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Kommunistische Internationale: Resolutionen zur Schwarzen Frage

28.08.2020, Lesezeit 8 Min.
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Leo Trotzki und C.L.R. James (Illustration: Sou Mi)

Nach dem Triumph der Russischen Revolution von 1917 schlossen sich Kommunist*innen aus aller Welt der Kommunistischen Internationale an. Auf ihrem Vierten Kongress im Jahr 1922 beschloss die Komintern, die Befreiungskämpfe der Schwarzen zu unterstützen. Dieser Text ist Teil unserer Serie „Marxismus und Schwarzer Kampf“.

Während und nach dem Kriege entwickelte sich unter den kolonialen und halbkolonialen Völkern gegen die Macht des Weltkapitals eine Aufstandsbewegung, die immer noch erfolgreiche Fortschritte macht. Die Durchdringung und die intensive Kolonisierung der von den Schwarzen bewohnten Gebiete ist das letzte große Problem, von dessen Lösung die weitere Entwicklung des Kapitalismus selbst abhängt. Der französische Kapitalismus hat klar erkannt, dass der französische Nachkriegsimperialismus sich nur durch die Schaffung eines französischen afrikanischen Reiches halten kann, das durch eine Transsahara-Bahn mit dem Mutterlande verbunden wird. Amerikas Finanzmagnaten (die in den Vereinigten Staaten schon 12 Millionen Schwarzen ausbeuten), haben nun die friedliche Durchdringung Afrikas aufgenommen. Die Furcht, die England vor einer Bedrohung seiner Position in Afrika hat, zeigt sich deutlich in den extremen Mitteln, die zur Unterdrückung des Randstreiks (Südafrika) angewandt wurden. Geradeso wie am Stillen Ozean, als das Resultat des Wettbewerbs zwischen den dortigen imperialistischen Mächten, die Gefahr eines neuen Weltkrieges, akut geworden ist, so gibt es auch unheildrohende Anzeichen dafür, dass Afrika das Objekt ihrer rivalisierenden Bestrebungen wird. Außerdem haben der Krieg, die russische Revolution und die großen aufständischen Bewegungen der asiatischen und muselmanischen Völkerschaften gegen den Imperialismus auch das Bewusstsein von Millionen von Schwarzen geweckt, die der Kapitalismus seit Jahrhunderten nicht nur in Afrika, sondern auch, und vielleicht noch mehr, in Amerika, unterdrückt und erniedrigt hat.

Die Geschichte des Schwarzen in Amerika befähigt ihn dazu, eine wichtige Rolle in dem Befreiungskampf der ganzen afrikanischen Völker zu spielen. Vor 300 Jahren wurde der amerikanische Schwarze von seinem Heimatboden fortgeschleppt, unter den grausamsten und unbeschreiblichsten Bedingungen auf Sklavenschiffe gebracht und in die Sklaverei verkauft. Seit 250 Jahren hat er als Sklave unter der Peitsche amerikanischer Aufseher gearbeitet. Seine Arbeitskraft lichtete die Wälder, baute die Wege, pflanzte die Baumwolle, legte die Gleise der Eisenbahnen und unterhielt die Aristokratie des Südens. Sein Lohn war Armut, Unwissenheit, Erniedrigung und Elend. Der Schwarze war kein genügsamer Sklave; seine Geschichte erzählt von Aufständen, Aufruhr und unterirdischen Methoden zur Erlangung der Freiheit. Aber alle seine Kämpfe wurden in barbarischer Weise unterdrückt. Er wurde mit der Tortur zur Unterwerfung gezwungen und die bürgerliche Presse und Religion erklärten sein Sklaventum als berechtigt. Die Sklaverei wuchs sich zu einem Hindernis auf dem Weg der Entwicklung Amerikas auf kapitalistischer Basis aus; in dem Kampfe zwischen Leibeigenschaft und Lohnsklaverei musste die Leibeigenschaft unterliegen. Der Bürgerkrieg, der kein Krieg zur Befreiung der Schwarzen, sondern zur Erhaltung der industriellen Vorherrschaft des Kapitals in den nördlichen Staaten war, gab den Schwarzen die Wahl zwischen Sklaverei im Süden und Lohnsklaverei im Norden. Die Sehnen, das Blut und die Tränen des „befreiten“ Schwarzen waren ein Teil des Baumaterials des amerikanischen Kapitalismus, und als Amerika, mittlerweile zur Weltmachtstellung emporgestiegen, unabwendbar in den Strudel des Weltkriegs hineingerissen wurde, wurde der Schwarze als dem Weißen ebenbürtig erklärt. Er durfte für die „Demokratie“ töten und sich töten lassen. 400.000 farbige Arbeiter wurden in die amerikanische Armee eingezogen und in Schwarzen Regimentern zusammengeschlossen. Unmittelbar nach den schrecklichen Opfern des Weltkrieges sah sich der zurückkehrende Schwarze Rassenverfolgungen, dem Lynchen, Mord, Entziehung des Stimmrechts, Ungleichheiten zwischen ihm und den Weißen gegenüber. Er wehrte sich und musste dafür teuer zahlen. Die Verfolgung der Schwarzen wurde intensiver und weitgehender als vor dem Kriege, bis sie gelernt hatten, ihre „Überhebung“ zu vergessen. Die Nachkriegsindustrialisierung der Schwarzen im Norden und der durch die Verfolgungen und Brutalitäten nach dem Kriege hervorgerufene Geist der Rebellion (der, obschon unterdrückt, doch emporlodert, wenn Scheußlichkeiten, wie sie in Tulsa stattfanden, Protest erzeugen) weisen dem amerikanischen Schwarzen, und speziell dem im Norden, einen Platz in der Vorhut des Kampfes gegen die Unterdrückung in Afrika an.

