Interview: Revolutionäre Abgeordnete in Argentinien

02.02.2014, Lesezeit 4 Min.
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Parlamentsabgeordnete in Argentinien genehmigen sich Erhöhung, während die arbeitende Bevölkerung unter Inflation leidet. Doch einige Abgeordnete verzichten auf mehr als 80% ihrer Diäten. Ein Gespräch mit Nicolás del Caño (33), Abgeordneter der Front der Linken und ArbeiterInnen (FIT) für die Provinz Mendoza im argentinischen Kongress und Mitglied der Partei Sozialistischer ArbeiterInnen (PTS).

Seit Dezember letztes Jahres bist du Abgeordneter im nationalen Kongress. Wie ist dieser Job im Vergleich zu anderen Beschäftigungen in Argentinien?

Die Diäten der Abgeordneten und die Löhne der politischen FunktionärInnen in Argentinien stehen in keiner Verbindung zum Gehalt eines/r durchschnittlichen Arbeiters/in. PolitikerInnen kriegen Millionen, während die Hälfte der Lohnabhängigen weniger als 4.000 Pesos im Monat verdient (370 Euro). 80 Prozent der RentnerInnen bekommen nur die Mindestrente von 2.800 Pesos (260 Euro). Pro Kind erhält man eine staatliche Zuweisung von umgerechnet 42 Euro. Alle, die von ihrer Arbeitskraft leben müssen, haben allein in den letzten drei Monaten rund 20 Prozent ihrer Kaufkraft durch die Inflation verloren.

Und ausgerechnet jetzt soll es eine Diätenerhöhung gegeben?

Vor einigen Tagen haben die Behörden eine Erhöhung angekündigt. Alle Abgeordneten und SenatorInnen werden auf 50.000 Pesos im Monat (4620 Euro) kommen. Darüber hinaus gibt es weitere Privilegien für Abgeordnete wie Flug- und Bustickets sowie Zuschüsse für Personal, Büros usw.

Diese Erhöhung wurde kurz vor Beginn der Tarifrunde angekündigt, in der die Löhne der verschiedenen Berufsgruppen ausgehandelt werden. Sowohl UnternehmerInnen wie Regierung wollen eine Obergrenze für Lohnerhöhungen durchsetzen, um den Kaufkraftverlust der Lohnabhängigen zu zementieren.

Wie viel verdient im Vergleich eine Grundschullehrerin in Argentinien?

Eine Lehrerin mit neun Jahren Berufserfahrung bekommt 3.835 Pesos in die Tasche – also 7,7 Prozent der Summe, den die Abgeordneten ab Februar erhalten werden. Warum soll ein Abgeordneter – von den FunktionärInnen nicht zu reden – dreizehnmal soviel verdienen wie eine Lehrerin? Eine Forderung unseres Wahlkampfes lautete: Jede/r politische/r Funktionär/in soll soviel verdienen wie ein/e Lehrer/in.

Wie viel verdienen also die Abgeordneten der FIT?

Im Sinne unserer Wahlversprechen behalten wir nur 8.500 Pesos, die aktuellen Lebenskosten einer vierköpfigen Familie. Außerdem werden wir die Mandate rotieren lassen, damit die drei Organisationen in der Front sich alle Posten teilen. Letztes Jahr war Raul Godoy Abgeordneter im Parlament der Provinz Neuquén. Er bekam den gleichen Lohn wie eine Lehrerin, und nach einem Jahr kehrte er zu seiner Arbeit in der Keramikfabrik Zanon zurück, die unter ArbeiterInnenkontrolle steht.

Was passiert mit dem restlichen Geld der Diäten?

Der Rest von den 50.000 Pesos geht an einen Fonds, um die Kämpfe der ArbeiterInnen zu unterstützen. In den letzten Wochen spendeten wir mehrere Flugtickets zur Unterstützung der Kampagne für die Freilassung der Ölarbeiter in der Provinz Santa Cruz im Süden des Landes. Sie waren zu lebenslanger Haft verurteilt worden, weil sie an einem sechsjährigen Kampf gegen die Lohnsteuer teilgenommen haben.

Wir spendeten 10.000 Pesos für den Kampf der Kommunalbeschäftigten des Departamentos Lavalle in Mendoza. Auch die jungen ArbeiterInnen der Elektronikfabrik Liliana SRL bekamen 10.000 Pesos. Spenden gab es ebenfalls für die Entlassenen aus dem Textilunternehmen Elemento oder dem deutschen Autozulieferer Kromberg und Schubert, die ihre Arbeitsplätze verloren, weil sie sich gegen schlechte Arbeitsbedingungen organisiert hatten. Regelmäßig werden wir im Internet veröffentlichen, was wir mit dem Geld machen.

Wie geht das weiter?

Wir werden ein Gesetzesprojekt einbringen, dass kein/e politische/r Funktionär/in mehr verdienen darf als ein/e Lehrer/in. Letztes Jahr in Neuquén konnten wir bereits zusammen mit der LehrerInnengewerkschaft eine große Kampagne machen.

Die Erklärung für die Millionengehälter ist auch sehr einfach: Die PolitikerInnen werden dafür belohnt, dieses System der Ausbeutung aufrechtzuerhalten, in dem man die Kosten der Krise den ArbeiterInnen aufbürdet. Deswegen sagen wir, dass die aufgeblähten Löhne der FunktionärInnen ganz klar ein Mechanismus gegen die ArbeiterInnen ist.

Wir hoffen, dass dieses Gesetzesprojekt von allen ArbeiterInnenorganisationen aufgegriffen wird, damit sie es auf der Straße durchsetzen können. Die Resonanz im Fernsehen und in den sozialen Medien war riesig. Eine Umfrage im Internet ergab, dass 76 Prozent der TeilnehmerInnen diesen Vorschlag befürworten.

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