JOKOLADE, CARE und Co. – Große Worte mit kleinem Inhalt

01.04.2021, Lesezeit 9 Min.
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Der Moderator und Schauspieler Joko Winterscheidt veröffentlicht aktuell seine neue fairtrade Schokolade, die JOKOLADE. Mit dem scheinbar witzigen Konzept verspricht er sich, den Teufelskreis von Niedrigpreisen und Sklaverei zu durchbrechen. Doch der Kapitalismus produziert und reproduziert Ausbeutung, die ohne systemischen Wandel weder von NGOs noch von Einzelpersonen wie Joko Winterscheidt beendet werden kann.

JOKOLADE, mehr als nur ein cooler Name?

Schickes Design, ein vermeintlich cooler Name und spielerische Werbung: Die neue JOKOLADE scheint wie ein wohl durchdachter Marketing-Schlager. Dunkle Schokolade, gepaart mit einer Birnenzubereitung, Browniestücken sowie karamellisierten Mandelstücken – schon die Zutaten machen den Verbraucher:innen ganz klar, dass hier ein hippes Produkt geboren wurde, ein must-have für alle stilbewussten Mate-Trinker:innen. Doch die JOKOLADE soll nicht nur zartschmelzend und lecker sein, sondern auch “fair” produziert werden. Sie bewirbt sich als Glücklichmacher für alle Beteiligten – von der Bohne bis zu deinem Gaume.

Schnell wird klar, dass sich die Produzent:innen und allen voran der Namensgeber Joko Winterscheidt von ihrem Produkt eine ganze Menge erhoffen. Denn er, so schreibt REWE auf der eigenen Website, hat ein Ziel: die Bedingungen in der Kakaoindustrie zu verbessern, um schnellstmöglich in der Schokoladenindustrie 100% fair gehandelten Kakao zum Standard zu machen und das für alle Hersteller. Der Garant für die verbesserten Herstellungsbedingungen ist die Kooperation mit der Firma Tony’s Open Chain. Diese versprechen die Herstellung von Schokolade unter “fairen und menschenwürdigen” Bedingungen, Arbeiter:innen soll nach eigenen Angaben 20% mehr für den Kakao gezahlt werden.

Auf der eigenen Website und auf der Werbeseite von REWE wird dieser Erfolg bereits gefeiert. Die Aktion soll als gutes Beispiel dienen, dass einer Zukunft mit fairen Arbeitsbedingungen als Vorbild dienen soll. Die Eigenbeschreibung wirkt heroisch, JOKOLADE und REWE sind stolz auf das Ergebnis, das sagt: Stück für Stück Glück!

Ein einzelner reicher Medientyp, der in Kooperation mit millionenschweren Lebensmittelgeschäften Sklaverei und Ausbeutung beenden will. Klingt utopisch? Ist es auch. Denn das Konzept von sozialer Veränderung und der Weg zur Gerechtigkeit, den Joko verfolgt, schlägt fehl, weil es die Wurzel der Ausbeutung weder benennen, geschweige denn beenden kann. Das Verständnis schließt sich der Logik vieler NGO’s, einem neoliberalen Verständnis von Gerechtigkeit und Aktivismus an, dass verpasst, die “unfairen” Strukturen systematisch an ihrer Wurzel zu packen. Vielmehr gleicht die Hilfe, die Joko im Sinn hat, einem Tropfen auf dem heißen Stein der kapitalistischen Ausbeutung, die jahrhundertelang von Kapitalist:innen und imperialistischen Mächten produziert und genutzt wurde.

Wie viel Fairness steckt in “fair”?

Das Hauptziel der Kampagne ist nach eigenen Angaben die Sichtbarmachung von Ausbeutung und die Vorbildfunktion für andere Schokoladenproduzent:innen. Außerdem soll der ewige Teufelskreis aus niedriger Bepreisung und der dadurch erzwungenen Sklaverei und Kinderarbeit beendet werden. Damit wird ein klares Ziel verfolgt, das wir im neoliberalen Diskurs oft finden. Die besseren Bedingungen können im Einzelfall erprobt werden, und sollen sich dann immer weiter auf alle anderen ungerechten Fälle ausdehnen. Veränderung beginnen im Individuellen, schon der Kauf der einzelnen Schokolade ist ein politischer Akt, mit dem die Welt verändert werden kann und “faire” Bedingungen ermöglicht werden können.

