Red Brain Nr. 11: das Programm der Piraten

06.06.2012, Lesezeit 8 Min.
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Red Brain ist eine linke, antikapitalistische SchülerInnenzeitung, die von einer unabhängigen SchülerInnengruppe (in Zusammenarbeit mit RIO) am John-Lennon-Gymnasium in Berlin-Mitte her­aus­gegeben wird. Die Ausgabe gibt es als PDF, die einzelnen Artikel gibt es unten:

Wie geht es weiter?

Es ist wieder einmal Zeit für eine neue Ausgabe von Red Brain!

In der Redaktion haben wir in den letzten Wochen über die Idee diskutiert, aus Red Brain eine Art Gruppe zu machen. Wir wollen mit Dir inner- und außerhalb unserer Schule linke Politik machen, über schulalltägliche und gesamtgesellschaftliche Probleme diskutieren. Wir wollen einen Raum schaffen, wo Du sagen kannst, was Dich nervt und stört, und was Du dagegen tun kannst. Was hältst Du davon? Wenn Du Interesse hast, dann bist Du herzlich eingeladen zu unseren Treffen zu kommen!

Eure Red Brain-Redaktion

Gsugkhgdrdirektedemokratiehffgdfgdrli: das Programm der Piraten.

Sie war die Überraschung der Abgeordnetenhauswahl von Berlin. Seitdem hat sie es in jedes Parlament geschafft. Bundesweit kommen sie in Umfragen auf 13%. 30% der Menschen können sich vorstellen, sie zu wählen. Die Rede ist natürlich von der Kraft, die in einigen deutschen Landesparlamenten hinter SPD und CDU bereits auf Platz drei steht: der Piratenpartei. Doch woher kommen die Piraten und warum sind sie so erfolgreich, wenn sie doch von allen anderen Parteien als „dilettantisch und stümperhaft“ bezeichnet werden?

Die Piraten haben sich aus der Bewegung gegen Überwachung im Internet entwickelt und stellen für viele aufgrund ihres Auftretens eine Alternative zur Politik des Establishments dar. Ihnen wird alles verziehen, denn sie wirken authentisch. Die etablierten Parteien schaffen die NichtwählerInnen; die Piraten mobilisieren sie. Mit Forderungen wie der Legalisierung aller Drogen, einem bedingungslosen Grundeinkommen, einem neuen Urheberrecht und mehr Demokratie entsprechen sie dem Bewusstsein breiter Teile der Gesellschaft. Dazu lässt sich sagen, dass die Entwicklung der Piraten zu einer Protestpartei mit enormen Wahlerfolgen, derjenigen der Grünen der 80er Jahre ähnelt. Sie sind wie ein Chamäleon: für FDP‘lerInnen liberal, für Linke sozial und gerecht, im Netz „nerdig“, auf der Straße empört. So passen sie sich eben so schnell ans Parlament und die bürokratischen Gegebenheiten an.

Dieses Phänomen entspricht ihrer allgemeinen Schwammigkeit bei der Umsetzung der Ziele. So stellen sie auch neoliberale Forderungen wie die Privatisierung des öffentlichen Nahverkehrs und der Strom- und Gaswerke in Nordrhein-Westfalen. Dabei hat die Privatisierung bei den Berliner Wasserbetrieben gezeigt, das dies die Profite der Konzerne auf Kosten der Bevölkerung erhöht.

Da die BürgerInnen durch den „durchsichtigen Staat“ Zugang zu allen Informationen hätten, könnten sie auch verantwortungsbewusst selber die Geschicke der Politik lenken – soweit zur Idee. Um das zu erreichen, versuchen die Piraten, auf Teufel komm raus in die Regierung zu kommen und vergessen dabei zentrale Gedanken ihrer Basisdemokratie. Also einfach Piraten wählen und das Parlament tut, was ich will?

Denken die Piraten wirklich, sie seien die ersten, die auf die Idee gekommen sind, etwas verändern zu wollen? Wie alle etablierten Parteien sind auch die Piraten ein Werkzeug der Industrie. Wirkliche Veränderung kommt nur, wenn wir uns organisieren – und zwar nicht im Parlament, sondern in den Schulen, in den Betrieben und auf den Straßen. Ja, wir wollen mehr Demokratie – aber das bedeutet auch demokratische Kontrolle der Wirtschaft.

Appell an meine Kanzlerin

Mein Liebchen ist ein Arbeitstier
nd so lieg ich wach bis um halb vier
um ihr zu sagen, ich will mich natürlich nicht beklagen
doch es ist nicht leicht zu ertragen
in welch‘ wahnsinnigen Höhen
sie in letzter Zeit dirigiert
und, dass es mich ein wenig irritiert
wie sie das Menschliche dabei
nicht ansatzweise aus den Augen verliert

Warum gönnen wir uns nicht ein wenig Ruhe
Angela wäre meine Buhle
und
wir errichten uns ein Blumenbeet
in dem nur eine Blume steht
die nennen wir dann Demos Kratia und lassen sie verwelken
während wir gemeinsam Steuermittelkühe melken

Unsere Ernte verkaufen wir auf dem freien Wochenmarkt
auf dem mit Recht & Ordnung
jeder Bürger an den Großbauern zahlt

Wir würden uns trennen
und wieder leidenschaftlich versöhnen
gemeinsam den griechischen Nachbarbauern verhöhnen
und Abends würde sie „Euro-Rettungsschirm“
in unser Kissen stöhnen

Siehst du Angi, auch ohne Größenwahn
bringt Engstirnigkeit Glück
so zieh mit mir los
und wir machen
anstatt eines Landes
nur noch ein Dorf verrückt

Warum gibt es so viele Klausuren?

