Nach uns soll nicht die Sintflut kommen!

26.09.2018, Lesezeit 7 Min.
Gastbeitrag

Als in Aachen 3.000 Menschen gegen die Räumung des Hambacher Forsts auf die Straße gingen, wollte Marcus Hesse, Mitglied der Sozialistische Alternative Voran, eine Rede halten. Doch die Demo-Leitung untersagte dies. Aus Protest gegen die Entscheidung und aus Solidarität mit dem betroffenen Genossen spiegeln wir hier seine Rede, die im Anschluss an die Demo in schriftlicher Form veröffentlicht wurde.

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Der vor 200 Jahren geborene Karl Marx schrieb einmal den kurzen Satz: „Nach mir die Sintflut! Das ist der Wahlspruch jedes Kapitalisten und jeder Kapitalistennation“.
– Leider hat sich bis heute nichts geändert.

Obwohl inzwischen jedem Menschen klar ist, dass wir einen Klimawandel erleben, der langfristig die Existenz großer Teile der Menschheit in Frage stellt und überall auf internationalen Konferenzen große Klimaziele verkündet werden, wird der Braunkohleausbau fortgesetzt.

In NRW wurde bis 2045 in einer Leiteintscheidung politisch festgeschrieben. Damit hat sich die gewählte Regierung den Profitinteressen eines börsennotierten Großkonzerns unterworfen.

RWE hat einen Jahresumsatz von 44,6 Mrd. EUR (Zahl von 2017). Unter den weltgrößten börsennotierten Konzernen belegt RWE Platz 315. In 2017 machte der Konzern 3,2 Mrd. Gewinn. (Quelle: Wikipedia)

RWE geht es also gut. Sein Profit stammt überwiegend aus fossilen Energien, die nachweislich klimaschädigend sind. Die Braunkohle ist ein Auslaufmodell, aber es ist ungemein profitabl. Darum soll ihre Förderung ausgebaut werden. Dass dafür ein jahrhundertealter Wald gerodet werden und und Tausende Menschen zwangsumgesiedelt werden müssen, ist RWE und seinen Großaktionären egal. Denn es geht schließlich um ihre Renditen.

Gegenwärtig wird der Ausbau des Hambacher Tagebaues mit enormer Gewalt durchgesetzt. Dieses Vorgehen gegen Umwelt- und Klimaschützer*innen steht im scharfen Kontrast zur Überforderung der Polizei bei rechter Gewalt…

Aber es passt zum gegenwärtigen politischen Klima. Dieselbe Regierung, die Hambi räumen und roden will, hat auch besonders repressive Polizeigesetzte eingeführt.

Es ist wahr, dass die momentane Regierung aus CDU und FDP, die Regierung von Laschet & Co., besonders brutal und rücksichtlos die Interessen von RWE durchprügelt. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Aber bei all dem dürfen wir nicht vergessen, dass die Entscheidung zum Braunkohleausbau – mit den Stimmen der jetztigen Regierungsparteien – von der rot-grünen Vorgängerregierung gefällt und durchgesetzt wurde!

Im Jahr 2016 hat die SPD/Grünen-Regierung unter Hannelore Kraft den Ausbau des Hambacher Tagebaus in einer Leitentscheidung beschlossen. Damit hat sie auch der Rodung des Hambacher Forstes zugestimmt. Sie hat das beschlossen, was heute mit Knüppeln, Räumpanzern und Wasserwerfen umgesetzt wird.

Hannelore Kraft, hat im Jahr 2017 beim 1. Mai in Aachen gesprochen und dabei noch vehement die Braunkohle als „Brückentechnologie“ verteidigt – die angeeblich ausbaut werden müsse.
Der Arbeitsplätze und des Standortwettbewerbs wegen.

Heute tut die SPD und mehr noch die Partei der Grünen so, als sei das alles nie passiert.
Seit sie wieder in der Opposition sind, versuchen sie sich heuchlerisch an den Widerstand dranzuhängen.

Wobei die SPD-Fraktion über die gewaltsame Konfrontation bisweilen Krokodilstränen vergießt – aber im Grunde die Räumung verteidigt. Denn die Räumung sei nunmal „geltendes Recht“, so die SPD-Fraktion. So hält die SPD an der Richtungsentscheidung von 2016 fest.

Noch größere Heuchler*innen sind die Grünen!
Als alte Öko-Partei sind die besonders daran interessiert, sich als Partei des Umweltschutzes und des Widerstandes gegen Naturzerstörung zu verkaufen. Sie rufen inzwischen sogar zum „friedlichen Protest” auf und wollen ihren kleinen Parteitag im Hambacher Forst abhalten.

