#R2G oder #Revolution?

22.10.2013, Lesezeit 5 Min.
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// Sondernummer von „Waffen der Kritik“ für die FU //

Gregor Gysi, Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag, kommt an die FU. Er kommt aber nicht in einen Hörsaal, weil die Univerwaltung ihm einen Raum verweigert – ein Skandal, wenn man bedenkt, wie der Unipräsident Peter-André Alt im letzten Semester für Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) den roten Teppich ausgerollt hat! Die FU hat starke linke Traditionen, doch das Präsidium ist rechts und konservativ. Aber egal: Auf eine alte FU-Tradition wird zurückgegriffen und ein Foyer von Studierenden für ein „Teach-In“ besetzt!

Die Linkspartei hat bei den Bundestagswahlen 3,3% verloren, aber wegen der Großen Koalition wird Gysi Oppositionsführer im Bundestag. Er lässt keinen Zweifel daran, dass er viel lieber in der Position eines Juniorpartners in einer Rot-Rot-Grünen Regierungskoalition wäre. Schon vor der Wahl erklärte er im Interview, dass er am liebsten Außenminister werden würde.[1] Für ihn wäre eine Bedingung der Ausschluss neuer Kampfeinsätze der Bundeswehr – wobei er auffällig die Linkspartei-Forderung nach einem sofortigen Rückzug aus Afghanistan fallen lässt und auch die Option „humanitärer“ Militäreinsätze offen lässt.

Aber nicht nur der rechte Flügel der Linkspartei wirbt für diese Regierungsoption, auch der Parteivorsitzende Bernd Riexinger oder die Fraktionsvorsitzende im hessischen Landtag werben offensiv für #R2G: „Wir wollen mitregieren, wenn die Bedingungen stimmen“, sagte Wissler gegenüber der Presse.[2]

Politikwechsel?

Wie würde ein „Politikwechsel“ unter einer Rot-Rot-Grünen Bundesregierung aussehen? Eine klare Antwort auf diese Frage erfordert nicht viel Fantasie: In Brandenburg kürzt eine „rot-rote“ Landesregierung kräftig im öffentlichen Dienst und im Bildungssystem, während Flüchtlinge weiter abgeschoben werden. In Berlin hat ein „rot-roter“ Senat zwischen 2002 und 2012 mit der Privatisierung von 150.000 Wohnungen die aktuelle Krise am Wohnungsmarkt vorbereitet.

International sieht es nicht besser aus. Die linke Partei Rifondazione Comunista war einst Hoffnungsträger vieler linksradikalen Aktivist*innen in Europa, doch als Teil einer „linken Regierung“ stimmte sie für den Einsatz italienischer Truppen in Afghanistan und vor der Küste Libanons. Linke Regierungen machen eben immer Politik im Interesse der Banken und Konzerne – oder werden im Extremfall vom Staatsapparat gestürzt, wie es 1973 bei Chiles sozialdemokratischem Präsidenten Salvador Allende passiert ist.

Könnten wir von #R2G in der BRD etwas anderes erwarten? Eine (zugegebenermaßen nicht wissenschaftliche) Definition von Wahnsinn lautet, immer wieder das Gleiche zu tun und dabei andere Ergebnisse zu erwarten. Dementsprechend sagte Gysi auch im erwähnten Interview, dass seine Fraktion in so einer Koalition „disziplinierter als die anderen“ wäre – heißt: disziplinierter bei der Durchsetzung von Angriffen auf die arbeitende Bevölkerung, wie wir sie aus den letzten Jahren zu Genüge kennen.

Nicht logisch?

Ist es aber nicht logisch, wenn man politisch etwas bewirken will, eine Regierung zu bilden? Doch: Der Staat ist kein neutrales Gebilde unter Kontrolle der BürgerInnen, sondern ein Apparat der herrschenden Klasse zur Unterdrückung ihrer Interessen. In unserem Fall geht es um die Interessen der KapitalistInnen gegen die ArbeiterInnen, die Jugendlichen, MigrantInnen und andere unterdrückte Gruppen. Eine Regierung verwaltet nur diesen Staat, weshalb die revolutionäre Kommunistin Rosa Luxemburg schon 1904 meinte: „Als regierende darf sie [die sozialistische Partei] nur auf den Trümmern des bürgerlichen Staates auftreten“.[3]

Die Alternative dazu besteht darin, den Staat der KapitalistInnen zu zerschlagen und eine Republik der ArbeiterInnen aufzubauen. So eine Regierung würde sich, nach dem Vorbild der Pariser Kommune von 1871, nicht auf ein Parlament, sondern auf Machtorgane der selbstorganisierten ArbeiterInnen und Unterdrückten stützen. In solchen Räten würden Delegierte von der Basis direkt gewählt werden und jederzeit von dieser abwählbar sein, und würden den gleichen Lohn bekommen wie ihre WählerInnen. Vor allem würden sie sich nicht auf die Sphäre der Politik beschränken, sondern die Wirtschaft den wenigen KapitalistInnen entreißen und der demokratischen Kontrolle der Mehrheit unterstellen. So funktionierten die Sowjets in der russischen Oktoberrevolution von 1917, vor der stalinistischen Degeneration.

Für die Revolution!

So ein Projekt zur Überwindung des Kapitalismus, zur Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln, will Gysi nicht. „Es gibt für uns keinen Weg zur Verstaatlichung der Produktionsmittel“[4], sagte er schon klar genug. Er ist nicht wahnsinnig, sondern möchte eine Regierungsbeteiligung, weil er den Kapitalismus nicht abschaffen, sondern mitverwalten möchte. Wir sind für eine breite Zusammenarbeit aller linken Kräfte, wo wir gemeinsame Interessen haben, aber wir halten es für fatal, wenn die Linke ihren Horizont auf die Verwaltung des Bestehenden beschränkt.

Nun ist Gysi an der FU und wir möchten mit ihm darüber sprechen. Wir wissen, dass Teile des linken Flügels der Linkspartei wie Linke.SDS oder Marx21 den Vorschlag von #R2G oder linke Regierungsbeteiligung insgesamt ablehnen. Wir freuen uns über diese Übereinstimmung und wir hoffen, dass wir in der Diskussion mit Gysi auch erörtern können, wie linke Kräfte, die den revolutionären Sturz des Kapitalismus anstreben, unsere Zusammenarbeit verstärken können, mit der Perspektive einer revolutionären Partei, die nicht aus Bundesministern auf Abruf, sondern aus revolutionären ArbeiterInnen und Jugendlichen besteht.

Fußnoten

[1] Spiegel
[2] FAZ
[3] Marxists.org
[4] Arbeiterfotografie

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