Podcast #roterfaden, Repression in Bayern: Interview mit Nick Brauns [Audio + Transkript]

29.04.2019, Lesezeit 35 Min.
1

#roterFaden ist ein Podcast der Marxistinnen Penelope Kemekenidou und Anja Bethaven. In der ersten dreiteiligen Reihe “Repression in Bayern” betrachten wir staatliche Repressionen gegen linke Aktivist*innen in Bayern aus verschiedenen Blickwinkeln und sprechen dazu mit Revolutionär*innen aus Bayern. Für Folge 1 haben wir mit dem Historiker und Journalisten Nick Brauns gesprochen.

Anja Bethaven von der marxistischen jugend hat sich mit Historiker und Journalist Nick Brauns getroffen, um mit ihm über Repressionen, Polizeigewalt, die Angst des Staates vor aktiven Linken und die Rote Hilfe zu reden (ein Transkript des Interviews findet sich unter der Audio-Datei):

Anja: Mir gegenüber sitzt Nick Brauns, hi, schön, dass du da bist! Erzähl uns doch erst mal, wer du bist, was du tust und warum du hier bist.

Nick: Ich bin seit Anfang der 90er Jahre in der linken, der revolutionären oder marxistischen Politik engagiert, ich war Mitglied in verschiedenen marxistischen, und konkret auch trotzkistischen, Organisationen. Ich engagiere mich auch seit Anfang der 90er Jahre in der Kurdistan-Solidarität und inzwischen auch in der Solidarität mit der Linken, der Arbeiterbewegung in der Türkei.

Und wenn man das alles macht, kommt man natürlich immer mal wieder mit Repressionen in Berührung. Deswegen bin ich auch seit über 20 Jahren Mitglied der Roten Hilfe und bin Vorsitzender des Hans-Litten-Archivs, ein Archiv, das der Roten Hilfe nahe steht, sich also speziell mit Rote-Hilfe-Themen, befasst. Also mit der Geschichte der Repression einerseits, aber auch mit der Geschichte der Solidaritätsorganisationen der Arbeiterbewegung, der neuen sozialen Bewegungen andererseits.

Ich arbeite auch als Journalist, schreibe unter anderem für die Junge Welt, dort vor allem auch zu den Themen Türkei, Kurdistan, Entwicklungen im Nahen Osten, aber auch immer mal wieder mal zu innenpolitischen Themen, gerade auch zu Fragen der sogenannten Anti-Terrorgesetze, der Repression gegen migrantische Verbände in Deutschland und ähnlichem.

Und im letzten Jahr habe ich mit einem türkischen Genossen zusammen, Murat Çakır, ein neues Buch heraus gegeben: „Partisanen einer neuen Welt – Eine Geschichte der Linken- und Arbeiterbewegung der Türkei“, in dem wir eine Gesamtdarstellung geliefert haben, der Linken, der Arbeiterbewegung, vom Osmanischen Reich bis zur heutigen Türkei. Um eben auch hier in Deutschland ein Bewusstsein zu wecken, für die Kämpfe, die es in der Türkei gibt, aber eben auch Kämpfe, die uns hier mit betreffen, weil viele Kolleginnen und Kollegen aus der Türkei als migrantische Arbeiter in Deutschland leben oder als politische Flüchtlinge hergekommen sind.

Anja: Ich merke schon, da müssen wir auch noch mal irgendwann ein Interview darüber machen, das ist ja auch ein sehr, sehr spannendes Thema.

Warum ich dich heute eingeladen habe: wir haben ja einen in der marxistischen jugend einen Genossen, Benjamin Ruß, der zur Zeit relativ massiven Repressionen ausgesetzt ist und vor zwei Tagen einen Gerichtstermin in Bezug auf passive Bewaffnung hatte. Das heißt, er hat sich ein Stück Plastikfolie auf einer Blockupy-Demo vor das Gesicht gemacht, und das war dann der Staatsanwaltschaft 60 Tagessätze wert. Ich glaube, du hast auch promoviert zu dem Thema Rote Hilfe?

Nick: Ja, ich habe über die Geschichte der historischen Roten Hilfe, also der Roten Hilfe in den 20er und 30er Jahren promoviert, und habe es mit meinem Buch auch geschafft, im Bundesverfassungsschutzbericht erwähnt zu werden – zu einer Zeit, als der damalige oberste Verfassungsschützer, also der Innenminister Otto Schily, ein ehemaliger Rechtsanwalt der neuen Roten Hilfe gewesen ist.

Anja: Und du bist auch schon seit vielen, vielen Jahren als politischer Aktivist tätig – in der linken Szene, in marxistischen Kreisen. Wir haben im Vorfeld ja schon ein bisschen darüber geredet, erzähl mal, wie dein persönlicher Werdegang und deine Zusammenstöße mit den Repressionsorganen des Staates verlaufen sind.

