Polizei lässt Rechte tatenlos das Kapitol stürmen – die Arbeiter:innenklasse muss sie aufhalten

07.01.2021, Lesezeit 7 Min.
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Der Sturm auf das US-Kongressgebäude hat gezeigt, dass die Polizei die Rechten nicht aufhalten wird. Die Arbeiter:innenklasse muss sich organisieren, um sie zu stoppen.

Gestern Nachmittag stürmten Tausende von Trump-Anhänger:innen aus dem ganzen Land das US-Kapitol und versuchten, die Ratifizierung des Präsidentschaftswahlergebnisses zu verhindern. Die Aktion begann mit einer Kundgebung, bei der Trump selbst seine Anhänger:innen ermutigte, zum US-Kapitol zu marschieren. Die Demonstrant:innen stellten sich der Polizei entgegen, durchbrachen Absperrungen und stürmten den Kongresssitz mit nur wenig Widerstand durch die Behörden. Angestachelt wurden sie dabei von Trump, zunächst durch eine Ansprache bei einer Kundgebgung in der Nähe des Weißen Hauses, dann durch eine Reihe von Tweets, in denen er seine republikanischen Kolleg:innen – darunter Vizepräsident Mike Pence – dafür kritisierte, die Ratifizierung nicht aufgehalten zu haben. In den Monaten zuvor hatte Trump immer wieder seine Wahlniederlage geleugnet und Kundgebungen abgehalten, um seine Basis anzustacheln, die Wahlen anzufechten. Tags zuvor hatte die Wahl in Georgia die Kontrolle der Demokratischen Partei über beide Kammern des Kongresses bestätigt.

Der internationale Aufstieg des Rechtspopulismus nimmt in den USA die Form einer einwanderungsfeindlichen, rassistischen und fremdenfeindlichen Rhetorik, die von Donald Trump verkörpert und ermutigt wurde, an. Zuletzt stellte sich diese Bewegung gegen das Herunterfahren der Wirtschaft im Kampf gegen Covid-19. Nun sehen wir ähnliche, aber viel größere Mobilisierungen um Trumps Falschbehauptung, dass ihm die Wahl gestohlen worden sei.

Die Erfahrungen mit ihren Protesten dieser rassistischen, reaktionären Masse steht in direktem Gegensatz dazu, wie Aktivist:innen von „Black Lives Matter“ (BLM) in Washington D.C. behandelt wurden. Damals entsandte Trump die Nationalgarde gegen friedliche Demonstrant:innen. Diesmal wurde die Nationalgarde erst nach zwei Stunden wilden Treibens gerufen, sodass die Extremrechten in Büros von Kongressabgeordneten eindringen konnten. Damals überzog die Polizei von Washington D.C. die BLM-Demonstrant:innen mit brutaler Repression und ging sogar so weit, Tränengas in Häuser hineinzuschießen. Um den rechten Angriff und die Besetzung des Kapitols zu verhindern, hat sie jedoch kaum etwas unternommen. Der Widerstand der Polizei gegen die Rechtsextremen kann kaum als echter Widerstand bezeichnet werden, was einmal mehr die Beziehung zwischen Polizist:innen und rechten und faschistischen Kräften zeigt. Im direkten Kontrast zu den BLM-Protesten wurden keine Gummigeschosse abgefeuert und weder Tränengas noch Schallkanonen eingesetzt. Dies gilt es im Zusammenhang mit der stillschweigenden Unterstützung der Polizei für eine Bewegung zu verstehen, die ihre mörderischen und brutalen Praktiken verteidigt hat. Es gibt keine andere Erklärung dafür, warum es diesem rassistischen Mob gelungen ist, die Absperrungen zu überwinden und tief in den Kongress einzudringen.

Selbst als im vergangenen Jahr nach der Präsidentschaftswahl Aktivist:innen, darunter einige aus der BLM-Bewegung, demonstrierten, um zu fordern, dass alle abgegeben Stimmen gezählt würden, sahen sie sich gewaltsamer Polizeirepression gegenüber. Das „Recht“ auf Demonstrationsfreiheit der anti-demokratischen Pro-Trump-Bewegung wurde derweil nie infrage gestellt, auch nicht in Städten mit Demokratischen Bürgermeister:innen.

Trotz dieser Angriffe argumentieren liberale Organisationen und Gewerkschaftsbürokrat:innen immer noch, dass sich die Bewegung für die Unterstützung der Demokraten einsetzen sollte – derselben Demokraten, die die Bewegung monatelang brutal unterdrückt haben.

