Unsere Klasse

Prekarität und Betrug: Die Realität von migrantischen Arbeiter:innen bei DHL

Eine spanische Arbeiterin bei DHL in Leipzig erzählt uns von den prekären Arbeitsbedingungen, denen die von diesem multinationalen Unternehmen eingestellten migrantischen Arbeiter.innen ausgesetzt sind.

Prekarität und Betrug: Die Realität von migrantischen Arbeiter:innen bei DHL
SimonWaldherr, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons

Seit mehr als einem Jahr wirbt das deutsche internationale Logistik- und Kurierunternehmen DHL Arbeiter:innen aus dem Spanischen Staat für die Arbeit in einem seiner globalen HUBs (Transit- und Vertriebszentren) in Leipzig an. Dieses Zentrum hat mehr als 7.000 Beschäftigte, von denen etwa 500 als Arbeiter:innen aus dem Spanischen Staat kamen.

Die Situation, die wir als Arbeiter:innen aus dem Spanischen Staat erleben, beginnt mit der Anwerbung durch die spanische Leiharbeitsfirma Synergie für einen Monat Weiterbildung. Dieser Prozess gliedert sich in eine zweiwöchige theoretische Weiterbildung, in der wir in das Unternehmen eingeführt werden und die Grundlagen der Arbeit im operativen Bereich vermittelt bekommen. Danach absolvieren wir ein zweiwöchiges Praktikum an DHL-Standorten in Madrid, Vitoria oder Barcelona.

Während der Ausbildung wurden uns verschiedene Hilfsmittel angeboten und vorgestellt, insbesondere in Bezug auf die Unterbringung bei der Ankunft in Leipzig, die als gute Geschäftspraxis von DHL angepriesen wird. Aber aber wenn man etwas genauer nachforscht, stellt man fest, dass sie mit dem EURES-System verbunden sind, einem Programm der Europäischen Union für die Freizügigkeit der Arbeiter:innen.

Als wir am HUB in Leipzig an unserem Arbeitsplatz ankamen, wurden wir ziemlich schnell unzufrieden und desillusioniert. Denn viele der Dinge, die sie uns versprochen hatten, haben sich als falsch herausgestellt.

Die Ursachen für diese starke Unzufriedenheit sind das Gefühl, im Stich gelassen worden zu sein, was die versprochene Unterstützung während der Weiterbildung und die Begleitung bei der Unterbringung angeht, sowie ein großer Mangel an Informationen über unsere Arbeitsrechte. DHL macht sich die Tatsache zunutze, dass die meisten von uns weder Deutsch noch Englisch können, was es uns unmöglich macht, mit unseren direkten Vorgesetzten zu kommunizieren.

Der Vertrag, den wir mit DHL unterzeichnen, ist ein unbefristeter Teilzeitvertrag mit 35 „flexiblen“ Stunden pro Woche. Das bedeutet, dass wir nicht 35 Stunden pro Woche arbeiten, sondern z.B. 31 Stunden, sodass 4 Minusstunden übrig bleiben, die dem Unternehmen geschuldet werden und über die das Unternehmen frei entscheiden kann, wann und wie sie eingesetzt werden. Dadurch stehen die Beschäftigten ständig in der Schuld, je nach den Produktionserfordernissen.

Eine weitere Unzufriedenheit besteht darin, dass die Verträge der Gruppen, die aus dem Spanischen Staat gekommen sind, unterschiedlich sind. Zum Beispiel erhielten die Gruppen, die Ende 2021 und Anfang 2022 aus dem Spanischen Staat kamen, eine höhere Kategorie als die Gruppen, die erst kürzlich von dort gekommen sind. Das vertieft die immer wiederkehrende Geschäftspolitik des „Teile und Herrsche“, um einen einheitlichen gewerkschaftlichen Kampf auf der Grundlage gemeinsamer Forderungen zu verhindern. Es ist auch zu beachten, dass DHL mit verschiedenen Leiharbeitsfirmen zusammenarbeitet, um Arbeiter:innen für bestimmte Produktionszeitpunkte mit einer maximalen Vertragsdauer von sechs Monaten anzuwerben.

