Peña Nieto raus!

20.02.2017, Lesezeit 5 Min.
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Von wegen Donald Trump sei der unbeliebteste Präsident. Sein Amtskollege südlich der Grenze kommt auf gerade mal 12 Prozent Zustimmung. Kann Donald Trump helfen?

Die Mexikaner*innen nennen ihn einfach „EPN“. Im Jahr 2012 wurde Enrique Peña Nieto mit 38 Prozent der Stimmen zum Präsidenten gewählt. Doch seit drei Jahren sinkt seine Beliebtheit kontinuierlich. In der letzten Umfrage im Januar sagten nur noch zwölf Prozent seiner Landsleute, dass sie die Arbeit von EPN guthießen.

Doch jetzt hilft der „Trump-Effekt“. Die ganze mexikanische Gesellschaft, von den reichsten Unternehmer*innen bis zu den oppositionellen Gewerkschaften, fordert „nationale Einheit“ gegen den US-Präsidenten. Denn Donald Trump setzt seine chauvinistische Hetze gegen Mexikaner*innen fort: In Planung sind Mauern, Abschiebungen und Importzölle.

Auf dieses verhasste Programm hat EPN so nachgiebig wie nur möglich reagiert. „Mexiko wiederholt seinen Willen, mit den Vereinigten Staaten zusammenarbeiten, um Abkommen zugunsten von beiden Nationen zu schließen,“ schrieb er auf Twitter. Den Kandidaten Trump hatte er im August letzten Jahres nach Mexiko-Stadt eingeladen. Gleich nach Trumps Amtseinführung wollte Peña Nieto nach Washington reisen – doch Trump hat ihn per Twitter wieder ausgeladen: „Wenn Mexiko nicht für die Mauer zahlen will, sollte man das Treffen absagen.“ EPN hat sich nicht mal beschwert, als sein Amtskollege damit drohte, US-Truppen nach Mexiko zu schicken, um die Drogenkartelle zu bekämpfen.

Trumps antimexikanische Hetze ist noch weit von Gesetzesform entfernt, zeigt dennoch bereits Wirkung. 12.000 Arbeitsplätze in Ciudad Juárez an der Grenze zu Texas sind in Gefahr. Die multinationalen Konzerne, die in den „Maquilas“, also den Fabriken nahe der US-Grenze, produzieren lassen, sind durch die neue US-Administration verunsichert. Volkswagen zum Beispiel baut Autos für den US-amerikanischen Markt und sieht sich besonders verletzlich, falls die US-Regierung den Freihandelsvertrag neu verhandeln und Importzölle verhängen will.

Dazu kommt die Angst von Millionen Mexikaner*innen, die ohne Papiere in den USA leben. Bei Hunderttausenden Abschiebungen pro Jahr wirken die mexikanischen Behörden mit – sie sichern auch die eigene Südgrenze gegen Zentralamerikaner*innen, die in die USA wollen. Aber was soll angesichts einer stagnierenden Wirtschaft passieren, falls weitere Millionen Menschen zwanghaft nach Mexiko müssen?

#VibraMexico („Mexiko bebt“) war das Motto am 12. Februar, als eher rechte Intellektuelle zu landesweiten Demonstrationen gegen Trump aufriefen. Ein Sprecher war Enrique Graue, Rektor der riesigen Universität UNAM. Doch Studierende beschwerten sich, dass ihr Rektor gar nicht mit ihnen über die Demo beraten hatten. Weniger als 10.000 Menschen folgten dem Aufruf in Mexiko-Stadt – bei über 20 Millionen Einwohner*innen. So sehr Trump verhasst ist, so gering ist auch die Begeisterung für den geduldigen EPN. Bis zu 35 Prozent der Mexikaner*innen erwarten, dass ihre Regierung doch noch für Trumps Mauer zahlen wird.

Im Januar hatte die Regierung die Benzinpreise erhöht, was zu heftigen Protesten in fast allen Bundesstaaten führte. Die Regierungspartei PRI hatte 1938 das mexikanische Öl verstaatlicht. Diese Partei blieb 70 Jahre an der Macht, bis sie 2000 abgewählt wurde. Jetzt mit Peña Nieto ist die PRI zurück zur Macht gelangt – und ausgerechnet ein PRI-Poltiker soll den staatlichen Ölkonzern privatisieren. Diese Energiereform wurde neben der PRI auch von der rechten PAN und der linken PRD mitgetragen.

Doch mit Blick auf die nächsten Präsidentschaftswahlen Mitte 2018 distanzieren sich nun PAN und PRD von dem unpopulären Vorhaben. In der Hauptstadt ließ die PRD überall gelbe Plakate und Wandgemälden anbringen, die die Reform als „Verrat am Vaterland“ brandmarken. Und weitere Preisanstiege sind noch für Februar erwartet!

Auch der populäre Ex-Bürgermeister von Mexiko-Stadt, Andrés Manual López Obrador, hat gute Chancen beim nächsten Urnengang. Seine Linkspartei „Morena“ plädiert für eine Erneuerung des Regimes. Der Kandidat tritt kämpferisch auf, aber umgibt sich gleichzeitig mit rechten Unternehmer*innen, um respektabel zu wirken. Und auch Lopez Obrador möchte EPN nicht stürzen. In dieser „Notzeit“ fordert er ein „Abkommen der nationalen Einheit“.

Ins gleiche Horn bläst Carlos Slim, der reichste Mann des Landes, der sich die ehemals staatlichen Telekommunikationsnetze unter seine Nägel riss. Aber auch die oppositionellen Gewerkschaftszentralen verlangen „nationale Einheit“. Am 31. Januar haben sie 50.000 Arbeiter*innen auf die Straße gebracht – darunter viele Pilot*innen, Universitätsbeschäftigte und Telekomarbeiter*innen. Auch sie riefen den unbeliebten Präsidenten zur Zusammenarbeit gegen Trump auf.

So entsteht eine merkwürdige Situation: Überall im Land wehen zwar Fahnen mit der Losung: „Peña Nieto raus!“ EPN ist schwer angeschlagen. Aber von seinen politischen Konkurrent*innen will niemand zuschlagen. Alle positionieren sich geduldig für die nächsten Wahlen in mehr als einem Jahr. Der „Trump-Effekt“ hat die Regierung endlich stabilisiert. Aber wird Trump bis 2018 warten, bis er seine Angriffe konkretisiert? Und werden die Mexikaner*innen ihr Staatsoberhaupt so lange dulden?

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