Katalonien: Hunderttausende gegen die Verhaftung von Anführern der Unabhängigkeitsbewegung

17.10.2017, Lesezeit 4 Min.
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Jordi Sánchez und Jordi Cuixart, zwei Gesichter der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung, wurden am Montag von der spanischen Justiz festgenommen und befinden sich jetzt in Untersuchungshaft. Während korrupte Politiker*innen auf freiem Fuß sind, erhöht die PP-Regierung mit diesen Verhaftungen erneut ihre Repression gegen die katalanische Bevölkerung.

Jordi Sánchez der Assemblea Nacional Catalana (ANC) und Jordi Cuixart von Òmnium Cultural wurden am Montag von der spanischen Audiencia Nacional, dem politischen Sondergerichtshof, ohne Möglichkeit auf Kautionszahlung in Untersuchungshaft genommen. Gegen die beiden Vorsitzenden der größten zivilgesellschaftlichen Unabhängigkeitsorganisationen wird wegen Aufruf zum „Aufstand“ ermittelt. Laut der Staatsanwaltschaft sollen sie die Verantwortlichen einer „komplexen Strategie“ sein, um die Unabhängigkeit Kataloniens zu erreichen.

Konkret geht es um die Kundgebungen von 20. und 21. September nach der Festnahme von 14 katalanischen Regierungsmitarbeiter*innen. Damals hatten sich spontan Tausende auf zahlreichen Plätzen in Barcelona und vor dem katalanischen Wirtschaftsministerium versammelt, um die Guardia Civil daran zu hindern, die Verhafteten abzuführen. Zu den Demonstrationen hatten auch die Organisationen der beiden „Jordis“, wie Cuixart und Sánchez wegen ihres gleichen Vornamens genannt werden, aufgerufen.

Diese richterliche Entscheidung ist ein neuer Sprung in der Repression des spanischen Regimes, das schon vor dem Referendum am 1. Oktober, bei dem es hunderte Verletzte durch Polizeigewalt gab, 10.000 Polizist*innen in Katalonien stationierte, Websites geschlossen und Redaktionshäuser gestürmt hatte. Sie geht einher mit der Ankündigung der Regierung von Mariano Rajoy (PP), am Donnerstag den Artikel 155 im Senat abstimmen zu lassen und die Autonomie Kataloniens aufzuheben. Daraufhin würde das Innenministerium die Kontrolle über die katalanische Polizei übernehmen und die katalanische Regierung entmachtet. König Felipe VI. unterstützt dieses Vorgehen.

Diese Repressionswelle gegen das demokratische Recht auf Selbstbestimmung der katalanischen Nation knüpft an die dunkelsten Zeiten der spanischen Geschichte an. Òmnium Cultural, dessen Vorsitzender heute in der Untersuchungshaft sitzt, war schon unter der Franco-Diktatur verboten. Heute fordert der PP-Politiker Pablo Casado, nachdem er schon Carles Puigdemont ins Gefängnis wünschte, Neuwahlen in Katalonien und das Verbot aller Parteien und Organisationen, die für die Unabhängigkeit eintreten. Das würde die aktuelle Parlamentsmehrheit betreffen, die aus den drei Pro-Unabhängigkeitsparteien PDCat, ERC und der CUP besteht. Sie alleine vereinen fast 50 Prozent der Stimmen der vergangenen Regionalwahlen.

Doch auch in Zeiten der „Demokratie“ ist das spanische Regime ein Erzfeind demokratischer Freiheiten und Menschenrechte. Die Richterin Carmen Lamela, die gestern die „Jordis“ in Untersuchungshaft steckte, hat dieses Jahr schon acht Jugendliche aus Alsasua wegen einer Prügelei mit Polizist*innen angeklagt und des „Terrorismus“ beschuldigt. Für die Angeklagten sieht sie Strafen von insgesamt 375 Jahren vor. Währenddessen können die korrupten PP-Politiker*innen und Mitglieder des Königshauses weiterhin ihre Freiheit genießen.

Noch gestern Abend gab es spontane Versammlungen und kleine Demonstrationen auf den Straßen Barcelonas. Heute wurde, in Solidarität, um 12 Uhr die Arbeit niedergelegt und mehrere Großdemonstrationen mit hunderttausenden Demonstrant*innen in Barcelona und anderen katalanischen Großstädten setzten ein klares Zeichen gegen die Verhaftungen und für eine Unabhängigkeit Kataloniens. Angesichts der harten Angriffe organisieren sich die Massen in Katalonien schnell und greifen immer wieder zur Mobilisierung als beste Antwort auf die Repression. Noch frisch sind die Erinnerungen an das Referendum, an dem mehr als zwei Millionen Menschen teilnahmen, und das durch die aktive Verteidigung der Wahllokale und -urnen trotz der Polizeirepression abgehalten werden konnte.

Genauso erinnern sich die Arbeiter*innen an den riesigen Generalstreik vom 3. Oktober, der trotz des Verrats der Gewerkschaftsführungen CCOO und UGT ein großer Erfolg war und ganz Katalonien lahm legte. Auch die Studierenden haben in den vergangenen Wochen durch eine durchgängige Mobilisierung und Organisierung an den Fakultäten und den Universitäten neue Erfahrungen gesammelt. Sie bilden das Potential, angesichts der Rückzieher von Carles Puigdemont und der katalanischen Regierung, demokratische Rechte zu verteidigen, für die Freilassung der politischen Gefangenen zu kämpfen und auch den Willen der katalanischen Bevölkerung, ihre eigene unabhängige Republik zu gründen, auf der Straße durchzusetzen.

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