Massenprotest in Katalonien gegen die Zwangsverwaltung

23.10.2017, Lesezeit 2 Min.
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Am Samstag kündigte Ministerpräsident Mariano Rajoy nach einer Sondersitzung des Kabinetts die Aktivierung des Artikels 155 an. Damit werden die katalanischen Institutionen unter Aufsicht der Zentralregierung gestellt. Die dafür nötige Zustimmung des Senats, der am kommenden Freitag zusammentritt, gilt als höchstwahrscheinlich.

Die Madrider Zentralregierung hat damit tatsächlich die „atomare Option” gezündet. Gemeint ist der Artikel 155, der noch nie angewendet wurde und den faktischen Autonomieentzug bedeutet. Auch wenn Rajoy das bestritt, so ist klar, dass die Entmachtung des Parlaments samt der Anordnung von Neuwahlen binnen sechs Monaten eine Verschärfung der spanischen Besatzung Kataloniens bedeutet. Außerdem werden u.a. die Finanzen, die Polizei sowie die öffentlich-rechtlichen katalanischen Fernsehsender unter die vollständige Kontrolle der Zentralregierung gestellt. Sollte der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont trotzdem die Unabhängigkeit Kataloniens ausrufen, droht ihm die sofortige Verhaftung und eine 30-jährige Haftstrafe. Dieses repressive Vorgehen des Spanischen Staates stellt damit die bislang höchste Eskalationsstufe dar und bedeutet nichts anderes als einen institutionellen Putsch.

Ähnlich äußerte sich auch Puigdemont, der von einem „Putsch“ sprach, der den „schlimmsten Angriff“ auf die Demokratie seit dem Diktator Francisco Franco darstelle. Er vergisst aber, dass das heutige reaktionäre 78er-Regime eben aus jenem franquistischem Personal entstanden ist. Dieses Regime ist in der Lage, alle erdenklichen Mittel zu ergreifen, um das Selbstbestimmungsrecht Kataloniens mit Füßen zu treten. Und dieses Selbstbestimmungsrecht sieht auch das Recht auf Lostrennung vor, zu dessen Vorteil sich am 1. Oktober eine Mehrheit der katalanischen Nation äußerte.

Doch keine repressive Maßnahme Madrids, die nicht seitens der heroisch kämpfenden Massen unbeantwortet geblieben wäre. Nachdem schon vor knapp einer Woche wegen der Verhaftung von Jordi Sanchez und Jordi Cuixart, zwei Anführern der Unabhängigkeitsbewegung, mehr als 200.000 Menschen spontan in Barcelona auf die Straßen gingen, waren es am Samstag sogar 450.000 Menschen, die sich den Maßnahmen der Zentralregierung entgegenstellten. Angesichts dessen, dass der Aufstand nun schon über einen Monat andauert, ist dies ein Beweis des ungebrochenen Willens der katalanischen Massen nach Selbstbestimmung und für einen Bruch mit dem 78er-Regime.

 

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