Nick: Ich muss sagen, das waren Punkte, die mich wesentlich politisiert oder, wie man so schön sagt, radikalisiert, haben. Ich meine, als ich das erste mal auf eine Demonstration gegangen bin, hätte ich mich selbst wahrscheinlich als Liberalen bezeichnet. Das war Ende der 80er, die Republikaner, so eine rechte, faschistoide Partei, machten eine Kundgebung und ich wollte dagegen demonstrieren. Und ich war einfach sehr erstaunt, als ich dann vor Ort gesehen habe, dass die Polizei die Gegendemonstranten attackiert hat. Dass sie da vorne diese Nazis, die das Deutschlandlied sangen, die zum Teil den Hitlergruß machten in Ruhe ließ und stattdessen – Knüppel raus – gegen die Antifaschisten vorgegangen ist.

Das warf bei mir eine Menge Fragen auf. Fragen, die mir damals Genossen und Genossinnen von er DKP, die ich dort kennen lernte, beantworten konnten. Nur muss ich sagen, die DKP konnte mir zwar einiges über den Charakter des Staates erzählen, aber hatte ansonsten nicht allzu viel anzubieten, weil das wofür die DKP stand, nämlich die DDR, gerade am Zusammenbrechen war.

Aber ich habe dann angefangen, mich erst mal tiefer mit marxistischer Theorie auseinander zu setzen und es verstehen wollte. Wir haben in der Schule immer gelernt, Faschisten oder Nationalsozialisten, wie es in der Schule oft hieß, das ist das absolut Böse, und das habe ich auch verinnerlicht. Und dann habe ich mich gefragt, wieso schützt dann dieser Staat genau diese Leute? Ich habe erst später verstanden, was die Funktion von Rechtsextremen, von Nazis ist.

Dass der kapitalistische Staat, auch wenn er einen demokratischen Mantel trägt, sich immer noch diese Truppen als Leute für‘s Grobe hält. Die man irgendwann vielleicht wieder braucht, wenn es eine stärkere Linke, eine stärkere Arbeiterbewegung gibt und dass der Staat grundsätzlich die radikale Linke als die größere Gefahr ansieht, als die Rechten.

Das war meine erste Erfahrung und dann ging es auch recht schnell. Anfang der 90er Jahre, ich glaube 1992, bin ich dann damals bei den JuSos eingetreten, weil es gab nicht so viel Anderes hier. Ich habe bei den JuSos dann auch marxistische, trotzkistische Strömungen kennen gelernt, die darin arbeiteten.

Dann war 1992 der Weltwirtschaftsgipfel, die G7 war es glaube ich damals, auch hier in München, und da gab es dann ganz viele Repressionserfahrungen. Nicht nur gegen mich selbst, aber es wurden schon im Vorfeld Versammlungen verboten; die USKs, also die Bürgerkriegseinheiten der Polizei, die jetzt gerade mal wieder durch interne Skandale, Antisemitismus, Sexismus und ins Gerede kommen, die stürmten damals Bündnisveranstaltungen. Das habe ich miterlebt und dachte, warum lässt man uns hier nicht frei zu solchen Themen diskutieren?

Auch die großen Demonstrationen während des Gipfels selbst wurden immer wieder angegriffen, es gab den berühmten „Münchner Kessel“. Ich war selber nicht in diesem Kessel drin, aber ich war an dem Tag auch dort, und wurde auch von der Polizei verkloppt. Und man hat mir vorher meine Trillerpfeife weggenommen, im Wert von – ich glaube – 2,50€, das war ein Solidaritätspreis. Aber dank dieser Trillerpfeife habe ich noch einen großen Prozess geführt. Ich hatte damals einen linken Anwalt, der gesagt hat, erst mal klagen wir dagegen, dass du Prügel bekommen hast, aber das konnten wir nicht nachweisen. Auf den Filmen, die die Polizei hatte, fehlte genau dieser Moment. Da sah man mich erst stehen, dann fehlten zwei Minuten und dann sah man mich nicht mehr stehen.

Darum wurde der Strafprozess auch schnell eingestellt, also ich war der Kläger in dem Fall, nicht der Beklagte. „Aber“, sagte mein Anwalt „wir klagen jetzt aber mal vorm Verwaltungsgericht, wegen der Wegnahme der Trillerpfeife, weil das ist ein Sachwert und in einer kapitalistischen Gesellschaft gilt so etwas allemal mehr als eine Körperverletzung durch die Polizei.“ Und da haben wir dann tatsächlich noch ein paar Jahre später einen juristischen Erfolg gehabt. Diese Wegnahme der Trillerpfeife wurde dann als illegal bezeichnet, und dann auch bis zu RTL hin über meinen Prozess berichtet wurde – „Nikolaus klagt für sein Trillerpfeiferl“.

Das war erst mal eine frühe Erfahrung mit dem Staatsapparat, mit der Repression und eben auch damit, dass plötzlich Bänder verschwinden können. Ich meine, die haben vorher ganz genau dokumentiert, wie ich dort protestierte. Da hieß es dann „11:47 Uhr, Brauns hebt die rechte Hand zum so-genannten ‚Fuckfinger‘, 11:48 Uhr, Brauns zeigt eine Faust, 11:50 Uhr, es fehlt ein Film, 11:52 Uhr, Brauns nicht mehr zu sehen“.

Und das war noch ganz am Anfang Ich habe mich dann immer mehr in der radikalen Linken engagiert, ich wurde dann auch einer von denen, die immer wieder Demonstrationen angemeldet haben, und da fängt es dann einfach an, sich zu häufen. Wenn du in Erscheinung trittst, wenn du aktiver wirst, dass du nach und nach mit Prozessen einfach überzogen wirst. Also wegen irgendwelcher Verstöße gegen das Demonstrationsrecht, oder irgendwelchen Kleinigkeiten.

Anja: Kannst du Beispiele nennen, der Sachen, die du da abbekommen hast?

Nick: Das war in den 90er Jahren, das ist jetzt alles so lange her… Diese Sachen, das waren eben oft auch einfach Sachen… Du bekamst einfach in regelmäßigen Abständen eine Polizeivorladung, bist da nicht hin gegangen, und es passierte dann meistens auch nichts Schlimmeres.

Aber ich hatte in den 90er Jahren auch schon zwei Razzien bei mir zu Hause gehabt, beide allerdings wegen Kurdistan-Solidarität. Einmal, weil ich den Kurdistan-Report verkauft habe, eine legale, bundesweit erhältliche Zeitschrift. Nur wie es so ist, galten damals in Bayern andere Regeln. Ich meine, auch heute werden vor allem in Bayern YPG/YPJ Fahnen verfolgt, die in anderen Bundesländern teilweise gezeigt werden können, und so war es damals mit dem Kurdistan-Report auch. Die Polizei hat meine Bude durchsucht und der Prozess endete damals mit einem Vergleich. Ich musste ein paar hundert Euro an eine Flüchtlingshilfsorganisation zahlen, aber es war natürlich ärgerlich.

Und später kam dann der nächste Prozess: Die Kurden hatten eine Unterschriftenaktion gemacht und ich hatte mitgeholfen, das Ganze dann an den Bayerischen Landtag zu übergeben. Also ich bin mit denen zusammen da hin und ein Polizist hat behauptet, ich hätte ein verbotenes Flugblatt an die Presse weiter gegeben. Der Journalist, dem ich es angeblich gegeben habe hat dann später seine Aussage wieder zurück gezogen, aber an so endete der Tag erst mal damit, dass ich mitgenommen wurde, mit Fingerabdrücke abgeben und allem, was dazu gehört, und dass mein Computer weggeschleppt wurde. Das war dann schon das Jahr 2001 und es brauchte sehr lange, bis ich meinen Computer wieder bekam, an dem ich gerade meine Doktorarbeit schrieb. Es folgten dann die Anschläge vom 11. September und es gab dann jede Menge Razzien, gegen wirklich böse Jungs, und insofern hatte die Polizei dann keine Zeit mehr, sich um meinen Computer zu kümmern. Das hat mich natürlich in meiner akademischen Arbeit ein bisschen zurück geworfen, ich hatte zum Glück Sicherungskopien.Irgendwann wurde dieses Verfahren dann eingestellt.

Danach hatte ich ein paar kleine Verfahren, und dann gab es wieder eine größere Sache. Das war im Jahr 2005, ich habe für die Junge Welt eine Faschistenversammlung beobachtet, in einer Münchner Gaststätte. Und genau an dem Tag, als ich dort beobachtete, stürmten Antifas die Räume. Es flog ein Aschenbecher, es flog ein Bierkrug, nichts passierte, keine Verletzten, gar nichts. Es hat eine Minute gedauert und danach waren die Leute wieder weg. Ich war drin gewesen und einer der Nazi-Chefs und die Wirtin haben dann behauptet, ich wäre der Tippgeber, ich hätte mit meinem Handy das Signal gegeben. Als dann die Polizei kam, hat sie sich einfach, nur weil ich da saß, meinen Namen als Zeugen notiert. Aber als ich dann spätnachts nach Hause kam, warteten dort schon zwei Herren in Zivil vor der Tür, die Handschellen klickten, und meine Computer waren mal wieder weg, mein Handy war weg, alles. Und plötzlich hatte ich einen großen Prozess – Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung – ich hätte das alles mit gemacht. Das Interessante war dann, als ich bei der Polizei irgendwann meinen Computer abholen durfte, lag zufällig meine Akte aufgeschlagen daneben, und ich habe gesehen, nach was für Begriffen die meine Computer durchsucht haben. Und da waren alle möglichen linken Organisationen aufgezählt: Rote Hilfe, SDAJ, und so weiter. Und dann war mir auch klar, die haben mich geschnappt und die Gelegenheit genutzt. Die wussten, ich bin hier Vertreter der Jungen Welt in München, ich bin der, bei dem ganz viele Informationen aus der linken Szene zusammen laufen, und zwar aus In- und Ausland. Ich habe damals auch schon viel auch mit palästinensischen, iranischen und kurdischen Gruppen gemacht, aber auch mit manchen lateinamerikanischen Gruppen, wenn da also irgendwelche Vertreter von revolutionären Organisationen nach München kamen, meldeten die sich bei mir, damit ich ein Interview mache. Und das war natürlich alles irgendwo in meinem Computer.

Anja: Das heißt also, du würdest die These aufstellen, dass sie gezielt deine elektronischen Geräte beschlagnahmt haben, um die Kontaktdaten abzugreifen?

Nick: Genau. Um da dann ein Strukturermittlungsverfahren zu machen. Es kam in dem Fall nie zur Anklage, vorher hatte der Staatsanwalt noch gegenüber der Presse gesagt, ja, der Brauns war‘s, aber nach einiger Zeit kam raus, die haben nicht einmal meine Telefondaten gesichert, die bewiesen hätten, dass ich in dem Moment gar nicht telefoniert habe, auf jeden Fall nicht mit Antifas. Die hatten also gar kein Interesse daran, dass, was sie mir vorwarfen, zu beweisen, und irgendwann wurde das Verfahren eingestellt. Außer Spesen nix gewesen.

Naja, und dann, 2006, ging der Ärger dann weiter. Ich war gerade auf Delegation in Kurdistan gewesen, habe dort miterlebt, wie ein Volksaufstand ausbrach, nachdem eine ganze Reihe Guerillas mit Giftgas getötet wurden. Ich bin an dem Tag, als der Aufstand losging zurück geflogen, habe hier sofort mit Freunden eine Demo organisiert, und auf dieser Demo wurde ich dann – ich war Versammlungsleiter – festgenommen. Derabsurde Vorwurf war, ich hätte eine Kette gebildet mit Anderen, ich hätte mich untergehakt, – was man auf Demos so macht. Wir hätten verhindern wollen, dass Leute, die angeblich verbotene Symbole hoch gezeigt haben, – in Wahrheit Bilder der Gefallenen – festgenommen werden. Außerdem kam noch der Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung dazu. Ich hätte durch mein Megaphon so laut geredet, dass ein Einsatzleiter der USK sich verletzt hätte, Ohrenrauschen, sonstwas.

Und das war dann wirklich eine heftige Geschichte. Es kam zum Prozess, in erster Instanz wurde zwar der Körperverletzungsvorwurf sofort gekippt, weil auch die Gutachterin am Universitätsklinikum gesagt hat, das Megaphon sei viel zu klein, damit könne man das gar nicht machen. “Wahrscheinlich hat der Herr sich nur erschreckt“, hat sie dann gemeint. Aber wegen dem „Unterhaken“, das galt dann als Verhinderung eines Polizeieinsatzes, bekam ich erst mal eine ganze Reihe Tagessätze aufgebrummt.

In der zweiten Instanz hatten wir dann einen Richter, der darüber eher den Kopf schüttelte. Das war durchaus ein konservativer Mann, der aber auch sagte – naja, Unterhaken ist ja nun auf Demonstrationen normal, und er hat das Verfahren dann eingestellt. Also das heißt, die Anwaltskosten und auch die Gerichtskosten, hatte ich dann, weil es ja kein Freispruch war. Natürlich hatte ich Unterstützung der Roten Hilfe, aber es war einfach erst mal eine Sache. Bei solchen Verfahren, auch wenn sie am Ende eingestellt werden, du hast den Stress. In den Verfahren vorher auch, meine Computer waren weg, auch wenn es nicht einmal zur Anklage kam. Das hat mir Schaden verursacht. Den rein materiellen Schaden, und Schaden auch in meinen Jobs. Du brauchst Anwälte, du brauchst Geld für die Anwälte, du wirst zermürbt durch so etwas.

Und in diesem Fall hatte das Ganze noch ein Nachspiel gehabt. Ich war inzwischen nach Berlin gezogen, und lebte schon ein Jahr dort. Dann bekam ich ein Schreiben von der Staatsanwaltschaft, in dem man mir mitteilte, man hätte mich jetzt ein halbes Jahr lang abgehört, mein Handy, mein Festnetz, meine Münchner Wohnung, die ich untervermietet hatte, und man hätte mein Konto überwacht, und auch das Konto des Hans-Litten-Archivs, weil man mich im Verdacht gehabt hätte, ein hoher PKK-Kader zu sein. Nun wäre man allerdings zu dem Ergebnis gekommen, dass ich das nicht bin, dass ich mich zwar sehr gut mit der kurdischen Sache auskenne, mich da auch engagiere und auch PKKler kenne, aber selbst keiner sei. Und dafür hat man mich mal eben ein halbes Jahr abgehört und zwar auch sehr private Gespräche mit meiner damaligen Freundin, aber eben auch Gespräche, die ich als Journalist geführt hatte.

Außerdem hatte ich damals eine Tätigkeit als Mitarbeiter der Linksfraktion angefangen, und es wurden auch Sachen abgehört oder tauchten in den Akten auf, die ich für die Fraktion oder für eine Abgeordnete gemacht habe. Wir waren dort zum Beispiel auf der Spur eines BKA-Mitarbeiters, der im Libanon tätig war und dort mit Geheimdiensten eine sehr schlechte Rolle spielte. Wir haben dazu eine kleine Anfrage im Bundestag gestellt. Und ehe diese kleine Anfrage überhaupt durch die Fraktion durch war, lag sie schon dem BKA vor, weil ich abgehört wurde in der Zeit. Das BKA konnte sich dann natürlich darauf einstellen und hier entsprechend Spuren verwischen sich schon vorzeitig Antworten überlegen, oder was auch immer.

