Podemos: Iglesias regiert durch

14.02.2017, Lesezeit 5 Min.
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Der zweite Kongress der neoreformistischen Partei Podemos fand nach einem intensiven Machtkampf innerhalb der Partei statt und bestätigt Pablo Iglesias als alten und neuen Generalsekretär. Was sagt das über die Zukunft des „linken“ Hoffungsträgers im Spanischen Staat aus?

Es glich einem gut inszenierten Theaterstück, als Pablo Iglesias am Ende des zweitägigen Kongresses von Podemos in Madrid seinen Gegenspieler Iñígo Errejón umarmte. Auch die Zuschauer*innen gaben mit ihren Rufen nach „Einheit“ eine gute Kulisse für das Schauspiel ab, mit dem der monatelange Flügelkampf innerhalb der jungen Partei beendet werden sollte.

Iglesias konnte sich in allen Wahlen deutlich gegen seine Nummer 2 Errejón und die ex-trotzkistische Strömung „Anticapitalistas“ durchsetzen. Er wurde mit 89 Prozent der Stimmen zum Generalsekretär gewählt und seine Liste wird mit 59,68 Prozent eine deutliche Mehrheit im kommenden „Bürger*innenrat“ (Podemos’ Zentralkomitee) stellen. Die Liste von Errejón, der sich nicht zur Wahl des Generalsekretärs stellte, bekam 37,1 Prozent der Stimmen und „Anticapitalistas“, die zum ersten Mal zur Wahl antraten, 3,32 Prozent. Damit werden die „Pablistas“, wie die Anhänger*innen von Iglesias genannt werden, mit 37 von 62 Sitzen im ZK vertreten sein, während die „Errejonistas“ 23 Sitze einnehmen werden.

Iglesias versus Errejón

Dieser Ausgang der Wahlen ist Ergebnis einer enormen Polarisierung um die Figuren Iglesias und Errejón, die sich nach den Neuwahlen im Juni vergangenen Jahres abgespielt hatte. Damals scheiterte das Projekt von Iglesias, der ein Wahlbündnis mit der traditionellen linksreformistischen Kraft Izquierda Unida (IU) einging, um die sozialdemokratische PSOE zu überbieten und somit eine „Regierung des Wandels“ zu bilden. Doch die PSOE blieb stärker und verhalf im Herbst dem konservativen Präsidenten Mariano Rajoy zu einer erneuten Amtszeit.

Seitdem haben sich drei verschiedene taktische Positionen innerhalb Podemos herauskristallisiert, die auf dem Kongress um die Führung der Partei stritten. Iglesias‘ Position: Er hält an dem Wahlbündnis mit IU fest und möchte den Anpassungskurs an die PSOE etwas verlangsamen – Podemos hat seit ihrer Gründung immer mehr demokratische und soziale Forderungen aufgegeben, um der alten Sozialdemokratie ihre Wähler*innen streitig zu machen. Dafür betont er stärker die Notwendigkeit, „Schützengräben in der Zivilgesellschaft zu graben“ und sich auf Streiks und Mobilisierungen zu stützen.

Podemos und IU sollen eine kämpferische Oppositionsarbeit machen, um sich als neuer linker Flügel des Regimes zu etablieren, nachdem Konservative und Sozialdemokrat*innen erstmals in der spanischen Geschichte eine „große Koalition“ gemeinsam mit der neoliberalen Partei Ciudadanos bildeten. Die diskursive Rückbesinnung auf die Anfänge von Podemos soll dazu dienen, links liegen gelassene Wähler*innen zurückzugewinnen und 2020 mit der Sozialdemokratie regieren zu können.

Errejón strebt hingegen eine Radikalisierung der „Podemos-Hypothese“ an: Durch den immer weiter gehenden Aufbruch des „Links-Rechts-Schemas“ und die effektive Arbeit in den Institutionen soll Podemos die PSOE überflüssig machen und zu einer Sozialdemokratie „2.0“ werden. Auch hier ist das Ziel, 2020 an die Regierung zu kommen. Diese Position betont am stärksten die Kontinuität zum bisherigen Auftreten der Partei, war doch die kontinuierliche Anpassung an die vormals verachtete „politische Kaste“ das Merkmal von Podemos.

Die dritte Position von „Anticapitalistas“ kritisiert am stärksten den bisherigen Anpassungskurs. Sie schlagen vor, zum „Podemos der Anfänge“ zurückzukehren. Sie kritisieren richtigerweise die Politik der Podemos-Schwesterpartei Syriza in Griechenland und lehnen die starke Anlehnung an die PSOE ab. Doch haben sie bis dato eben jene Politik mitgetragen und haben bisher keine ernsthafte Opposition gegen das Aufgeben sozialer und demokratischer Forderungen aufgebaut, die über Reden und Dokumente hinausgeht.

Perspektive: Regieren um jeden Preis

Schließlich ist Podemos bei weitem nicht nur die stärkste Oppositionskraft im Parlament, sondern regiert die wichtigsten Städte des Landes wie Madrid, Barcelona, Zaragoza, Valencia oder Cadiz. Dort sind es nun linke Bürgermeister*innen, die die Politik ihrer konservativen und sozialdemokratischen Vorgänger*innen fortsetzen: Zwangsräumungen gehen weiter, Outsourcing und Niedriglohnverhältnisse bleiben bestehen und Migrant*innen werden immer noch von der Polizei verfolgt und abgeschoben. Doch keine der drei Strömungen kritisiert diese Politik vollständig.

Deshalb handelte es sich bei den drei Positionen, von denen sich Iglesias deutlich durchsetzen konnte, um verschiedene Taktiken mit dem gleichen strategischen Ziel: Durch die Wahlen eine gemeinsame Regierung mit der Sozialdemokratie zu bilden. Doch das so keine Veränderungen für die Werktätigen und Jugendlichen durchgesetzt werden können, zeigen nicht nur die Erfahrungen aus den spanischen Städten, sondern auch das tragische Scheitern von Syriza gegenüber der Troika und die „Linksregierung“ in Portugal.

Iglesias ist nun im Besitz der gesamten Macht des Apparats. Dank der undemokratischen und präsidentialistischen Struktur der Organisation hat er als Generalsekretär volle Befugnisse über fast alle wichtigen politischen Entscheidungen. Auch der Kongress selbst war Ausdruck der fehlenden parteiinternen Demokratie: Die Aktivist*innen auf dem Kongress waren reine Zuschauer in einem Spektakel, das nur für die Medien inszeniert wurde – alle Abstimmungen, die Online von den Mitgliedern durchgeführt wurden, waren schon geschlossen, als die Auftaktrede begann.

Es bleibt abzuwarten, ob Iglesias nun eine „Hexenjagd“ gegen die „Errejonistas“ einleitet oder sich mit dem Machgefüge zufrieden gibt. Doch der zweite Kongress von Podemos macht deutlich, dass der einst hell leuchtende „linke“ Hoffnungsträger immer weiter an Strahlkraft verliert.

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