Doch was versteht Joko eigentlich unter diesem “fair? Die Website der JOKOLADE beschreibt richtig, dass es ausbeuterische Strukturen in der Kakaoproduktion gibt. Aufgrund der niedrigen Einkaufspreise senken die Landbesitzer:innen die Produktionskosten von Kakao auf Kosten der Bauern/Bäuerinnen. Deren Arbeitsbedingungensind so katastrophal, dass die Arbeiter:innen unter menschenunwürdigen Bedingungen beschäftigtwerden, in denen Sklaverei und Kinderarbeit Alltag sind. Recht hat Joko auch damit, dass wir gegen diese Strukturen vorgehen müssen.

Was Jokos Kritik jedoch nicht begreift, ist der Zusammenhang von kapitalistischen Verhältnissen, Niedrigpreisen und Ausbeutung. Folgt man seiner Logik, reichen 20% höhere Bezahlung um die Ausbeutung, Sklaverei und Kinderarbeit zu beenden. Niedrige Preise sind der abstrakte Grund dafür, dass Menschen ausgebeutet werden und wenn wir den Preis erhöhen, beenden wir auch die Ausbeutung.

Marx Analyse von kapitalistischen Produktionsverhältnissen hilft uns jedoch zu verstehen, worin die Ausbeutung liegt. Arbeiter:innen produzieren die Ware, sie bewirten die Felder und produzieren den Kakao, ohne den produzierten Mehrwert selbst zu erhalten. Sie arbeiten zu Hungerlöhnen, während sich gleichzeitig die Besitzer:innen, die Kapitalist:innen diesen Mehrwert aneignen, der zu ihrem Profit wird.

Weil die Verhältnisse in denen Kakao produziert wird auf neo-kolonialen Strukturen basieren, kann viel weniger bezahlt und härter gearbeitet werden. So können sich imperialistische Konzerne, die sich den Großteil des von den Arbeiter:innen erwirtschafteten Mehrwertes aneignen, noch größere Gewinne erzielen. Dadurch wird die Ausbeutung eindeutiger und wirkt unmenschlicher. Tatsächlich existiert sie jedoch in jedem kapitalistischen Produktionsverhältnis, da Kapitalist:innen immer den Mehrwert der Arbeit abschöpfen, um eigene Profite zu erzielen. So funktioniert unser Wirtschaftssystem, so funktioniert das Wachstum von Unternehmen, das Kapitalist:innen in unserer globalisierten Welt auf die Spitze treiben.

Eine faire Produktion gibt es in kapitalistischen Verhältnissen nicht, weil Arbeiter:innen niemals den tatsächlichen Wert ihrer geleisteten Arbeit erhalten. 20% mehr Bezahlung werden also nicht reichen, um imperialistische und koloniale Ausbeutungsstrukturen zu beenden. Die Profitspanne wird dadurch bestenfalls verringert und die Arbeiter:innen können von ihrem Gehalt besser leben, ausgebeutet wird trotzdem.

Wenn sich andere Unternehmen also an Jokos Vorbild orientieren, dann nicht mit der Motivation, die Ausbeutung zu beenden und eigene Profite zu minimieren. Unternehmen werden nach wie vor den maximalen Profit aus der menschlichen Arbeit und den bestehenden neo-kolonialen Verhältnisse zu erzielen. Nur so können sie wachsen und ihr Kapital maximieren. Wenn sie Joko nacheifern, dann nur aus dem Grund, dass sich Produkte mit guter Kampagne besser verkaufen lassen oder an anderen Stellen der Wertschöpfungskette durch Ausbeutung höhere Profite erzielen oder Ausgaben einsparen. Das Argument, dass der Kauf der Schokolade ein politischer Akt sei, macht das Produkt für sie nur attraktiver, weil so Konsument:innen suggeriert wird, dass sie soziale Veränderung bewirken können. Der Wunsch zu Helfen wird selbst zum Produkt, doch an der Ausbeutung verändert sich nichts.

Das Dilemma mit den NGO’s

Der Kapitalismus verursacht täglich Leid und Tod, weil er von seiner inneren Mechanik auf Ausbeutung basiert – er braucht imperialistische und koloniale Ausbeutungsstrategien, um die Profitmaximierung voranzutreiben. Es wird niemals einen fairen, sozialen und nachhaltigen Kapitalismus geben. Genau hier kommen NGOs ins Spiel.

