Metallstreiks: Keine faulen Kompromisse! Erzwingungsstreiks für Inflationsausgleich jetzt!

15.11.2022, Lesezeit 5 Min.
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Foto: Klasse Gegen Klasse

Kurz vor der fünften Verhandlungsrunde in der Metall- und Elektroindustrie mehren sich die Anzeichen, dass die IG-Metall-Führung die Tarifrunde vorschnell zum Abschluss bringen will. Die Beschäftigten dürfen sich nicht auf faule Kompromisse einlassen und müssen von unten den Erzwingungsstreik für einen tatsächlichen Inflationsausgleich durchsetzen.

Nachdem vergangene Woche die vierte Verhandlungsrunde in der Metall- und Elektroindustrie noch ergebnislos abgebrochen und die Trommel für 24-stündige Warnstreiks gerührt worden war, ist davon in dieser Woche nicht mehr viel zu hören. Zwar gingen die Warnstreiks bundesweit mit zehntausenden Arbeiter:innen weiter – so gab es am Montag Warnstreiks in sechs Betrieben in Bayern, am Dienstag bei Siemens und Alstom in Berlin, sowie Warnstreiks in Sachsen und in 18 Betrieben in Hessen, Warnstreiks von 6.000 Beschäftigten von Audi und anderen Betrieben in Baden-Württemberg und weitere mehr. Jedoch: 24-Stunden-Streiks waren nicht in Sicht. Im Gegenteil spricht die IGM-Führung inzwischen davon, schon ab Donnerstag in Baden-Württemberg einen „Pilotabschluss“ verhandeln zu wollen.

So sagte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann der dpa, er sehe „gute Chancen“, in Baden-Württemberg zu einem Pilot-Tarifabschluss für die deutsche Metall- und Elektroindustrie zu kommen. In den vergangenen Tagen habe man „mit den Arbeitgebern sondiert und eine Absprungbasis geschaffen“. Allein die Wortwahl spricht Bände: Hofmann hofft auf einen „Absprung“ in den Verhandlungen, um längere Warnstreiks oder gar einen Erzwingungsstreik zu verhindern.

Zudem hatten IGM und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) am Montag eine gemeinsame Presseerklärung herausgebracht, in der sie davon sprechen „gemeinsam Verantwortung übernehmen“ zu wollen für die Sicherung des Industriestandortes Deutschland, und eine gemeinsame „Dialog-Initiative“ ab November 2022 ankündigen. Mit anderen Worten: Anstatt die Zeichen auf Erzwingungsstreik zu stellen, um einen tatsächlichen Inflationsausgleich zu erkämpfen, setzen sich die Gewerkschaftsbosse lieber mit den Konzernbossen zusammen, um über die Köpfe der vier Millionen Metaller:innen hinweg eine gemeinsame Strategie zu verhandeln.

Dagegen müssen sich die Arbeiter:innen an der Basis der Gewerkschaft von unten organisieren. Keine faulen Kompromisse! Stattdessen ist es an der Zeit, angesichts der fortgesetzten Verweigerungshaltung der Bosse, ab jetzt 24-stündige Streiks und Erzwingungsstreiks zu organisieren. Anstelle dass die IGM-Bürokratie von oben einen Abschluss durchdrückt, braucht es in allen Betrieben Streikversammlungen mit Entscheidungskraft, die über die Verhandlungsergebnisse beraten und wirksam über die weiteren Arbeitskampfmaßnahmen abstimmen und entscheiden können.

Nicht nur für eine volle Erfüllung der bisherigen Streikforderung – schließlich sind 8 Prozent bei der aktuellen Inflationsrate von über 10 Prozent immer noch ein Reallohnverlust –, sondern für einen tatsächlichen Inflationsausgleich und für eine automatische Anpassung der Löhne an die Inflation (gleitende Lohnskala). Schließlich haben die Konzerne in den letzten Jahren Rekordprofite gemacht, und es kann deshalb nicht nur darum gehen, ein kleines Stück vom Kuchen zu verteidigen.

Sollte die Inflation im kommenden Jahr weiter anhalten, braucht es ein Sonderkündigungsrecht des Tarifvertrags, um sich nicht mit langen Laufzeiten an eine Friedenspflicht zu binden, die letztlich nur die Interessen der Bosse schützt.

Entgegen der Klüngelei der IGM-Bürokratie mit den Arbeitgeberverbänden, die über eine Transformation der Industrie im Interesse der Bosse verhandeln, braucht es angesichts der voranschreitenden Klimakatastrophe schon jetzt eine Perspektive in den Streiks, die einen ökologischen Umbau der Produktion im Interesse der Arbeiter:innen und der großen Mehrheit der Bevölkerung betrifft – die Enteignung der Großkonzerne unter Kontrolle der Arbeiter:innen, begonnen mit den Energiekonzernen, die auf Kosten der großen Mehrheit der Bevölkerung Profite mit der Inflationskrise machen.

Denn es ist gerade die Kampfkraft der Metaller:innen, die mit Streiks von hunderttausenden Beschäftigten nicht nur höhere Löhne für sich selbst erkämpfen, sondern für eine Antwort der Arbeiter:innen auf die Krise insgesamt streiten können. Die Signalwirkung, die ein Abschluss mit automatischem Inflationsausgleich in der wichtigsten Branche der deutschen Wirtschaft hätte, würde den Kämpfen der Arbeiter:innen in allen anderen Branchen – deutschlandweit und international – Flügel verleihen.

In demselben Sinne können die Metaller:innen ihr Gewicht auch gegen die Politik der Regierung insgesamt in die Schale werfen, um nicht der AfD und Co. die Straßen in Opposition zur Ampelkoalition zu überlassen. Erste fortschrittliche Beispiele dafür gibt es bereits: So kündigte die IG Metall Hanau-Fulda für den 17. November einen Warnstreik an, der sich zusätzlich zu den Forderungen der Tarifrunde auch gegen das 100-Milliarden-Aufrüstungspaket der Bundeswehr wendet und einen sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine, eine Übergewinnsteuer, ein Verbot von Strom- und Gassperren und ein Kündigungsmoratorium für Mieter:innen, sowie den Ausbau erneuerbarer Energien und weiteres fordert. Daran sollten sich die Beschäftigten in ganz Deutschland ein Beispiel nehmen.

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