Die Kommunistische Internationale beobachtet mit Genugtuung, wie die ausgebeuteten Schwarzen sich dem Angriff der Ausbeuter widersetzen, denn der Feind seines Volkes und der Feind der weißen Arbeiter sind identisch: der Kapitalismus und der Imperialismus. Der internationale Kampf des schwarzen Volkes ist ein Kampf gegen Kapitalismus und Imperialismus. Die Schwarze Bewegung der Welt muss auf dieser Basis organisiert werden, und zwar in Amerika, dem Zentrum der Schwarzen Kultur und dem Kristallisationspunkt der Schwarzen Proteste; in Afrika, dem Reservoir menschlicher Arbeitskraft für die weitere Entwicklung des Kapitalismus; in Zentralamerika (Costa Rica, Guatemala, Kolumbien, Nicaragua und andere „unabhängige“ Republiken), wo der amerikanische Imperialismus vorherrscht; in Puerto Rico, Haiti, San-Domingo und auf anderen Inseln im Karibischen Meer, wo die brutale Behandlung unserer schwarzen Mitmenschen durch die amerikanischen Besatzungstruppen einen Protest der bewussten Schwarzen und der revolutionären weißen Arbeiter in der ganzen Welt hervorgerufen hat; in Südafrika und im Kongo, wo die sich verstärkende Industrialisierung der Schwarzen Bevölkerung verschiedenartige Ausbrüche zur Folge gehabt hat; in Ostafrika, wo das gegenwärtig vor sich gehende Eindringen des Weltkapitals die Eingeborenen zu aktivem Widerstand gegen den Imperialismus treibt.

Es ist die Aufgabe der Kommunistischen Internationale, die Schwarzen darauf hinzuweisen, dass sie nicht das einzige Volk sind, das unter der Unterdrückung des Imperialismus und Kapitalismus zu leiden hat, dass die Arbeiter und Bauern Europas, Asiens und Amerikas auch Opfer der imperialistischen Ausbeuter sind, dass in Indien und China, in Persien und der Türkei, in Ägypten und Marokko sich die unterdrückten farbigen Völker heroisch gegen die imperialistischen Ausbeuter wehren, dass diese Völker sich gegen dieselben Missstände auflehnen, gegen die sich auch die Schwarzen empören — Rassenunterdrückung, soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten und intensive industrielle Ausbeutung, dass diese Völker für dieselben Ziele wie die Schwarzen kämpfen — politische, wirtschaftliche und soziale Befreiung und Gleichberechtigung.

Die Kommunistische Internationale, die den weltumspannenden Kampf der revolutionären Arbeiter und Bauern gegen die Macht des Imperialismus verkörpert, die Kommunistische Internationale, die nicht nur die Organisation der geknechteten weißen Arbeiter in Europa und Amerika ist, sondern auch die Organisation der unterdrückten farbigen Völker der Welt, hält es für ihre Pflicht, die internationale Organisation der Schwarzen in ihrem Kampf gegen den gemeinsamen Feind zu unterstützen und zu fördern.

Die Schwarze Frage ist zur lebenswichtigen Frage der Weltrevolution geworden; die 3. Internationale, die bereits eingesehen hat, was für eine wertvolle Hilfe die asiatischen farbigen Völker in den Halbkolonialländern der proletarischen Revolution sein können, betrachtet auch die Mithilfe unserer unterdrückten schwarzen Mitmenschen als absolut notwendig für die proletarische Revolution und die Zerstörung der kapitalistischen Macht. Der 4. Kongress erklärt es aus diesem Grunde für die spezielle Pflicht der Kommunisten, die „Thesen über die Kolonialfrage“ auch auf die Schwarze Frage anzuwenden.

  1. Der 4. Kongress anerkennt die Notwendigkeit, jede Form der Schwarzen Bewegung, die den Kapitalismus entweder unterminiert oder schwächt oder seinem weiteren Vordringen Hindernisse in den Weg legt, zu unterstützen.
  2. Die Kommunistische Internationale wird für die Gleichheit der weißen und der schwarzen Rasse kämpfen, für gleiche Löhne und gleiche politische und soziale Rechte.
  3. Die Kommunistische Internationale wird sich jedes ihr zur Verfügung stehenden Mittels bedienen, um die Gewerkschaften zu zwingen, schwarze Arbeiter aufzunehmen, oder wo dieses Recht dem Namen nach schon besteht, eine spezielle Propaganda für den Eintritt der Schwarzen in die Gewerkschaften durchzuführen. Wenn dies sich als unmöglich erweisen sollte, wird die Kommunistische Internationale die Schwarzen in eigenen Gewerkschaften organisieren und speziell sich der Einheitsfronttaktik bedienen, um ihre Zulassung zu erzwingen.
  4. Die Kommunistische Internationale wird sofort Schritte unternehmen, um einen allgemeinen Schwarzenkongress oder eine allgemeine Schwarzenkonferenz einzuberufen.

Zuerst erschienen bei Sozialistische Klassiker 2.0

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