Petition: Reallohnverlust verhindern: 1000 Euro mehr und automatischer Inflationsausgleich!

10.09.2023, Lesezeit 6 Min.
Gastbeitrag

Das Aktionskomitee zur TV-L-Tarifrunde 2023 an der Freien Universität Berlin ruft dazu auf, sich ihren Forderungen anzuschließen. Wir spiegeln ihre Petition.

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Foto: Lea Lotter

Unterschreib hier die Petition!

Der Entwurf des Bundeshaushalts hat ein um 30 Milliarden geringeres Volumen und der Bundesfinanzminister fordert im Namen der Schuldenbremse zu Einsparungen auf, die natürlich auf Länderebene fortgesetzt werden sollen. „Die öffentlichen Kassen sind leer!“, heißt es bei Bund, Ländern und Kommunen. Tarifforderungen der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst werden als „unrealistisch“ abgebügelt.

„Leere Kassen“? Für die Sicherung von Unternehmensgewinnen in der Pandemie oder den Rüstungshaushalt, der nun 71 Milliarden umfassen soll (51,8 Mrd. plus 19,2 Mrd. aus dem „Sondervermögen Bundeswehr“) standen und stehen immer Milliarden bereit und Reiche erhalten Steuergeschenke. Geld ist da!

Wir Beschäftigte leiden gleichzeitig unter explodierenden Preisen für Lebensmittel und Energie, während unsere Reallöhne sinken. Viele Kolleg*innen kündigen. Der öffentliche Dienst findet kein Personal mehr und öffentliche Daseinsvorsorge und Service der öffentlichen Verwaltung verschlechtern sich für alle Menschen, die auf darauf angewiesen sind und die es sich nicht leisten können z.B. privat krankenversichert zu sein oder Privatschulen zu besuchen.

Wie auch andere Tarifabschlüsse in den letzten Jahren beinhaltete bereits das letzte TV-L-Tarifergebnis 2021 über ein Jahr ohne Nominalerhöhung des Tabellenlohns (erst im 2. Jahr der Laufzeit gab es eine bescheidene Erhöhung von 2,8%), auf dem alle folgenden Erhöhungen sowie Punkte für die Rente, Beiträge für die Sozialversicherungen usw. beruhen. Mit anderen Worten: jedes Jahr ohne Erhöhung des tabellenwirksamen Entgelts senkt „nachhaltig“, d.h. lebenslang, das Lohn- und Rentenniveau! Daran ändert auch das „Trostpflaster“ einer einmalig gezahlten sog. „Inflationsausgleichs­prämie“ nichts, so willkommen sie im jeweiligen Moment auch erscheinen mag. Wir lehnen eine Inflationsausgleichs­prämie als Ersatz für eine reale Tabellenentgelterhöhung ausdrücklich ab.

Wir stellen fest, dass Tarifergebnisse, die dazu führen, dass der Tabellenlohn hinter der Inflationsrate zurückbleibt, den Namen „Entgelterhöhung“ nicht verdienen, da sie inflationsbereinigt eine Lohnsenkung sind! Es kann jedoch nicht der Sinn von Entgelttarifverhandlungen sein, über das Ausmaß von Lohnsenkungen zu verhandeln.

Die Bundestarifkommission von ver.di entscheidet am 11. Oktober 2023 über die endgültigen Tarifforderungen. Wir richten diese Petition an die Bundestarifkommission und die verantwortlichen Gremien von ver.di und der anderen beteiligten Gewerkschaften und fordern sie auf, keinen Beschluss zu fassen, der hinter den unten aufgeführten Forderungen zurückbleibt.

Wir rufen alle Kolleg*innen dazu auf, sich nachfolgendem Forderungskatalog der ver.di-Betriebsgruppe der Freien Universität Berlin anzuschließen, in ihren Betriebsgruppen in Anlehnung an diese Petition Beschlüsse zu fassen und sich inner- und überbetrieblich zu vernetzen (z.B. in Aktionskomitees) und gemeinsam in Aktion zu treten.

Aufgerufen zur Unterzeichnung sind auch Betriebsgruppen und gewerkschaftliche Gliederungen. Wir bitten diese, eine Mail zu schicken an vorstand@verdi-fu.de, damit wir sie zu den Unterzeichnern hinzufügen können.

1. Reallohn sichern!

Nach dem heftigen Reallohnverlust der vergangenen Jahre brauchen wir eine kräftige tabellenwirksame Entgelterhöhung, die das ausgleicht und insbesondere die überproportionale Belastung niedrigerer Einkommen durch Inflation, hohe Energiepreise sowie Mieten berücksichtigt. Die Betriebsgruppe hält hier den Vorschlag der ver.di-Landesfachkommission Hochschulen von Nordrhein-Westfalen für eine tabellenwirksame Entgelterhöhung von mind. 1000 Euro pro Monat für angemessen, da damit einerseits der Reallohn für alle Entgeltgruppen gesichert wird, aber andererseits die Schere zwischen niedrigen und hohen Entgeltgruppen nicht größer wird. Sozialversicherungsfreie Einmalzahlungen als „Ersatzlohn“ („Inflationsausgleichsprämie“) lehnen wir ab, da sie sich auf das Tabellenentgelt nicht auswirken und außerdem die Kolleg*innen benachteiligen, die z.B. über die Hausverträge an den TV-L nur „angedockt“ sind und diese Zahlungen nicht erhalten.
Da die Höhe der in Zukunft zu erwartenden Inflation nicht vorherzusagen ist, fordern wir einen automatischen Inflationsausgleich (gleitende Lohnskala), damit der Reallohn mit den steigenden Preisen, die die Beschäftigten in „Echtzeit“ treffen, Schritt halten kann.

2. Schluss mit der prekären Beschäftigung Studierender!

Wir unterstützen die bundesweite TV-Stud-Kampagne für einen Tarifvertrag für die studentischen Beschäftigten an den Hochschulen. In Berlin gibt es zwar schon einen Tarifvertrag, nichtsdestotrotz ist die Lage der studentischen Beschäftigten prekär und sie sind gegenüber TV-L-Beschäftigten benachteiligt. Deshalb fordern wir die Überführung des TV-Stud in den TV-L bzw. TVÖD, um einer Spaltung der Beschäftigten entgegenzuwirken.

3. Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich!

Seit dem 19. Jahrhundert erkämpften die Gewerkschaften kontinuierlich Arbeitszeitverkürzungen. In den 60er- und 70er-Jahren wurde die 40-Stunden-Woche in Tarifverträgen erkämpft. Seitdem – also seit 50 Jahren – stagniert der Kampf um Arbeitszeitverkürzung trotz erheblicher Produktivitäts­zuwächse weitgehend. Es ist höchste Zeit, hier weitere Fortschritte zu erzielen, selbstverständlich bei vollem Lohn- und Personalausgleich.

4. Umweltschutz ermöglichen!

Umwelt- und Klimaschutz ist wichtig, aber man muss ihn auch bezahlen können! Zur Finanzierung entsprechender Maßnahmen im privaten Bereich (Solaranlagen, Fahrrad, Deutschlandticket, umweltbewusste Ernährung usw.) fordern wir eine (ggfs. zweckgebundene) Klimazulage bzw. Klimageld.

5. Keine Zersplitterung der Tariflandschaft: ein Tarifvertrag für Alle!

Die verschiedenen Tarifverträge in Bund, Ländern und Kommunen schwächen die Position der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit muss überall gelten. Wir brauchen einen gemeinsamen Tarifvertrag für den gesamten Öffentlichen Dienst. Als ersten Schritt dorthin muss die Laufzeit des TV-L an die des TVÖD angepasst werden, d.h. Laufzeit bis zum 31.12.2024.

6. Auszubildende übernehmen!

Viel wird von den Arbeitgebern über „Fachkräftemangel“ gejammert. Gleichzeitig werden vielen der Ausgebildeten keine unbefristeten Stellen angeboten. Wir fordern die grundsätzliche Übernahme aller Auszubildenden in unbefristete Beschäftigungsverhältnisse.

7. Outsourcing endgültig beenden!

Outgesourctes Personal, Aufgaben und Betriebsteile müssen zurückgeführt werden, insbesondere das Reinigungs- und Sicherheitspersonal. Weitere Privatisierung und Auslagerung von Daueraufgaben müssen verboten werden. Auch hier muss gelten: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!

8. Streikrecht für die Einhaltung des Tarifvertrages!

Bei systematischer Verletzung bzw. Nichteinhaltung von Tarifverträgen müssen sich die Beschäftigten mit Streiks wehren dürfen. Im TV-L muss eine Klausel aufgenommen werden, dass bei systematischer Nichteinhaltung des Tarifvertrag keine Friedenspflicht gilt, d.h. es muss gestreikt werden dürfen.

9. Vorteilsregelungen für Gewerkschaftsmitglieder!

Tarifverträge werden von den Gewerkschaftsmitgliedern erkämpft und mit ihrem Mitgliedsbeitrag finanzieren sie die Gewerkschaftsarbeit sowie die Streikkasse. Deshalb fordern wir 2 Tage zusätzlichen Urlaub für Gewerkschaftsmitglieder und das Recht auf bezahlte Freistellung für Gewerkschaftsarbeit.

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