Lateinamerika: Beschäftigte der Lieferdienste im Kampf

01.07.2020, Lesezeit 7 Min.
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Am Mittwoch, dem 1. Juli, findet ein Kampftag statt, an dem Lieferant*innen verschiedener Apps wie Rappi, Glovo, Pedidos Ya und Uber Eats in Brasilien, Argentinien, Chile, Costa Rica, Mexiko, Venezuela, Guatemala und Ecuador kämpfen.

Am 1. Juli, findet ein Kampftag statt, an dem Arbeiter*innen verschiedener Apps wie Rappi, Glovo, Pedidos Ya und Uber Eats in Brasilien, Argentinien, Chile, Costa Rica, Mexiko, Venezuela, Guatemala und Ecuador kämpfen. In den sozialen Netzwerken wurde für diesen Mittwoch zu einem Massentweet aufgerufen mit dem Hashtag #LasVidasTrabajadorasImportan („die Leben der Arbeiter*innen zählen“), der die Situation der Arbeiter*innen sichtbar machen soll.

Mit dem Fortschreiten der Pandemie und als Folge der Ausgangssperren wurde die Arbeit von Tausenden von Lieferarbeiter*innen in vielen Ländern als Teil der Grundversorgung eingestuft, die sich nicht nur um Nahrungsmittellieferungen, sondern auch um Medikamente und andere elementare Dinge für viele Menschen kümmerten. Diese vermehrte Nutzung der Apps von Lieferant*innen wie Glovo, Uber Eats oder Rappi wurde zur stärkeren Ausbeutung ihrer Arbeiter*innen verwendet.

Mehrere Beschwerden in Argentinien, Brasilien, Mexiko oder Costa Rica, zeigen, wie Lieferdienste wie Glovo die Vergütung pro Fahrt um bis zu 50 Prozent des Basistarifes gesenkt haben. Andere Mechanismen wie die willkürliche Sperrung von Konten oder fehlende Hygienemaßnahmen von Unternehmen zum Schutz ihrer Beschäftigten offenbaren die Realität der als „systemrelevant“ bezeichneten Sektoren. Mit dem drastischen Anstieg der Arbeitslosigkeit ist diese Art von Arbeit zu einer Einkommensquelle für Tausende von Familien geworden, die von der Krise betroffen sind.

Das Arbeitsverhältnis zwischen Lieferarbeiter*innen und den Unternehmer*innen steht meistens unter der diffusen Figur des „Partners“, unabhängig von jeglicher Verantwortung des Bosses oder der Anerkennung eines Rechts auf Schutz des Lebens der Lieferant*innen. Die Komplizenschaft der Regierungen hat bereits gezeigt, dass ihre Priorität darin besteht, die Gewinne dieser Unternehmen zu sichern.

Die Arbeiter*innen des Sektors erleben, wie die Arbeitsbedingungen und die Anforderungen der Unternehmen das Leben von Kolleg*Innen kosten, alleine sechs Lieferant*innen sind in Argentinien bereits während der Arbeit gestorben. Die Unternehmen streichen sich alle Gewinne ein und lassen ihre Beschäftigten ohne ein ausreichendes Einkommen zurück. Obwohl sie als unentbehrliche Arbeitskräfte betrachtet werden, riskieren sie mitten in der Pandemie ihr Leben und besitzen keine Rechte oder Garantien.

In den verschiedenen lateinamerikanischen Ländern wird es Mobilisierungen geben. Die Streikenden fordern dringende Gesundheits- und Sicherheitsausrüstungen, höhere Zahlungen, die Freigabe aller Mitarbeiter*innen-Accounts, Lebens- und Diebstahlversicherungen und menschenwürdige Apps, um die Prekarisierung zu beenden.

In Argentinien hat eine Versammlung beschlossen, in mehreren Städten auf die Straße zu gehen; sie tun dies etwa vor dem Parlament der Stadt Buenos Aires, um die Verabschiedung aller Vorhaben zu stoppen, die ihre Arbeitsbedingungen verschlechtern und die Prekarisierung legitimieren.

Damián, Arbeiter von Rappi und Mitglied des Netzwerkes prekär Beschäftigter La Red de Trabajadores Precarizadxs, nahm an der Versammlung teil und sagte zu La Izquierda Diario, der Schwesterseite von Klasse Gegen Klasse: „Wir sind sehr glücklich darüber, die Organisierung jeden Tag weiter voranzubringen und zu vergrößern, es nahmen viel mehr Kolleg*innen teil als bei der vorherigen Versammlung, jeden Tag sind wir mehr Lieferant*innen, die nicht mehr wie Dreck behandelt werden wollen. Nicht nur hier, sondern in der ganzen Welt. Deshalb wollen wir am 1. Juli mit der Mobilisierung einen großen Streik machen, damit sie uns zuhören müssen.“

In Costa Rica wurde zu einer Karawane aufgerufen, die mit einer Kundgebung im Parque Central beginnt und von dort aus zum Gesundheitsministerium und zum Arbeitsministerium führt.

