Interview: Die Beschäftigten im Tierpark Hagenbeck treten in den Streik

27.08.2023, Lesezeit 4 Min.
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Foto: Wirestock Creators // shutterstpck

In der Belegschaft des Tierpark Hagenbecks in Hamburg gibt es große Ungleichbehandlung durch die Geschäftsführung. Deshalb streiken die Beschäftigten ab Montag unbefristet für einen Tarifvertrag. Interview mit Thomas Günther, seit 34 Jahren Beschäftigter beim Tierpark und Vorsitzender des Betriebsrats, über den kommenden Streik.

Ab Montag treten die Beschäftigten des Tierpark Hagenbeck in einen unbefristeten Streik. Was sind eure Forderungen? 

Wir fordern als Belegschaft einen Rahmentarifvertrag, der rechtsverbindlich die Anzahl der Urlaubstage, wöchentliche Arbeitszeit sowie Jahressonderzahlungen wie das Weihnachtsgeld oder Urlaubsgeld regelt.

Kannst du ein konkretes Beispiel für diese Ungleichbehandlung geben? 

Urlaub ist hierfür ein gutes Beispiel: Unter der aktuellen Geschäftsführung gibt es in Arbeitsverträgen neuerdings 20 Urlaubstage sowie 10 Zusatzurlaubstage. Das gab es früher nicht, sondern jeder Mitarbeiter* hat 30 Urlaubstage erhalten. Herr Dr. Albrecht hat in seinem öffentlich gemachten Aushang auf genau diese “freiwilligen” Urlaubstage hingewiesen, welche er ggf. kürzen will.

Zudem ist es aktuell beim Urlaubsgeld so geregelt, dass gewerbliche Arbeitnehmer 15€ pro Urlaubstage als Urlaubsgeld erhalten, Angestellte hingegen ein Urlaubsgeld in Höhe von 3,5% ihres Jahresverdienstes. Das bedeutet, dass das Urlaubsgeld in der Regel bei Angestellten höher ist und darüber hinaus auch bei jeder Lohn- bzw. Gehaltserhöhung steigt, bei den gewerblichen Arbeitnehmer aber nicht. Wenn das keine Ungleichbehandlung ist, was ist das dann?

Euer Chef gibt ziemlich haarsträubende Erklärungen in der Presse ab: Der Streik würde die Tiere gefährden, und er will eine Anzeige gegen euch erstatten. Ist dieser Ton typisch für den Umgang mit Mitarbeitenden in dem traditionsreichen Zoo? 

Ich würde gerne sagen, dass der Ton untypisch ist, leider kommen uns aber immer wieder Dinge zu Ohren, die tonmäßig in diese Richtung gehen.

Ganz aktuell z.B. in dem Schreiben an die IG BAU bzgl. des Streiks. Dort ist zu lesen:

“Tierpfleger sind Mitarbeiter, die gelernt haben, die ihnen anvertrauten Tiere zu versorgen und zu beobachten, die für den von der IG BAU geplanten Notfallplan notwendigen fachlichen Kenntnisse… haben diese Mitarbeiter demgegenüber nicht.“

Das ist in meinen Augen eine Beleidigung für jeden Tierpfleger, da uns hiermit die Kompetenz abgesprochen wird. Das wäre in etwa so, als wenn man einem Feuerwehrmann bzw. einer Feuerwehrfrau sagen würde, sie könnten einen Brand nicht bekämpfen. Wir Tierpfleger wissen sehr genau, wie wir unsere Tiere zu versorgen haben.

Wie wird der Streik ablaufen — für euch, für die Tiere und für die Besucher:innen?

Die Tiere werden die notwendige Versorgung auch während des Streiks erhalten, die Besucher werden vermutlich das ein oder andere mitbekommen. Viele unserer Besucher stehen hinter uns Mitarbeitern, was wir auch jeden Tag im Tierpark zu hören bekommen.

Ganz ohne Einschränkungen wird es aber nicht gehen.

Zoos sind nicht bekannt für große gewerkschaftliche Kämpfe. Ich habe nach dem letzten unbefristeten Streik in einem deutschen Zoo gesucht und nichts gefunden. Weißt du, wann das war? Oder betretet ihr Neuland? 

Das weiß ich tatsächlich nicht. Für uns ist es auf jeden Fall Neuland. Dr. Albrecht selbst hat gesagt, dass es sowas in der Geschichte des Tierpark Hagenbeck nicht gegeben hat.

Das ist richtig, es war bisher aber auch nicht nötig und wäre es auch jetzt nicht, wenn Dr. Albrecht zu Verhandlungen bereit wäre.

Wie habt ihr euch in den letzten Jahren organisiert? Wie seid ihr zur IG BAU gegangen? 

Es gab unter der jetzigen Geschäftsführung große Konflikte mit dem Betriebsrat, z.B. im Zusammenhang mit Kurzarbeit während der Corona-Pandemie. Wir haben uns damals Rechtsbeistand bei der IG BAU gesucht, da dies die für uns zuständige Gewerkschaft ist. Die städtischen Zoos sind meines Wissens alle bei Verdi organisiert, wir sind jedoch ein privater Zoo.

Die Gewerkschaft war seit dem 24/7 für uns da und hat uns auch an Wochenenden oder sogar Feiertagen immer geholfen, wofür wir unglaublich dankbar sind.

Seitdem ist die Zusammenarbeit immer weiter gewachsen und wir haben schon viele Dinge gemeinsam erreicht. Ein Tarifvertrag ist nun der nächste große Schritt.

Was können Zoo-Fans in Hamburg tun, um Euch zu unterstützen? Was können wir von außerhalb tun? 

Unsere Petition zeichnen ist hier glaube ich der einfachste und effektivste Weg:

Oder andere Kanäle wie Facebook, Emails etc. nutzen und die Geschäftsführung auffordern, ihre Blockadehaltung aufzugeben. Denn die Besucher sind die “Kunden” des Tierparks, und auf die Wünsche seiner “Kunden” sollte man hören. Auf die Wünsche seiner Mitarbeiter aber auch!

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