Seit Beginn unserer Schulzeit werden wir damit konfrontiert – Test, Leitungskontrolle, Klassenarbeit, Klausur. Diese Art der Leistungsüberprüfung ist zentraler Bestandteil des jetzigen Bildungssystems – doch warum? Wenn es darum gehen soll, 1) unsere Fähigkeiten objektiv zu bewerten und 2) eine für alle gleiche und gerechte Möglichkeit zu liefern, ihren persönlichen Wissensstand darzulegen, dann sind Klausuren nicht geeignet!

WissenschaftlerInnen schickten ein Essay an 200 LehrerInnen – und erhielten Berwertungen von 35 bis 99 von 100 Punkten. Gleiches bei einer Mathearbeit. Noten sind also alles andere als objektiv. Der Zusammenhang zwischen den Leistungen in Klausuren und dem Einkommen der Eltern ist so stark, dass sich nicht von einer leistungsgerechten Benotung sprechen lässt. Verzerrt der Zeitdruck einer Klausur die eigentliche Leistung nicht total? Und wo werden Klausuren den unterschiedlichen Fähigkeiten gerecht?

Wenn also Klausuren nicht als Mittel dienen, um den Leistungsstand zu ermitteln, wozu werden sie uns dann immer wieder als unabdingbar dargestellt?

Klausuren erreichen, dass wir uns, von unserer Kindheit an, an die Normierung der Gesellschaft gewöhnen. Der Vielfalt der möglichen Antworten wird die oberflächliche Bewertung von 1-6 entgegengestellt. Die LehrerInnen werden als GegnerInnen gesehen und die SchülerInnen über Leistungen in den Klausuren bewertet. Wir werden durch Klausuren auf die individuelle Gesellschaft vorbereitet, in der jede/n nur das eigene Wohl zu interessieren hat und kollektive Lösungen als Betrug bestraft werden. Durch Klausuren, die uns unsere ganze Bildungslaufbahn begleiten, werden wir diszipliniert, alles immer schneller, reiner zu machen – sich der Masse, dem System anzupassen.

Am Perfidesten ist die Konditionierung, die durch Klausuren stattfindet: Es wird uns anerzogen, uns schlecht zu fühlen, wenn wir eine für den/die PrüferIn schlechte Leistung erbracht haben, und belohnt, wenn wir es schaffen, das abgefragte Wissen zu lernen. Man fühlt sich schlecht, wenn man sich mit Hobbys auseinandersetzt und nicht für die Klausur lernt.

Nicht ohne Grund stellte ein Philosoph fest, dass ein jeden Tag zum Beten gebrachtes Kind am Ende streng gläubig ist, egal welchen Glauben es vorher besaß. Ein kritisches Hinterfragen der Aufgaben von Klausuren im System ist notwendig! Daher treten wir für ein selbstbestimmtes Bildungssystem ein!

Red Brain-Glossar:
R wie Radikal

Das Wort „radikal“ gehört zu unserem Alltag. Assoziationen mit Gewalt sind vorprogrammiert. Aber was ist der Ursprung dieses Wortes?

Im Allgemeinen gibt es zwei Auffassungen dieses Wortes. Im Bezug auf politischen Radikalismus ist das im weiteren Sinne eine Einstellung, welche die gesellschaftlichen und politischen Probleme an der „Wurzel“ packen und nicht nur die Oberfläche bearbeiten will (Radix = lat. Wurzel).

Nun ist es aber interessant zu sehen, wie das Wort mit der Zeit eine neue Bedeutung bekommen hat: In politischem Zusammenhang wird es mit gewalttätigen Handlungen in Verbindung gebracht. D.h. all diejenigen, die Links- oder Rechtsradikale als gewalttätig sehen, haben theoretisch Unrecht, da es nur bedeutet, dass die Verhältnisse von Grund auf verändert werden sollten. Wenn sich also ein Linker in eurem Umkreis als radikal bezeichnet, hat das gar nichts mit Steinewerfen oder Mülltonnen anzünden zu tun, sondern mit einer Einstellung, die die Problemursachen sucht – einer „radikalen Grundeinstellung“ also.

Radikal bedeutet, dass Methoden existieren, die starke Veränderungen mit sich bringen oder es vorhaben. Eine Sache der Definition also, und ein großer Unterschied, in welchem Zusammenhang man dieses Wort benutzt.

Zitat des Monats…

Wenn ich den Armen Essen gebe, nennen sie mich einen Heiligen. Wenn ich frage, warum sie arm sind, nennen sie mich einen Kommunisten.

Hélder Câmara

Termine von Red Brain

* Treffen des JLG-Aktionskomitees
jeden Montag, 16 Uhr, Lennongrad

* offenes Treffen von Red Brain
jeden Freitag, 16 Uhr, Lennongrad

Leo Trotzkis Marxismus

Leo Trotzki, wichtiger Akteur der Oktoberrevolution, Organisator der Roten Armee und Gründer der IV. Internationale, steht für einen radikalen Kampf gegen Faschismus, Stalinismus, Kapitalismus und für ArbeiterInnnendemokratie und Internationalismus. Doch wie aktuell sind Programm und Theorie Trotzki‘s heute?

6. Juni: Übergangsprogramm
13. Juni: Permanente Revolution
immer 19 Uhr, Café Commune,
Reichenberger Str. 157, U-Bhf. Kotti

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