Mit dem Sonderzug zum Kommunismus?

10.03.2015, Lesezeit 5 Min.
Gastbeitrag

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// BLOCKUPY: Ein Bündnis ruft zur Blockade der EZB auf. Doch die symbolische Blockade spiegelt den nur symbolischen Widerstand des Reformismus gegen die Spardiktate. //

Der Aus- und Umzug der Europäischen Zentralbank (EZB) steht unter dem Eindruck der aktuellen Erpressung der griechischen Bevölkerung durch die Troika oder die „Institutionen“ aus EZB, Internationalem Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Kommission. „Es gibt nichts zu feiern an Sparpolitik und Verarmung“, findet Blockupy – zurecht – und setzt sich zum Ziel, die Eröffnung zu stören und in einen „Ausdruck des transnationalen Widerstands gegen die europäische Krisenpolitik“ umzufunktionieren.

Jeder Kampf gegen die Troika ist wichtig. Auch die vergangenen Repressionen gegen Blockupy und das Außerkraftsetzen demokratischer Rechte dürfen Linke nicht einfach hinnehmen. Was aber bedeutet der Widerstand gegen die europäische Krisenpolitik? Blockupy geht davon aus, dass es möglich ist, die Austeritätspolitik abzuwählen – der Druck von der Straße müsse nur stark genug sein, um eine demokratische Lösung zu finden.

Was ist „Demokratie ohne Kapitalismus“?

Das Blockupy-Credo von der „Demokratie ohne Kapitalismus“ ignoriert die Art und Weise, wie der gegenwärtige Kapitalismus mit widerspenstigen demokratischen Entscheidungen umgeht: Er dreht ihr mit einem Handstreich den Geldhahn zu – und die neu gewählte griechische Regierung aus SYRIZA und ANEL (Unabhängige Griechen) musste nach einem Monat vollends vor Schäuble kapitulieren und die vordiktierten Konter-Reformen weiter umsetzen.

Die Hoffnungen auf Veränderung durch einen Wahlsieg von SYRIZA sind an den tatsächlichen politischen und ökonomischen Machtverhältnissen krachend zum Stillstand gekommen: Der „transnationale Widerstand“ hat trotz aller Bemühungen der reformistischen Parteien offenbar kein einziges Druckmittel gegen die erstickende Macht des europäischen Kapitals in der Hand. Genauso wenig wird der Sonderzug zu den Protesten am 18. März am stahlharten Gehäuse der EZB einen ernsthaften Kratzer hinterlassen können.

Schon oft sind Versuche, den Kapitalismus abzuwählen, gescheitert, auch mit den grausamen Konsequenzen eines generellen Zusammenbruchs der Linken und der Übernahme der Rechten, wie beim Putsch gegen die linke Allende-Regierung in Chile 1973. Auch in Griechenland könnten am Ende schlimmstenfalls die FaschistInnen von der Goldenen Morgenröte als einzige „Alternative“ zur Austeritätspolitik dastehen, nachdem SYRIZA alle wesentlichen Punkte ihres Wahlprogramms preisgegeben hat – falls die revolutionäre Linke keine eigene Alternative zu Syriza aufbauen kann.

Die Arbeitsteilung der Reformlinken

Der europäische Klassenkompromiss bröckelt. Die Staaten können in ihrer gegenwärtigen Form nicht mehr ohne Weiteres in einem einheitlichen Gebäude der Eurozone eingebettet werden, zu groß ist dazu die zerstörerische Dominanz Deutschlands geworden. Das „Durchregieren“ der Troika, die „Interims“-Regierungen aus FinanzexpertInnen sowie vollautomatisierte Sanktionsmechanismen werden parlamentarischen Parteien in Zukunft noch weiter die Luft zum Atmen rauben. Keine noch so linke Parlamentsmehrheit, weder in Griechenland noch in Spanien, wird jemals dieses Dornenhalsband der europäischen Finanzarchitektur einfach ablegen können.

Das Arrangement zwischen der Linkspartei und der deutschen „Bewegungslinken“ wie der Interventionistischen Linken (IL), die Blockupy mitträgt, lautet indes: Tust du mir nichts, tu ich dir nichts. Die IL meint, SYRIZA (deren Koalition mit der nationalistischen ANEL dabei schlicht ignoriert wird) könne die „schweigende Akzeptanz“ der Sparpolitik beenden. Ihre Wahl sei „nur ein – wenn auch wichtiger – Ausdruck der notwendigen Veränderung, die nur von den Straßen kommen, getragen und durchsetzt werden kann.“ Die IL verschweigt dabei, dass die vermeintlichen parlamentarischen Akteure dieser Veränderung – die Linksparteien in Griechenland und Deutschland – soeben kampflos dem neuen Spardiktat zugestimmt haben, also gerade das Gegenteil von dem tun, was „die Straße“ vorgeblich von ihnen erwartet.

Die Unmöglichkeit dieser Quadratur des Kreises ist dabei kein Zufall, sondern nur konsequenter Ausdruck der formalen Architektur des bürgerlichen Europas. Die Befreiung der GriechInnen und aller EuropäerInnen von der Austeritätspolitik wird deshalb niemals mit, sondern nur gegen die bürgerlichen europäischen Staaten und gegen diese EU erkämpft werden. Die Diktatur der Troika kann nur durch die Diktatur des Proletariats beendet, Demokratie ohne Kapitalismus nur durch den Aufbau einer revolutionären ArbeiterInnenpartei erreicht werden. Das ist keine Aufgabe für übermorgen.

Wenn Blockupy über ein autonomes Event hinausgehen soll, das ReformistInnen einen radikalen Anstrich gibt, müssen jenseits des symbolischen Protests wirkliche Druckmittel gefunden werden. Dazu muss die ArbeiterInnenklasse im Zentrum des Protests stehen. Das bedeutet die Unterstützung von Arbeitskämpfen, zum Beispiel bei Amazon oder in der Sozial- und Erziehungsarbeit.

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