Das war damals die letzte Repression, die ich unmittelbar mitbekommen habe. In Berlin traf es mich nicht mehr so. Ich war auch nicht mehr der Hauptanmelder von Demos, es gab viele, viele Andere. In Berlin die Polizei ist nicht unbedingt besser, aber es gibt nicht so sehr diese Zermürbungstaktik.

Das ist eine ganz spezielle bairische oder Münchner Spezialität und da möchte ich mal kurz erklären, wie es dazu kam. Wir feiern jetzt gerade den 100. Jahrestag der Münchner Räterepublik. Aber diese wenigen Wochen der Arbeitermacht, das war so ein Schock für das bairische Bürgertum, dass sie dann gesagt haben „Nie wieder. Wir werden jetzt den kleinsten Keim linken Aktivität am Boden zerdrücken, ehe da etwas Größeres draus wird.“ Bayern war dann ja auch schon nach dem Ende der Räterepublik der Hort der Reaktion, die „Ordnungszelle Deutschlands“. Diese ganzen Freikorps, die kamen, um die Räterepublik zu zerschlagen, sind dann hier geblieben und aus denen entstand dann auch die Hitler-Bewegung. Und diese Tradition haben wir im Grund genommen bis heute. Dass es immer darum geht, alles was so ein bisschen links ist, links von der SPD sozusagen, soll möglichst vernichtet werden, zermürbt werden, so lange es noch klein ist.

1

Und darum werden auch heute linke Aktivistinnen und Aktivisten, gerade die irgendwie außerparlamentarisch tätig sind, so mit Prozessen überzogen. Selbst wenn die Prozesse am Ende eingestellt werden, die Leute werden einfach zermürbt, werden aus der Politik gedrängt. Und ich denke das ist das, was hauptsächlich dahinter steckt. Abschreckung. Du triffst einen, zermürbst den, schreckst gleichzeitig eine Menge Anderer auch ab, die sich sagen „Wenn es den schon trifft, ja, dann gehen wir lieber gar nicht auf die Demo“.

Und heute haben wir neue Polizeigesetze, gerade auch in Bayern, die noch so viel mehr ermöglichen. Das ist eine Art präventive Konterrevolution, die hier abläuft, kann man sagen.

Anja: Du hattest vorher schon gesagt, dass dich diese Repressionen radikalisiert haben. Jetzt hast du natürlich auch angesprochen – zu Recht -, dass das auch eine Einschüchterung ist. Nach deiner Einschätzung, deiner Beobachtung, würdest du sagen, diese Taktik funktioniert?

Nick: Sie funktioniert begrenzt, sicherlich. Es hängt immer davon ab, wie sehr die betroffenen Leute eingebunden sind in politische Zusammenhänge, die sie dann solidarisch unterstützen können. Und damit meine ich jetzt nicht nur die Rote Hilfe, die wichtig ist, sondern natürlich auch eigne politische Gruppierungen, linke Parteien, Gewerkschaften, Bündnisse, …. Ich hatte bei Repressionen immer viele, viele Genossinnen und Genossen, und zwar auch solche aus Organisationen, die mir vielleicht politisch gar nicht so nahe standen, aber die hatte ich da immer hinter mir. Die dann mit Solidaritätsaufrufen raus gekommen sind, die sich für mich eingesetzt haben, die mir einen Computer geliehen haben, …. Insofern war es erst mal für mich persönlich eine Sache, dass ich wusste, ich kann weiter machen. Es gibt Genossinnen und Genossen, die mich stützen, die mich schützen.

Das war das Eine, das Andere war aber dann trotzdem, dass ich mich auch irgendwann fragte, muss ich jetzt wirklich diese Demo anmelden? Will ich das jetzt wirklich wieder riskieren? Und ich dann schon in der einen oder anderen Frage zurück getreten bin. Gerade wenn du dann anfängst, berufstätig zu werden, musst du Rücksichten nehmen. Du kannst dir dann nicht mehr leisten, einfach mal einen Tag im Knast zu verbringen, wenn du eigentlich im Job sein musst. Und da ist es dann tatsächlich so, dass ich mir dann auch gesagt habe, es gibt Situationen, in denen ich sage, ich möchte die Demo jetzt nicht anmelden, ich fände gut, wenn jemand anders das macht. Oder in denen ich mir dann sage, ich riskiere es jetzt nicht mehr, in der ersten Reihe einer Blockade zu sitzen, noch einen Prozess kann ich mir momentan einfach nicht leisten. Oder ich kann es mir einfach nicht leisten, wenn sie mir jetzt wieder meinen Computer wegschleppen, ich brauche den sowohl vielleicht für die Lohnarbeit, wie auch für die politische Arbeit. Insofern wirkt es natürlich.

Aber das Entscheidende ist einfach, dass du solidarische Zusammenhänge hast, die hinter dir stehen, und das hatte ich zum Glück in diesen Fällen immer. Und wichtig ist, dass – wenn du solche Repressionen abkriegst -, du das richtige Verständnis hast. Dass du weißt, warum handelt der Staat so? Warum greift er dich an?

