Mietenwahnsinn: Blaczko enteignen

25.05.2021, Lesezeit 4 Min.
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Foto: Simon Zamora Martin

Sechs Wochen nach dem Ende des Berliner Mietendeckels demonstrierten tausende Mieter:innen gegen die Rückzahlungsforderungen ihrer Vermieter:innen und für Enteignung der Immobilienkonzerne.

10.000 Menschen demonstrierten am Sonntag gegen den Mietenwahnsinn in Berlin. Sechs Wochen nachdem das Bundesverfassungsgericht den Mietendeckel gekippt hat und spontan 20.000 Menschen auf die Straße gegangen sind, bildete der Protestzug durch Westberlin nun die erste große Mobilisierung von Mieter:innen. Auch wenn an diesem sonnigen Pfingstsonntag deutlich weniger Spannung in der Luft lag, ist der Frust groß. Viele Vermieter:innen sind in die Offensive gegangen und haben Mieter:innen nicht nur zur Rückzahlung von oft vierstelligen Beträgen aufgefordert, sondern ihnen auch noch eine Mieterhöhung aufgebrummt. 

Ein Vermieter, der besonders durch seine kriminellen Machenschaften aufgefallen ist, ist die Familie Blaczko. Am Tag der Urteilsverkündung versendete das Unternehmen mit Firmensitz in Miami E-Mails, in denen sie Mieter:innen aufforderte, binnen zwei Wochen die durch das Kippen des Mietendeckels entstandenen Schulden zurückzuzahlen. Ihnen wurde ein Auszug nahegelegt und mit dem Kürzel „fy“ – der englischsprachigen Abkürzung für „Fick dich“ unterschrieben. Zusammen mit der „Mieter:innengewerkschaft Berlin“ organisierte sich eine Gruppe von Blaczko-Mieter:innen, um gemeinsam ihre Interessen gegen die Firma mit ihren knapp 1.000 Wohnungen in Berlin durchzusetzen. „Wir haben alle Missstände in einen langen Forderungsbrief zusammen getragen“, erzählt Mio Decker von der Mieter:innengewerkschaft. „Die Probleme reichen von Videoüberwachung der Mieter:innen über teilgewerbliche Mietverträge indem das Wohnzimmer zum Gewerberaum deklariert wird oder fingierten Untermietverträgen, bei dem Mitarbeiter der Hausverwaltung als Hauptmieter auftreten, um den Kündigungsschutz zu umgehen.“ „Meine Miete liegt fast 50 Prozent über den Mietspiegel“, erklärt Tobias, der seinen richtigen Namen aus Angst vor seinem Vermieter nicht in der Zeitung lesen möchte. Er ist in einer der ersten Flyeraktionen zu der Blaczko-Mieter:inneninitiative hinzugestoßen. Mittlerweile schickt die Hausverwaltung private Sicherheitsdienste, die auf Mio eher wie Schlägertrupps wirken, um Flyeraktionen zu unterbinden und Namen der Teilnehmer:innen zu ermitteln. „Nach der letzen Flyeraktion klingelte es um 11:30 nachts Sturm bei mir“, erzählt Tobias. „Ich wurde wegen meines Engagements mit dem Worten bedroht: komm runter du Arschloch, du weißt, worum es geht.“ Für Mio ist klar, dass eine Enteignung der großen Wohnungsgesellschaften wie sie die Kampagne „Deutsche Wohnen und Co Enteignen“ (DWE) fordert nicht ausreichend ist. „Wir brauchen auch eine qualitative Enteignung, um solchen Vermietern wie Blaczko das Handwerk zu legen.“

Mit über 600 Personen war der in gelb-violette Bannern gehüllte Block von DWE der mit Abstand größte auf der Demonstration. Nach dem gekippten Mietendeckel strömten hunderte neue Aktive in die Kampagne, die in der ganzen Stadt Unterschriften für den Volksentscheid sammeln. Doch bisher zeigte die Kampagne kaum ihre Stärke auf der Straße. Teile des Koordinierungskreises – vor allem Mitglieder der Regierungspartei DIE LINKE – fürchteten internen Quellen zu Folge, dass offizielle Mobilisierungen zum 1. Mai oder anderen Anlässen dazu führen könnte, dass Kräfte links der Regierungspartei mehr Einfluss auf die Kampagne bekommen könnten.

Dass genug Unterschriften für den Volksentscheid zusammenkommen werden, ist sehr wahrscheinlich. Aber auch wenn eine Mehrheit der Berliner am 26. September für eine Enteignung der großen Wohnungsunternehmen stimmt, ist es nicht garantiert, dass der Senat diese Enteignungen auch durchsetzt. Der Volksentscheid beauftragt den Senat lediglich mit der Ausarbeitung eines Gesetzes. Um die Enteignung durchzusetzen, braucht es einen kontinuierlichen Druck von der Straße und aus den Betrieben.

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