In Brasilien werden die Beschäftigten der U-Bahn in Sao Paulo neben dem Kampftag der Lieferant*innen auch einen Streik und eine Mobilisierung gegen den Gouverneur durchführen, der Angriffe auf diesen Sektor vorbereitet. Der Gouverneur von São Paulo, Joao Dória, will die Krankenversicherung und das Gehalt der Beschäftigten angreifen. Es sind genau die U-Bahn-Arbeiter*innen, die ebenfalls an vorderster Front stehen und unter Risiko in einer schlecht durchgeführten Quarantäne arbeiten müssen. 300 U-Bahn-Arbeiter*innen fehlen, weil sie mit Covid-19 infiziert sind, und andere befinden sich mit Verdacht auf Corona in Quarantäne. Deshalb wird der Streik an diesem 1. Juli in Solidarität mit den Apps-Arbeiter*innen und gegen die Regierung geführt.

Dieser Kampf findet parallel zum Kampf gegen Rassismus und Polizeibrutalität in den USA statt, der aber auch in Brasilien große Mobilisierungen erlebt hat.

Auch in Mexiko werden sich die Arbeiter*innen dem internationalen Streik der Lieferant*innen mit einer Karawane anschließen, die zum Gedenken an die bei Arbeitsunfällen umgekommenen Kolleg*innen an verschiedene Orte in Mexiko-Stadt ziehen wird. Sie werden Helme und weiße Rucksäcke an den Orten aufstellen, an denen die Kolleg*innen ihr Leben gelassen haben um ihre Familien zu ernähren.

Arbeiter*innen aus allen Ländern haben ihre Solidaritätsbotschaften geschickt, so auch Claudio Dellecarbonara aus Argentinien, Arbeiter der U-Bahn von Buenos Aires und Teil der Gewerkschaftsführung und derzeit Abgeordneter im Parlament der Provinz von Buenos Aires für die Front der Linken und Arbeiter*innen (FIT). Sie haben auch die Solidarität der Arbeiter*innen der Betriebe unter Arbeiter*innenkontrolle, wie z.B. der Keramikfabrik Zanon im südlichen Neuquén und der Druckerei MadyGraf im Norden von Buenos Aires. Ebenso haben Intellektuelle in Brasilien einen Brief in Solidarität mit den Lieferant*innen veröffentlicht, in dem sie den internationalen Streik der App-Arbeiter*innen unterstützen.

Im Zusammenhang mit der Pandemie sehen wir den enormen Anstieg der Arbeitslosigkeit, zusammen mit einer Offensive der Kapitalist*innen, Politiker*innen und Bosse, Arbeitsrechte anzugreifen und der Arbeiter*innenklasse insgesamt noch prekärere Arbeitsbedingungen aufzuzwingen.

Es ist wichtig, die Rolle anzuerkennen, die die Jugend innerhalb der Pandemie spielt, in der sie immer mehr Raum in einem der prekärsten Sektoren der Arbeiter*innenklasse einnimmt, sowie die wichtigsten Dienstleistungen im Hinblick auf die Mobilität von Gütern garantiert. Wenn der Kampf der Jugend gegen die Prekarisierung und Ausbeutung, unter denen die Lieferant*innen stehen, an die Mobilisierungen gegen Rassismus und Polizeigewalt in den Vereinigten Staaten und Brasilien und die Rebellion der chilenischen Jugend von 2019 anknüpft und die Forderungen von Tausenden Jugendlichen auf dem Kontinent und weltweit, können wichtige Perspektiven für den Klassenkampf eröffnet werden.

Prekarisierte Jugendliche können der Funke sein, der die Flamme für größere Auseinandersetzungen mit einem dekadenten System bildet, das für Tausende Jugendlichen auf der ganzen Welt nichts als mehr Prekarisierung und Ausbeutung verspricht.

Von Klasse Gegen Klasse und La Izquierda Diario aus werden wir weiterhin über die internationalen Kampfmaßnahmen informieren, und wir unterstützen den Aufruf der Lieferfaher*innen in der ganzen Welt, sich der Prekarisierung zu stellen. Es ist notwendig, eine breite und kämpferische Organisation zu bilden, die die kämpferischen Sektoren der prekären Jugend zusammenführt und alle Rechte für alle Lieferant*innen einfordert.

Dieser Artikel erschien zuerst auf La Izquierda Diario.

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