaßnahmen weiterzuarbeiten. Die Telepizza-Arbeiter*innen sind ein Beispiel, sie haben sich gegen die fehlenden Maßnahmen erhoben, sie haben gegen die Repression des Unternehmens gestreikt, und fordern, dass diese großen Ketten unter der Kontrolle der Belegschaft eingreifen, um nicht mehr Müll zu verkaufen und die Geldbeutel der Bosse zu füllen, sondern den am stärksten von der Krise betroffenen Familien qualitativ hochwertige Lebensmittel zu garantieren.

Die Regierungsbeteiligung von Podemos und Izquierda Unida, die von der Kommunistischen Partei Spaniens angeführt wird, ist die Bestätigung des politischen Bankrotts dieser reformistischen Linken, die uns nur die gleichen arbeiter*innenfeindlichen Pläne anbieten können, um uns für die Krise zahlen zu lassen, wie wir bereits in Griechenland mit der Regierung von Syriza gesehen haben.

Um der wirtschaftlichen und sozialen Katastrophe, die die Kapitalist*innen für uns vorbereiten, entgegentreten zu können, ist es daher notwendig, eine andere Linke aufzubauen, eine revolutionäre Linke der Arbeiter*innenklasse, die sich radikal gegen die Illusion stellt, dass es möglich ist, die Bosse und die Märkte durch die Verwaltung des kapitalistischen Staates einzuschränken.  Eine Linke der Arbeiter*innenklasse, der Frauen und der Jugend, unabhängig von allen Parteien der Bosse, die ein Programm vorschlängt, um die Kapitalist*innen für die Krise bezahlen zu lassen.

Von der CRT schlagen wir den Gruppen der extremen Linken des Spanischen Staates, die diese Perspektive teilen, vor, dass wir in dieser Krise mit einem gemeinsamen Programm intervenieren und die Diskussion darüber eröffnen, wie wir vorankommen können, eine einheitliche Partei der revolutionären Linken auf die Beine zu stellen. Ein Pol der revolutionären Linken, der politischen Unabhängigkeit der Arbeiter*innenklasse, welcher Organisationen wie Anticapitalistas, die gerade mit Podemos gebrochen haben, oder die CUP der katalanischen Pro-Unabhängigkeitslinken aufruft, endgültig mit allen Illusionen in die Verwaltung des imperialistischen Spanischen Staates oder des Bündnisses mit der katalanischen nationalistischen Bourgeoisie zu brechen.

Denn wir befinden uns in einer Krise, in der es keinen Raum für Zwischenlösungen gibt.

Entweder zwingen uns die Kapitalist*innen ihr Programm auf, um den Staat, seine Unternehmen und seine Profite zu retten, oder wir als Arbeiter*innenklasse und arme Massen zwingen unser Programm auf, das auf der Enteignung der Enteigner*innen beruht, um auf den Ruinen der verkommenen Demokratien für Reiche echte Arbeiter*innenrepubliken aufzubauen.

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