Er greift dich an, nicht, um dich persönlich zu treffen, sondern in deiner Rolle, die du gerade als Aktivist spielst, und der Staat greift dich vor allem auch in dem an, was du noch werden kannst. Er will dich jetzt, so lange du noch „klein“ bist, treffen. Weil er sieht, wenn du jetzt schon Demos anmeldest, jetzt schon Leute auf die Straße bringst, dann kannst du noch ganz andere Dinge irgendwann später. Er will also hier wirklich die, der Staat redet von den „Rädelsführern“, treffen, und gemeint sind ganz, ganz viele Andere dann eben auch.

1

Wenn du dieses Verständnis hast, dann siehst du aber auch, hey, die haben jetzt schon Angst vor uns wenigen. Vor uns wenigen, weil wir ein richtiges Programm haben, weil wir in einer entsprechenden Situation vielleicht ganz, ganz viel in Bewegung bringen können. Und das macht natürlich auch wieder Mut.

Anja: Ganz dumme Frage – Das Zurücknehmen, hat das was gebracht? Sind die Repressionen weniger geworden dadurch?

Nick: Das ist schwer zu sagen, weil ich eben, wie gesagt, dann nach Berlin gegangen bin, und dort die Polizei anders agiert. Also eben nicht so sehr auf diese Zermürbungstaktik setzt, und andererseits in Berlin auch eine viel militantere Szene da ist. Dort werden dann nicht mehr die Leute fertig gemacht, die nur eine Demo anmelden, sondern die Leute, die dann auch wirklich militant agieren. Auf die konzentriert sich die Polizei dann eher. Aber natürlich dann auch durchaus auch auf Wohngemeinschaften, in denen sie solche Leute vermuten, sie treffen dann das ganze Umfeld mit.

Ich persönlich hatte dort in den, sagen wir, letzten 10-12 Jahren weniger Repressionen dieser Art abbekommen. Ich gehe sehr davon aus, dass ich weiter überwacht werde. Aber nicht wegen laufender Strafverfahren, sondern eher durch den Verfassungsschutz, einfach aufgrund der Aktivitäten, die ich so mache, insbesondere mit der kurdischen Bewegung. Da haben sie uns einfach alle entsprechend im Blick.

Gut, ich wurde auch in Berlin das eine oder andere Mal festgenommen. Einmal, weil ich auf einer Demonstration Erdoğan als Mörder bezeichnet habe. Natürlich kam es nicht zu einem Strafverfahren danach, aber auch da passiert so etwas leicht.

Oder ich bekam eine Anzeige … Ich hatte als die Türkei in Syrien einmarschierte bei der Polizei eine Spontandemonstration angemeldet und man sagte mir dann, ich hätte eine Eildemonstration anmelden müssen. Die Demonstration wäre ja schon nicht mehr spontan, weil wir eine Stunde vorher schon über Facebook mobilisiert hätten. Ich meine, da wollte ich alles richtig machen, bin gleich zum erstbesten Polizisten am Platz gegangen, habe gesagt, ich möchte eine Spontandemo anmelden, und der hat auch gesagt ja, das geht alles. Und am Ende der Demo ist der Einsatzleiter gekommen und hat gesagt, Herr Brauns, sie haben eine Spontandemo angemeldet, es hätte eine Eildemo sein müssen. Da kommt man sich ja echt verarscht vor. Man will also tatsächlich alles richtig machen, wir hätten es ja auch ganz ohne Anmeldung machen können. Dank meiner guten Anwältin ist das Verfahren dann ganz schnell eingestellt worden. Aber sie haben es danach noch mehrmals bei anderen Leuten probiert, mit der selben Feinheit. Und ich befürchte, nicht alle hatten gute Anwältinnen und einige haben dann auch wirklich gezahlt.

Also, der Ärger geht sicherlich auf eine gewisse Weise weiter. Aber wenn du dich dann mehr in andere politische Bereiche rein hängst und nicht mehr der Straßenkämpfer bist, kriegst du es vielleicht nicht mehr so voll ab.

Aber ein Beispiel, wie es dann weiter ging: 2011 sollte ich die revolutionäre 1. Mai-Demonstration in Berlin anmelden. Und weil ich zu dem Zeitpunkt ja auch Mitarbeiter einer Linkspartei-Abgeordneten war, war das für die rechte Presse, die B.Z., also das Springerblatt für Berlin, ein gefundenes Fressen. Es wurde eine Kampagne los gestoßen, die hatten in den Wochen vorm 1. Mai eine Serie – , „Das Netzwerk des linksextremen Terrors“, „die linke Mafia in Berlin“, und so. Und da wurde ich namentlich genannt, neben mehreren Linkspartei-Abgeordneten, neben dem presserechtlich Verantwortlichen der Roten Hilfe, einem linken Buchhändler und einem linken Rechtsanwalt, wo man uns als die Drahtzieher dieses linken Terrors präsentierte.