Vor Kurzem hat sich die Gewerkschaft Verdi mit einigen Beschäftigten des DHL-Hubs Leipzig aus dem Spanischen Staat getroffen, um unsere Forderungen und Bedenken zu sammeln und einen Kampfplan für das Jahr 2023 zu definieren. Thema war vor allem eine Lohnerhöhung, da es sich um eines der profitabelsten multinationalen Unternehmen der Welt handelt, das in vielerlei Hinsicht als Lobby fungierte und weiterhin fungiert. Aktuell wird die Möglichkeit ins Auge gefasst, einen Streik für das Frühjahr 2023 zu organisieren.

Zweifellos würde die Möglichkeit eines Streiks in diesem Sektor einen starken Impuls für die gewerkschaftliche Neuorganisation in einem der wichtigsten multinationalen Unternehmen der Welt bedeuten. Wir, die migrantischen Arbeiter:innen, die unter sehr prekären Bedingungen angekommen sind, haben die Aufgabe, im Kampf für unsere Rechte und bessere Bedingungen an der Spitze zu stehen.

Spende für Klasse Gegen Klasse

Wir finanzieren unsere Arbeit (also Serverkosten, Technik, Druckausgaben, etc.) ausschließlich aus Spenden, um unsere politische Unabhängigkeit beizubehalten. Wir wollen uns nicht einschränken lassen, durch Förderrichtlinien oder Parteigelder. Und natürlich sind alle unsere Inhalte, wie Videoproduktionen oder Podcasts, kostenlos zugänglich. Dafür brauchen wir eure Unterstützung.

Jetzt spenden

3 thoughts on “Prekarität und Betrug: Die Realität von migrantischen Arbeiter:innen bei DHL

  1. Anonimo sagt:

    Y no hablemos de intentar promocionar a otros puestos disponibles en el propio hub, que o por un lado ni te hacen la entrevista porque una persona que no tiene alemán da mucha pereza formarla e integrarla (dicho por compañerxs alemanes) o te hacen la entrevista y luego para puestos específicos si les sirve el inglés en la entrevista pero luego si no tienes alemán, vaya, fallaste.

  2. Bernd M. sagt:

    Hmmm…da stellt sich mir aber eine entscheidende Frage! Warum jammern die spanischen Arbeiter herum,wenn sie doch selbst teils deutlich mehr gezahlt bekommen als die Stammbelegschaft dort vor Ort?! Teilweise 2 Lohngruppen (!!!) mehr + „Begrüßungsgeld“ und monatl. Zuschauss für Kost & Logis gibt es dort für die Freunde der warmen Gefilde,also Geld wobvon der einfache dort mit 30 bzw 37,5 Std angestellte Arbeiter nur träumen kann mit Lohngruppe 2. Es läuft einiges verkehrt,aber das Neiden um Lohn ist lächerlich von der spanischen Seite aus.

    1. Thomas sagt:

      Also entschuldige mal aber was heisst 2 Lohngruppen mehr? Jeder der sich auf eine Stelle als Ramp Agent 2 bewirbt hat diese Lohngruppe. Dann bewirb dich und mach den Job dann bekommst du auch mehr Geld und musst keinen Unsinn verbreiten.
      Dass die Spanier damit teilweise im Sort arbeiten ist schlechte Organisation und sogar scheiße für sie.
      Wie würdest du dich fühlen, wenn dir ein Job als Fahrer versprochen wird und dann musst du plötzlich etwas ganz anderes und physisch schwereres machen, in einem Unternehmen in dem dir gesagt wurde dass du schnell Deutsch lernst und es Leute gibt die für dich übersetzen.
      Und Begrüssungsgeld?
      Jeder Mensch der 70km weit weg wohnt und einen Job bei DHL annimmt bekommt bis zu 5000€ von DHL und wir einigen uns mal darauf, dass Spanien weiter als 70km entfernt ist.
      Also du kannst dich gerne beschweren, dass DHL mit Geld und anderen Versprechen die Leute anlockt, aber das hat nichts mit der Herkunft der Menschen zu tun.
      Du hast die gleichen Möglichkeiten wie sie aber kannst oder willst sie nicht nutzen und beschwerst dich dann darüber?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert