Krawall und Klassenkampf

04.04.2015, Lesezeit 5 Min.
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// BLOCKUPY: Nach den erfolgreichen Aktionen des Bündnisses kommt die Gewaltfrage auf. Die bürgerlichen Medien sprechen vom „Terror”. Wie stehen MarxistInnen zur Gewaltfrage? //

Beinahe 20.000 AktivistInnen haben anlässlich der Eröffnung des neuen Gebäudes der Europäischen Zentralbank in Frankfurt gegen die Spardiktate der Troika protestiert. Damit setzten sie ein eindrucksvolles Zeichen, dass sich auch im „Herzen der Bestie“ Widerstand gegen die europäische Verarmungspolitik rührt.

Nach den Bildern von brennenden Barrikaden und dem über Frankfurt aufsteigenden Rauch sprachen die bürgerlichen Medien von „Terror“. Derlei Gewaltdebatten dienen dazu, die AktivistInnen zu kriminalisieren und zu delegitimieren – aber auch, um die brennenden Fragen der Politik nicht aufkommen zu lassen. Stattdessen soll lieber über „eine neue Qualität der Gewalt“ phantasiert werden. Die Polizei sprach von mindestens 94 verletzten BeamtInnen – die allermeisten hatten sich mit dem eigenen Tränengas verletzt.

Ihre Gewalt und unsere

In einer Klassengesellschaft ist Gewalt allgegenwärtig, ob in Form von Sanktionen gegen Arbeitslose, Zwangsräumungen, Abschiebungen von Geflüchteten oder der Verarmungssprogramme gegen die griechische Bevölkerung. Die Frage ist also, „ob die bürgerlichen Politiker das Recht haben, kübelweise moralische Entrüstung über den proletarischen Terrorismus auszugießen, wenn ihr ganzer Staatsapparat mit seinen Gesetzen, seiner Polizei, seiner Armee nichts anderes als ein Apparat für kapitalistischen Terror ist!“ (Leo Trotzki)

Wir RevolutionärInnen lehnen Gewalt keinesfalls ab – schließlich wissen wir, dass die ArbeiterInnenklasse täglich und bei jeder Regung Gewalt erfährt und dass sie selbst Gewalt anwenden muss, um ihre Errungenschaften zu verteidigen und letztendlich die bürgerliche Herrschaft zu stürzen.

Daher halten wir es auch für legitim, wenn die Menschen auf den Straßen Frankfurts ihre Blockaden gegen die Polizei verteidigen. Die Frage ist jedoch, wie die Gewalt zielgerichtet eingesetzt werden muss, um damit Fortschritte im Klassenkampf zu erzielen.

In Frankfurt gab es einige isolierte Aktionen militanter Autonomer, wie den Angriff auf ein Polizeirevier mit dem Abbrennen von Polizeiautos. Symbolische Zerstörung soll ein elektrifizierendes Beispiel geben – was aber in der Praxis nicht funktioniert. Damit bleibt einzig die Entfernung von den breiten Massen und der ArbeiterInnenklasse. Ohne Klassenbasis sind ihre Aktionen lediglich Ausdruck einer kleinbürgerlich-moralischen Wut gegenüber der kapitalistischen Herrschaft.

Wir distanzieren uns keineswegs von „Gewalt“ von linken DemonstrantInnen, die nur eine Reaktion auf die tagtägliche Gewalt des Systems ist. Doch wir argumentieren stets dafür, dass nur die revolutionäre Aktion der ArbeiterInnenklasse diesem gewalttätigen System ein Ende setzen kann.

Kämpfe im Betrieb

Bei Blockupy haben wir durchaus Beispiele für Aktionen der ArbeiterInnenklasse gesehen, wenngleich in einem sehr anfänglichen Stadium. Streikende von Amazon reisten nach Frankfurt und nahmen nicht nur an den Blockaden am frühen Morgen teil, sondern bildeten bei der Demonstration auch einen eigenen „Streikblock“.

Die wichtigen Fragen des Klassenkampfes werden nicht in Scharmützeln mit der Polizei ausgefochten, sondern im Betrieb, wo die kapitalistische Produktion stattfindet. Denn die ArbeiterInnenklasse besitzt aufgrund ihrer Rolle im Produktionsprozess – im Gegensatz zu individuellen Gewaltaktionen – kräftigere Kampfmethoden wie Streiks und Besetzungen. Eindrucksvoll zeigten dies zum Beispiel die Streiks der Deutschen Bahn zum Jahreswechsel, die halb Deutschland lahmlegten. Die erfolgreichsten Aktionen von Autonomen richten ein paar Millionen Euro Schaden an – ein Streik in der Industrie kostet täglich ein Vielfaches.

Nur leider stand die ArbeiterInnenklasse bei Blockupy selbst nicht im Vordergrund. Das wäre anders gewesen, wenn die Gewerkschaften den an diesem Tage streikenden Amazon-ArbeiterInnen Busse für die Fahrt nach Frankfurt zur Verfügung gestellt hätten. Zudem hätten die OrganisatorInnen für die Unterstützung des Streiks der ErzieherInnen am nächsten Tag in Frankfurt mobilisieren können, oder dazu aufrufen können, bei der Demo für die Verteidigung des Streikrechts am selben Ort einen Monat später zu kämpfen.

Eine gemischte Bilanz

Blockupy war ein großartiger Mobilisierungserfolg, doch hat es dafür monatelange Vorbereitung gebraucht. Die Tatsache, dass die ArbeiterInnenklasse kaum als solche auftrat, zeigt aber auch Blockupys Bedeutung im Klassenkampf: Es ist ein einmaliges Ereignis, welches in dieser Form nicht an den Grundfesten der herrschenden Ordnung rütteln kann.

Und vielleicht will es das auch nicht, vergegenwärtigt man sich die reformistische Führung in Gestalt der Linkspartei, die sich in opportunistischer Manier von der „Gewalt“ distanzierte und auch sonst keine Gelegenheiten auslässt, um ihrem Sozialchauvinismus zu frönen – wie bei der Zustimmung von Merkels Spardiktaten gegen die griechische Bevölkerung im Bundestag.

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