Mehr Militarisierung und mehr Druck auf Migrant*innen

29.08.2016, Lesezeit 4 Min.
Gastbeitrag

Verfolgt man die Meldungen der letzten Tage, muss man denken, ein Krieg sei ausgebrochen. Hamsterkäufe! Überwachung! Bundeswehr im Inneren! Politiker*innen fangen das Hyperventilieren beim Aufzählen neuer Sicherheitsmaßnahmen an.

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Mehrere Anschläge erschütterten im Juli Bayern. Die Folge waren panische Überlegungen, wie in Zukunft wenigstens mehr Sicherheit simuliert werden könnte. In Bayern soll zum Beispiel die „sicherste Wiesn aller Zeiten“ stattfinden. Das Festgelände wird umzäunt werden, zusätzlich wird es ein Rucksackverbot geben.

Ob diese Sicherheitsmaßnahmen Terrorattacken verhindern können, ist fraglich. Nicht jeder öffentlich zugängliche Platz kann umzäunt werden und es kann auch nicht um jede Ecke eine flughafenähnliche Kontrolle stattfinden.

Generell wird die Wiesn nicht sicherer werden. Denn Zäune helfen nicht gegen sexistische Gewalt und Schlägereien unter den Gästen. Diese neuen Maßnahmen werden auch verstärkt auf Racial Profiling zurückgreifen – eine weitere Belastung für Menschen, die nicht wie die letzten Seppl bei den Eingangsschleusen erscheinen.

Die Berliner Erklärung

Eine Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen wird nicht nur auf der kleinen Theresienwiese stattfinden, die Bundesregierung (und besonders die Union) plant größer. Die Innenminister der Union trafen sich in Berlin und nach einer langen Runde Brainstorming verkündeten sie stolz die „Berliner Erklärung“. Die ist vor allem dadurch aufgefallen, dass sie ein Burkaverbot in einem nicht genau bestimmten Umfang fordert.

In der Berliner Erklärung steht allerdings noch so einiges mehr drin. Netzpolitik.org hat die verschiedenen Wünsche der Union zusammengefasst. Die Vorratsdatenspeicherung, die im Herbst 2015 wieder beschlossen wurde und noch vor dem Bundesverfassungsgericht steht, soll drastisch ausgeweitet werden. Geheimdienste sollen mehr Macht bekommen. Videoüberwachung soll ausgeweitet und intensiviert werden. Die Polizei soll noch weiter militarisiert werden, wie es bereits durch die Spezialeinheit BFE+ geschehen ist.

Union übernimmt Teile des AfD-Programms

Bereits in den vergangenen Monaten wurden Anti-Terror-Maßnahmen erweitert. Diese Gesetze sind gepaart mit Angriffen auf die Rechte von Migrant*innen. Nach fast schon unzählbar vielen Verschärfungen des Asylrechts und einer immer rassistischeren Rhetorik, möchte die Union schon wieder an der doppelten Staatbürger*innenschaft rütteln. Der CSU-Generalsekretär und Hardliner Andreas Scheuer will nicht, dass der deutsche Pass zu einem “Ramschartikel“ verkommt. Der deutsche Pass soll wohl was für Premium-Menschen sein. Garniert wird die Debatte von einem Kommentar der Kanzlerin zur Loyalitätspflicht von Migrant*innen gegenüber Deutschland.

Durch die stete Terrorangst wurde auch die Diskussion um Einsätze der Bundeswehr bei großen Terrorangriffen wieder aufgetaut. Die Forderungen sind bis jetzt vage geblieben – was die Bundeswehr dann genau tun soll, erschließt sich nicht ganz. Trotzdem soll bereits im November eine Übung der Bundeswehr im Inneren stattfinden. Bei der Wehrpflicht ändert sich hingegen nichts – sie soll weiterhin nur bei Spannungs- und Verteidigungsfall reaktiviert werden. Dass sie überhaupt zum Thema gemacht wurde, ist aber Ausdruck der Panikmache.

Drohende Wahlschlappen

Ausweitung militärischer Befugnisse und Überwachung sind schon lange im Repertoire der Union. Überraschend ist das Tempo, in dem diese Vorschläge kommen. Im September stehen drei Wahlen an: Landtagswahl in Meck-Pomm, Kommunalwahlen in Niedersachsen und Abgeordnetenhauswahl in Berlin. Nach aktuellem Stand wird keine der drei Wahlen für die CDU erfreulich. In Meck-Pomm droht die Möglichkeit, hinter SPD und AfD zu liegen. In Niedersachsen gibt es nicht viel zu gewinnen und in Berlin wird Henkel voraussichtlich ein desaströses Wahlergebnis – das schlechteste in der Geschichte der Hauptstadt-CDU – einfahren.

Die Union versucht mit Ausländer*innenfeindlichkeit und Sicherheitsforderungen, die einen starken Abbau demokratischer Rechte bedeuten, der AfD ein paar Wähler*innen abzujagen.

Ein Schritt, von dem die isolationistische AfD aber selbst nicht spricht, ist die Militarisierung der Außenpolitik. Deutschland hat viel aufzuholen, die Lücke zwischen wirtschaftlicher und militärischer Bedeutung des deutschen Imperialismus seit Beginn der Krise noch tiefer als zuvor. Kein Wunder also, dass Verteidigungsministerin von der Leyen schon im Januar eine Wehretaterhöhung um insgesamt 130 Milliarden Euro bis 2030 verhandelte. Merkel selbst ließ verlauten, die EU sei nicht verteidigungsfähig. In einem zerbröckelnden Europa setzt sie umso mehr auf den Nationalstaat.

Diese Schritte der Militarisierung und die Rhetorik, die immer mehr an die Ausrufung eines „Kriegs gegen den Terror“ erinnert, sind Vorboten größerer Spannungen im Innern und Äußeren, auf die sich der deutsche Imperialismus vorbereitet. Arbeiter*innen, Jugendliche, Frauen, Migrant*innen werden die Leidtragenden der „Sicherheitspolitik“ sein, die für uns nichts mehr bedeuten wird als noch mehr Repression und Rassismus.

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