Die systematischen Probleme, die durch die Natur des Kapitalismus verursacht werden, sollen unter dem Deckmantel von humanitären Hilfen auf Organisationen abgewälzt werden. Es wird vermittelt, dass das ganze Leid auf der Welt gelöst werden könnte, wenn nur genug Menschen an gemeinnützige Organisationen spenden. Doch da diese NGOs nicht den Kapitalismus, sondern nur das von ihm verursachte Leid bekämpfen, wird sich auf lange Sicht nichts ändern.

Zudem existieren diese innerhalb des Systems und sind oftmals nicht besonders sozial und nachhaltig, auch wenn sie diesen Anschein nach außen aufrecht erhalten wollen. Das wurde unter anderem am Beispiel der Organisation “CARE” deutlich. Die Kampagne, die in über 100 Ländern weltweit gegen Not, Armut und Ungerechtigkeit vorgeht, zählt heute zu einen der größten privaten Hilfsorganisationen. Ihre Vorsitzende ist Louise Fréchette. Sie selbst war bereits in einige Skandale verstrickt, unterstützte den Golf-Krieg und war in den Skandal um das Öl-für-Lebensmittel-Programm (OFFP) sowie weitere Korruptionsskandale verwickelt. Erst als die Skandale aufgedeckt wurden, trat sie zurück, während sie zuvor lange Zeit alsAushängeschild einer vermeintlich humanitären Organisation auftrat.

Das Beispiel macht klar, dass NGOs die Krisen und Probleme des Kapitalismus nicht bekämpfen können, weil sie selbst Teil der Strukturen sind. Stattdessen werden CARE, JOKOLADE und viele weitere zu vermeintlich humanitären Marken, die Kapitalist:innen dazu dienen, ihr Image zu verbessern. Sie greifen den Wunsch der Menschen auf, die offensichtliche Ungerechtigkeit zu beenden, weshalb sie oft so erfolgreich sind. Die Wurzel der Probleme bekämpfen sie jedoch nicht, sie agieren lediglich an der Oberfläche.

Das große Problem liegt nicht in der Wertschöpfungskette, es liegt im Kapitalismus

Die Aufgabe, die Joko verfolgt, kann im kapitalistischen System niemals erfüllt werden. Er mag mit seiner Aktion die Lebensrealität einiger Arbeiter:innen zwar verbessern, jedoch wird er das System, dass von Sklaverei und Ausbeutung lebt, nicht ändern können. Er selbst behauptet, “das große Problem liegt in der Wertschöpfungskette: Es beginnt bei Millionen von Bauern in Westafrika, die den Kakao produzieren, und endet bei Milliarden von Genießern, die die Schokolade im Handel kaufen. Dazwischen stehen nur wenige Firmen, in deren Hand es liegt, eine wirkliche Veränderung herbeizuführen.”

Damit liegt er falsch. Die einzig wirkliche Veränderung kann im Umbruch entstehen, im Kampf gegen die kapitalistische Produktion, die auf Ausbeutung und Unterdrückung basiert. Diesen Kampf werden die Unternehmen selbst niemals führen, er muss gegen sie geführt werden. Dieser Kampf liegt auch nicht in der individuellen Kaufentscheidung, weil es im Kapitalismus keine faire Produktion und keinen ethischen Konsum gibt. Dieser Kampf kann nur ein Kampf gegen das System sein, den nicht die Unternehmen, sondern nur Arbeiter:innen gemeinsam führen können. Dafür braucht es die internationale Solidarität aller Arbeiter:innen, die gemeinsam gegen die imperialistischen Konzerne kämpfen, die Profite in anderen Ländern machen.

Nur wenn die Arbeiter:innen gemeinsam gegen die Ausbeutung kämpfen, kann das Ziel erreicht werden. Verbündete dafür sind keine reichen Medienmenschen, keine hippen Unternehmen und keine pseudo Kampagnen und NGO’s. Verbündete in diesem Kampf sind nur die Arbeiter:innen und Unterdrückten aller Länder.

Zum Weiterlesen: Kolonialismus im Kapitalismus

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