Mit rassistischer Tradition, Pegida und Hooligans in die besinnliche Zeit

19.11.2019, Lesezeit 5 Min.
Gastbeitrag

Vergangenes Wochenende fand in den Niederlanden der alljährliche Einzug des Weihnachtsmannes mit seinem „Helfer“ dem „Schwarzer Peter“ statt. Dieser wird mit schwarz bemaltem Gesicht und schwarzer „Kraushaar“-Perücke dargestellt – Symbole, die Stereotype bedienen. Seit Jahren gibt es Proteste gegen diese rassistische Tradition.

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"Rassismus ist kein Kinderfest", Quelle: Facebook-Seite von "Kick out Zwarte Piet"

Historische Hintergründe

Gefeiert wird dieser Umzug schon seit langer Zeit. Erstmalig soll ein solcher im italienischen Bari im Jahre 1087 stattgefunden. In den Niederlanden selbst jedoch wird diese „Tradition“ erst viele hundert Jahre später, nämlich 1888 in Venray, erstmal zelebriert. Seit 1952 wird dieser Umzug auch live im Fernsehen ausgestrahlt. Jedes Jahr wird eine andere Stadt ausgewählt, in welcher der offizielle Umzug gefeiert wird. Weitere Städte organisieren darüber hinaus ihre eigenen Paraden.

Der in den Niederlanden gebräuchlichen Tradition nach reist der Weihnachtsmann (niederl.: sinterklaas intocht) jedes Jahr von Spanien aus mit einem Dampfschiff (dieses Jahr mit einer Dampflokomotive), weshalb er auch Schutzpatron der Seefahrer*innen ist, an, um drei Wochen lang durch die Niederlande zu ziehen, ehe es am 5. Dezember zum Pakjesavond, dem sogenannten Geschenkeabend, kommt. Viele Familien sitzen nun zusammen, verteilen Geschenke und singen gemeinsam Lieder. Unterstützt wird der Weihnachtsmann dabei traditionell von den „Schwarzen Petern“ (de zwarte Pieten), die als Handlanger und Helfer dienen sollen, damit aber jedoch historische Tatsachen verharmlosen und sich Rassismus bedienen.

Rassismus, Pegida, Hooligans, Tradition

Denn um die Person des Schwarzen Peter darzustellen, wird das Gesicht einer ausgewählten Person – jedes Jahr werden für die Personen des Nikolaus und des „Schwarzen Peters“ zwei Menschen ausgewählt, die sich dafür im Vorhinein bewerben – schwarz bemalt (Blackfacing). Außerdem setzt man ihr eine Perücke mit schwarzen, krausen Haaren auf und kleidet sie in eine bunte Pumphose, in einen Wams mit Spitzkragen und einen Hut, versehen mit einer Feder. Die weiße, westliche Gesellschaft zeigt damit einmal mehr, welchen Umgang sie mit der Geschichte und People of Color pflegt. Denn einerseits wird der Schwarze Peter, den viele Gegner*innen als Stellvertreter der schwarzen Bevölkerung betrachten, als etwas dümmlich aussehender, dem (weißen) Nikolaus hinterhertrottender Knecht dargestellt. Gerade die Niederlande, die während der Kolonialzeit, etwa auf dem afrikanischen und asiatischen Kontinent, brutal und blutig geherrscht sowie tausende Menschen in die Sklaverei getrieben hat, zeigt mit dieser Tradition, dass sie ihre eigene Geschichte in der breiten Gesellschaft noch lange nicht kritisch aufgearbeitet hat.

Zudem verdeutlicht diese weiße Ignoranz gegenüber People of Color, dass sie nicht nur von der eigenen Geschichte nichts wissen will, sondern dass sie auch den heutigen alltäglichen Rassismus ignoriert. Das Blackfacing, welches viele Niederländer*innen als einen Spaß und als Teil ihrer Tradition verstehen, bedeutet für andere Menschen, überall und ständig Gefahr ausgesetzt zu sein. Gefahr, die sich einerseits durch körperlicher Gewalt bis zum Mord zeigt, andererseits etwa in der Benachteiligung bei der Job- und der Wohnungssuche. Manche sehen sich von der Gesellschaft sogar gezwungen, ihre Haare zu glätten und ihre Haut heller zu schminken, um westlichen Vorstellungen zu entsprechen.

Welche Auswirkungen dieses Lächerlichmachen, diese Verleugnung und damit Normalisierung des Rassismus hat, zeigt sich mitunter daran, dass sich auch Rassist*innen des niederländischen Pegida-Ablegers einfinden, um als „Schwarze Peter“ verkleidet die Beibehaltung dieser Tradition zu fordern. Im Jahre 2018 wurden Aktivist*innen, die sich gegen diese Tradition stellten, mitunter von weißen, männlichen Fußball-Hooligans (darunter der von PSV Eindhoven) angegriffen, die ohne Probleme Pyrotechnik mit sich führen durften. 2017 gingen einige Personen, die als „Schwarzer Peter“ verkleidet waren, in eine Schule in Utrecht, verteilten Süßigkeiten an die Kinder und riefen migrantischen Lehrer*innen zu, sie sollten zurück in ihr Land gehen. Hintergrund für diese Aktion, ist die Tatsache, dass die Schule Nikolaus seit 2015 ohne die „Schwarzen Peter“ feiert.

„Kick Out Zwarte Piet“

Doch von all diesen Drohungen und den rassistischen Übergriffen lassen sich antirassistische Aktivist*innen, Frauen* und Männer, People of Color und Weiße, nicht abhalten. Sie formieren sich gemeinsam seit Jahren in der Aktionsgruppe „Kick out Zwarte Piet“ (dt.: Schmeiß den Schwarzen Peter raus) und organisieren seither Kundgebungen und Protestaktionen in den Städten, die einen Nikolauseinzug feiern. Nach eigenen Angaben ist es nicht ihr Ziel, den Nikolausumzug im Allgemeinen abzuschaffen, sondern diesen zu einem Fest zu gestalten, das frei von Rassismus und zugänglich für alle Menschen ist. Denn dass rechte Hooligans durch die Straßen ziehen und antirassistische Aktivist*innen bedrohen und Pegida-Anhänger*innen Teil der Umzüge sind, zeigt, dass es nicht nur um eine sogenannte Tradition geht, sondern auch der Hass gegen People of Color, Migrant*innen und Geflüchtete eine entscheidende Rolle spielt. Der Nikolausumzug wird damit zu einer exklusiven Veranstaltung.

Dieses Jahr konnten die Aktivist*innen von „Kick out Zwarte Piet“ sechs Kundgebungen abhalten, so viele wie nie zuvor. Tatsächlich zeigt ihre Arbeit, trotz der Ablehnung, die teils bis tief in die Gesellschaft und die Politik geht, Wirkung. Einige Städte wie Eindhoven und Hoorn wollen ab 2020 keine „Schwarzen Peter“ mehr am Umzug zulassen, weitere wollen folgen. Manche Schulen, wie die bereits erwähnte in Utrecht, sagen sich ebenso von dieser rassistischen Tradition los.

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