Und es war einfach ein so großer Druck, nicht nur auf mich, sondern letztendlich auch auf meine Chefin, so dass ich am Schluss von dieser Demonstrationsanmeldung zurück treten musste. Mein Anwalt hat das dann übernommen und die Anmeldung gemacht.

Da hieß es wirklich auf den Infoscreens in der U-Bahn „Linksfraktionsmitarbeiter meldet Krawalldemonstration“ an. Und das ist auch so eine Sache. Selbst wenn man für die Linksfraktion arbeitet, wo man meint, da ist eine Menge drin, auch politisch, selbst da, oder auch gerade da, kriegt man dann auch so einen Druck ab in der Öffentlichkeit. Weil die ganze Presse sich so auf dich einschießt.

Und man muss sich fragen, wo hatte die Presse diese Information her? Ich bin nicht öffentlich aufgetreten als Anmelder, sondern der Leiter des dortigen Ordnungsamtes, das der Polizei angeschlossen ist, hatte diese Information weiter gegeben an einen ihm nahe stehenden Journalisten einer großen Berliner Zeitung. Und der hat es dann ausgebreitet, und da hatten es dann alle anderen auch her.

Also da hatten wir wirklich dieses Spiel … Klar, man konnte mich selbst nicht anzeigen oder so etwas, ich machte ja nichts Verbotenes. Ich habe von meinem Recht Gebrauch gemacht, eine Demonstration anzumelden. Aber das Zusammenspiel zwischen Polizei und reaktionäre bürgerliche Presse reichte, um Stimmung zu machen, so viel Stimmung, dass ich am Ende von meinem normalen Demonstrationsrecht keinen Gebrauch machen konnte.

Anja: Jetzt hast du ja schon so ein bisschen erzählt, wie es bei dir gelaufen ist. Da gibt es einige sehr deutliche Parallelen zu den Genossen, die ich in meiner Gruppe habe. Würdest du sagen, „gleicher Scheiß wie immer“, hat sich das groß etwas verändert oder was ist deine Einschätzung?

Nick: Also, wenn ich in Berlin sitze und einfach nur lese, was hier in München los ist, ich schüttel immer den Kopf, und sage mir, eigentlich hat sich da anscheinend ja überhaupt nichts verändert. Nur dass jetzt langsam die Gesetze, also Polizeigesetze etc., angepasst werden. Dinge, die vielleicht in den 90er Jahren noch unrechtmäßig waren, oder wegen denen sie uns damals nicht anklagen konnten, wo sie uns dann vielleicht festnahmen, aber dann irgendwann wieder laufen lassen mussten, dafür kannst du die Leute heute tatsächlich tagelang, wochenlang, in Haft nehmen und solche Sachen. Das, was sich ändert ist tatsächlich die gesetzliche Grundlage, die wird immer weiter verschärft. Die Repression ist die gleiche, aber du kannst wirklich auch mehr machen.

Ich befürchte, es wird tatsächlich dann auch zukünftig mehr Verurteilungen geben. Es ist ja inzwischen sogar so, du kannst nach dem neuen Polizeigesetz sogenannte „Gefährder“ wegsperren, erst mal sogar ohne Urteil. Insofern wird es sicherlich schlimmer.

Aber ansonsten ist es genau das. Ich erkenne es wirklich, wenn ich mir hier die Prozesse gegen euren Genossen, oder gegen Azad vom Kurdischen Verein, oder Kerem Schamberger, oder so anschaue. Es ist das alte Muster. Es ist wirklich das alte Muster, und ich würde jetzt auch nicht sagen, es trifft jetzt hier nur Leute, weil sie in der kurdischen Sache aktiv sind. Sondern es trifft genau die Leute, die eben auch in anderen Bereichen aktiv sind, die probieren, verschiedene Kämpfe zusammen zu bringen. Die den kurdischen Kampf, den antifaschistischen Kampf, Frauenkampf, gewerkschaftliche Kämpfe zusammen führen wollen. Die werden besonders stark kriminalisiert und zermürbt.

Der Hebel dafür ist sicher in vielen Fällen das PKK-Verbot, weil es ihnen eine Handhabe gibt. Aber es ist gar nicht das alleinige Ziel, die Kurdistan-Solidarität zu treffen, sondern sie wollen einfach hier in Bayern die aktiven, linken Kader treffen, die ein weiteres Umfeld haben, die verschiedene Kämpfe zusammen führen können.

Anja: Was können wir tun? Hast du Ideen?

Nick: Zum Einen die Rote Hilfe stärken, gegen die ja jetzt selber das Damokles-Schwert des Verbotes im Raum hängt. Inzwischen ist die Rote Hilfe auf über 10 000 Mitgliedern und ich denke, so, wie jeder Werktätige in der Gewerkschaft sein sollte, so sollte auch jeder linke Aktivist in der Roten Hilfe sein. Und zwar möglichst die Rote Hilfe auch aktiv auf die eine oder andere Art und Weise unterstützen. Die Rote Hilfe ist keine Rechtsschutzversicherung, wo du einzahlst und sonst nichts tust, sondern es wäre schon gut, wenn man sich dann noch bei der einen oder anderen Gelegenheit dafür engagiert.

