Reptil der Sozialpartnerschaft

22.06.2018, Lesezeit 3 Min.
Gastbeitrag

Der ausdauernde Arbeitskampf der Beschäftigten der Vivantes Service GmbH hat etwas zu Tage befördert, was sich nicht mehr kitten lässt. Ein Kommentar von Lasse Reinboeng.

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Es ist in etwa wie nach einem Fußballspiel, bei dem der FC Bayern in der 96 Minute noch einen strittigen Elfmeter erhält und wieder mal gewinnt. Spieler und Fans verlassen misstrauisch das Stadion. Die einen in einem Freudentaumel, bei denen ihnen jeder Jubelchor vor Scham im Halse stecken bleibt, die anderen mit einem Gefühl betrogen worden zu sein. Einem Gefühl, das nicht mehr weg geht.

Wir alle müssen den Kolleginnen und Kollegen dankbar sein. Sie haben dafür gesorgt, dass die Masken fielen, bei den Mächtigsten, bei denen sonst alles abperlt und bei den weniger Mächtigen, die sich dieses Mal zu sicher fühlten, entdeckt zu werden. Das Reptil der Sozialpartnerschaft, das uns mit dem Arbeitskampf an den Strand gespült wurde, riecht von Tag zu Tag ein bisschen mehr. Ein Geruch, der nicht mehr weg geht.

Der harte Stahl, der die Beschäftigten in einen Käfig von ungleichem Lohn für gleiche Arbeit zwängte, fing in den letzten Wochen an zu glühen und wurde weich. Es gab die große und einmalige Chance diesen zu biegen und sie ein für alle Mal aus der Ausbeutungsfalle zu befreien. Wäre da nicht eine mächtige Allianz aus Senat und ewigen Verfechter*innen der Sozialpartnerschaft gewesen, die das heiße Eisen rechtzeitig und mit beachtenswerter politischer Professionalität, genau zum richtigen Zeitpunkt, ins Abklingbecken beförderten. Ein äußerst schwieriger Akt, der höchste Präzision und vor allem eine von vielen Seiten ausgeklüngelte Strategie erforderte.

Doch das Abklingbecken erfüllt seinen Zweck nicht. Wie ein Brennstab köchelt nicht das Ergebnis, aber der Hergang der Tarifeinigung vor sich her. Eine Offenbarung von Geschichten von Politiker*innen und deren starken Verbündeten, den Fürsten der Sozialpartnerschaft im falschen Gewand. Und der Arbeitskampf hinterlässt einen Finanzsenator, der jetzt „schlafender Dagobert“ heißt, verantwortlich für einen Koalitionsvertragsbruch, der für viele exemplarisch für Koalitionsvertragsbrüche steht. Aus dieser Geschichte lernen wir, dass es etwas zu verändern gilt. Wie schon Erich Fried treffend sagte: „Die Verhältnisse, die dich kleiner machen als deine Freunde dich kennen, die Verhältnisse, in denen du den Kopf einziehen und die Knie beugen musst, um stehen zu bleiben – diese Verhältnisse musst du verändern oder verlassen.“

Unsere Erkenntnis aus diesem Kampf ist, es gilt jeden Stein schonungslos umzudrehen. Jeden!

Dieser Kommentar erschien ursprünglich bei LabourNet Germany.

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