Die Menschen zur Wahl zu drängen, war jedoch nicht nur eine Form der liberalen Kooptation, sondern auch die Strategie der Zentrist:innen innerhalb der Linken, um den Aufstieg der gewalttätigen rechten Bewegung abzuwehren. Die Logik hinter dieser Strategie ist, dass Trump die Wahl verlieren musste, um destabilisiert zu werden und ihn daran zu hindern, die extreme Rechte aufzuwiegeln. Offenkundig funktioniert das nicht. Der extremen Rechten geht es heute besser als je zuvor. Gestern hat sie sich wortwörtlich den Weg ins US-Kapitol gebahnt.

Wir können den Trumpismus nicht wegwählen. Es ist eine Bewegung, die als ein Ergebnis von den Jahren des Neoliberalismus, die der Trump-Präsidentschaft vorausgegangen sind, gewachsen ist. Diese Epoche des Neoliberalismus hat arbeitende Menschen hingerafft und eine Polarisierung zwischen Links und Rechts geschaffen, verkörpert durch Bernie Sanders und Donald Trump. Viele junge weiße Menschen fühlen sich wegen der wirtschaftlichen und sozialen Krisen des Kapitalismus hoffnungslos, wütend und ohne Ausweg – was sie zu perfekten Zielen extrem rechter Radikalisierung macht, die auf dem bereits verankerten Rassismus aufbaut, auf dem dieses Land gegründet wurde. Diese Bewegung schart sich nicht unbedingt wegen seiner Machtposition um Trump, sondern weil er ihre reaktionären populistischen Positionen verkörpert. Und selbst nach seiner Niederlage tut er dies weiterhin. Er hat seine Bereitschaft gezeigt, das Establishment der Republikanischen Partei zu radikalisieren und zu konfrontieren – ein sehr gefährlicher Donald Trump ohne die „Aufpasser:innen“, die ihn während seiner Präsidentschaft im Zaum gehalten haben. Extrem rechte Gruppen haben das ausgenutzt, um Mitglieder und Einfluss zu gewinnen. Dies ist nur das jüngste Beispiel dafür, dass die Wahlen den Aufstieg der Rechten nicht verhindert haben.

Die Strategie, auf die Wahlen zu setzen, hat die Arbeiter:innenklasse und die Massen nicht wirkungsvoll darauf vorbereitet, auf den Aufstieg der extremen Rechten zu reagieren oder die massenhafte, rechtspopulistische Bewegung von Trump zurückzuschlagen. So etwas hat noch nie und wird auch nie funktionieren. Stattdessen hat diese Strategie unsere Energie von den Straßen und aus den Betrieben abgezogen, wo unsere Kraft liegt, auf die Angriffe der extremen Rechten wie auch des kapitalistischen Staates zu reagieren.

Die Arbeiter:innenklasse und die Unterdrückten stehen vor einer realen Bedrohung. Der Angriff auf den Kongress ist ein ultra-reaktionärer Versuch, demokratische Rechte auszuschalten. Niemand glaubt natürlich daran oder vertraut darauf, dass der Ausschuss der Wahlleute (oder der Senat) eine demokratische Institution ist; alle Institutionen des Zweiparteiensystems sind verrottet. Die Demokraten zu verteidigen ist aber nicht der Weg, wie wir unsere demokratischen Rechte schützen können.

Es ist dringend notwendig, dass die Arbeiter:innenklasse mit den Demokraten bricht und seine demokratischen Rechte unabhängig von der Demokratischen Partei verteidigt. Wir müssen zu massenhaften Demonstrationen aufrufen und kämpferische Aktionen in unseren Betrieben und in unsere Gemeinden entwickeln, um den rechten Flügel und den Trumpismus zurückzuschlagen. Gleichzeitig können wir der Polizei oder der Nationalgarde nicht vertrauen, dass sie unsere Rechte und unsere Leben schützen. Sie arbeiten für unseren Klassenfeind. Sie sind unsere Unterdrücker. Wir müssen unsere Selbstverteidigung auf der Grundlage demokratischer Organisationen der Arbeiter:innenklasse und der Unterdrückten entwickeln.

Dieser Artikel erschien erstmals gestern auf Left Voice. Inzwischen ist bekannt, dass bei den Vorkommnissen vier Menschen ums Leben gekommen sind: eine Frau wurde wohl von einem Polizisten angeschossen, drei weitere starben nach Angaben der Polizei aufgrund von „medizinischen Notfällen“. Der Kongress hat derweil das Ergebnis der Präsidentschaftswahl bestätigt. Trump hat angekündigt, dass er für eine geordnete Amtsübergabe sorgen will, obwohl er das Ergebnis weiterhin nicht anerkennt. Bekannt gegeben hat er dies über den Twitter-Account eines Sprecher, da seine eigenen Accounts auf mehreren Plattformen vorübergehend gesperrt sind. 

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