Das Andere, was man tun kann ist Antirepressionsschulungen zu geben. Also gerade wenn neue Leute kommen, sich mit diesen Leuten vor Demonstrationen mal hinsetzen und mit ihnen diskutieren. Was kann passieren? Wie sollt ihr euch verhalten, wenn ihr festgenommen werdet? Was müsst ihr der Polizei sagen? Was dürft ihr auf gar keinen Fall sagen? Oder auch, wie bereitet ihr euch auf eine Hausdurchsuchung vor?

Die kann – und auch das ist eine Münchner Erfahrung – jeden treffen. Du kannst wegen der unsinnigsten Sache festgenommen werden. Wegen einer Parole, die du auf einer Demo rufst, können sie dich festnehmen, und dir eine Hausdurchsuchung machen. Da fragt man sich, was wollen die zu Hause finden, wenn ich hier jetzt eine Parole rufe? Aber die finden etwas. Nichts, womit sie dich belasten können, aber sie finden Dinge, die sie interessieren. Unterlagen über deine Politik, über deine Genossen, deinen Computer oder Ähnliches. Und da ist es wichtig, dass bei den Genossinnen und Genossen ein Problembewusstsein entwickelt wird, und zwar ohne Panikmache. Man kann es natürlich auch so aufziehen, dass du sagst, was alles passieren kann und dann kriegen die Leute Panik und sagen, „Ich mach‘ nie wieder Politik“. Das ist falsch.

Es geht darum, die Leute über ihre Rechte aufzuklären. Über die Gefahren aufzuklären, aber auch über ihre Rechte, damit sie dann eben, wenn sie festgenommen werden, ganz cool bleiben. Damit sie sich nicht von den Bullen einschüchtern lassen, das alte Spielchen „Guter Bulle, böser Bulle“, sich keine Aussagen entlocken lassen, sondern einfach sich sagen, hey, ihr könnt mich hier nicht ewig festhalten, ich sag‘ nichts, außer meinem Namen und meiner Adresse, alles Andere regle ich mit meinem Anwalt später.

Drum, das ist das Eine: Rein in die Rote Hilfe, dann die Genossen wirklich schulen in ihren Rechten, im Verhalten, wie benehme ich mich auf Demonstrationen, wie verhalte ich mich?

Und sonst natürlich auch die radikale Linke, die revolutionäre Linke allgemein stärken, aber eben mit einer richtigen Bündnispolitik. Also, ich sage mal, bis in die sogenannte Zivilgesellschaft und die reformistischen Organisationen rein. Je verankerter die Revolutionäre sind, desto schwerer fällt es dem Staat dann, sie zu kriminalisieren.

Nehmen wir zum Beispiel jemanden aus dem Kurdischen Verein: wenn der jetzt ausschließlich kurdische Politik macht, mit seiner Öcalan-Fahne läuft, festgenommen wird und einen Prozess kriegt, hat er nicht allzu viel Solidarität. Wenn der selbe Mensch jetzt aber vielleicht noch bei BMW arbeitet und in der IG Metall ist, vielleicht gewerkschaftlicher Vertrauensmann. Dann ist das doch schon eine ganz andere Situation, wenn so einer festgenommen wird. Dann kann er mit einer ganz anderen Solidarität rechnen.

Darum denke ist, ist es auch immer wichtig, dass wir auch als Marxistinnen und Marxisten, als Revolutionäre schauen, dass wir eben eine Verankerung haben, in den Gewerkschaften, oder dort wo wir arbeiten, oder anderen Bereichen. Das wir eben nicht nur kleine radikale, isolierte Gruppen sind, die alleine den Straßenkampf suchen, sondern eine breite Bündnispolitik haben, in der wir – ohne uns zu verstellen – unser Programm voran treiben, aber eben viele andere um uns herum haben, die uns dann eben auch beistehen und schützen.

Ich meine, wir haben jetzt gerade einen Fall: Gestern stand der Genosse Claus Schreer wieder vor Gericht, weil er auch ein Öcalan-Plakat gezeigt hat. Das landet in der Süddeutschen Zeitung. So ein Thema interessiert viele, weil Claus Schreer eben nicht nur Kurdistan-Politik macht, sondern inzwischen sozusagen die „personifizierte Friedensbewegung“ in München ist, durch das, was er alles macht. Und eben auch entsprechend breit aufgestellt und verankert ist. Ich denke, das sind einfach Dinge, die uns dann eben wirklich ein bisschen schützen können.

Anja: Danke für deine klugen Gedanken und Ratschläge. Gibt es noch etwas, das du loswerden willst?

Nick: Meine Grüße an die Genossinnen und Genossen hier in Bayern, in München. Ich finde es gut, dass ihr euch nicht zermürben lasst. Dass ihr weiter gegen diesen Staat steht. Ich meine, wir haben jetzt bald 100 Jahre weißgardistische Besatzung in Bayern, nach dem Ende der Räterepublik, und es ist gut, dass auch hier der Funken der Revolution dennoch am Leben ist.

Anja: Dann – vielen, vielen Dank für deine Zeit!

Mehr zum Thema