Doch die Grünen haben als Regierungspartei mit für den Ausbau des Hambacher Tagebaus gestimmt!!!

Die Grünen verkaufen dieses Vorgehen als Kompromiss, weil sie Hambi geopfert haben gegen das Zugeständnis eines Nicht-Ausbaus von Garzweiler II. Das zeigt, wo man landet , wenn man in eine Regierung im Interesse des Kapitals eintritt: Man betreibt einen regelrechten politischen Kuhhandel. Hambi war in diesem zynischen Spiel bloße Verhandlungsmasse.

Auch SPD und Grüne haben Polizist*innen losgeschickt, um die Profitinteressen RWEs durchzusetzen. Besonders brutal war der Einsatz gegen “Ende Gelände” 2015, wo Polizei und RWE-eigene Kräfte zusammen gegen die Demonstrant*innen vorgingen. SPD und Grüne haben damals eine Aufklärung der Vorkommnisse im Landtag verhindert.

Sie wollen uns all das vergessen lassen! Doch wir dürfen nicht vergessen, wer letztlich dafür gesorgt hat, dass der RWEKonzern das machen kann, was er will”…
„Sie [die Grünen an der Regierung] haben es einfach verbockt“, sagt Karolina Drzewo, Sprecherin von „Ende Gelände“. – Und sie hat damit völlig recht!

Die allermeisten wollen keinen Ausbau der Braunkohleförderung. Sie wollen keine Fortsetzung einer Energieform, die das Klima zerstört, Urwälder und Ortschaften unwiederbringlich zerstört.
Nur weil ein Konzern dadurch reich wird.
Eine Umfrage der Zeit.Online ergab ein deutliches Ergebnis von drei Viertel der Befragten gegen den Ausbau des Tagebaus und für den Erhalt des Hambacher Forstes.

Aber die Politik der großen Parteien, einschließlich der die jetzt in der Opposition sind, dient im Gegensatz dazu nur dem großen Kapital und seiner Profitgier – egal, was das für kommende Generationen bedeutet.
Auf sie ist eben kein Verlass. Sie sind keine Verbündeten im Kampf um Hambi. Verlassen können wir uns nur auf uns selbst und auf die Millionen anderen Menschen, die das Leben vor Profitmaximierung und Standortwettbewerb setzen.

Niemand muss durch den Ausstieg aus der Kohle oder auch aus dem Ausstieg aus der Atomenergie arbeitslos und arm gemacht werden. Die tausenden Kolleginnen und Kollegen im Braunkohlebergbau haben wichtiges Know How, das sie für die notwendige Umstellung auf erneuerbare Energien verwenden können.

RWE gehört enteignet und die demokratische Kontrolle der Beschäftigten sowie der gesamten Gesellschaft gestellt.
Es ist seltsam, dass dies als “radikal” und „extrem“ gilt – wo doch Konzerne wie RWE ständig Menschen enteignen, indem sie sie zur Zwangsumsiedlung zwingen.

Statt Produktion für den Profit – Produktion und Forschung in erneurbaren Energien, die sowohl bezahlbar als auch nachhaltig sind.
Kämpfen wir alle gemeinsam für eine demokratische und ökologische Planung der Wirtschaft und der Energieversorgung!

Wir brauchen keine Politik, die den blinden und kurzfristigen Interessen der Profitmaximierung dient! Darum müssen wir den misstrauen, die 2016 noch für die Abholzung Hambis gestimmt haben und heute so tun, als wären sie auf unserer Seite – bis sie vielleicht wieder zurückkehren auf die Ministersessel und wieder nur das tun, was die Konzerne wollen.

Für eine Massenbewegung von unten, die keinerlei Rücksicht auf Profitinteressen einiger weniger nimmt!
Für eine Bewegung, für die das Recht auf eine lebenswerte Welt nicht verhandelbar ist. Dazu müssen wir natürlich noch viel mehr werden.

Aber wir haben das Zeug dazu und es wurden gute Anfämge gemacht – denn es geht schließlich um unsere Zukunft und um die Zukunft kommender Generationen.

Nach uns soll nicht die Sintflut kommen !
Sondern in gutes Leben für alle. In einer Welt, in der Mensch gesund leben und atmen kann! Dafür müssen wir heute kämpfen.
SYSTEM CHANGE STATT CLIMATE CHANGE!“

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