Interview: ArbeiterInnen von Donnelley übernehmen ihre Fabrik

19.08.2014, Lesezeit 4 Min.
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ArbeiterInnen einer US-amerikanischen Druckerei in Buenos Aires besetzen den Betrieb und produzieren weiter. Ein Gespräch mit Leo Améndola, Mitglied der Partei ­Sozialistischer ArbeiterInnen (PTS) in ­Argentinien. Kürzlich sprach er auf einer ­Veranstaltung in Berlin.

Am vergangenen Montag kündigte die US-amerikanische Druckerei Donnelley die Schließung ihres Standorts in Buenos Aires an. Wie kam es zu dieser Situation?

Die Geschäftsführung von Donnelley hatte eine sogenannte „krisenvorbeugende Maßnahme“ angekündigt: Aufgrund von wirtschaftlichen Problemen müssten sie angeblich einen großen Teil der Belegschaft entlassen. Diese Maßnahme wurde vom Betriebsrat, dem Arbeitsministerium, der Gewerkschaft und dem Provinzparlament von Buenos Aires abgelehnt – denn jeder weiß, dass das Unternehmen allein im letzten Jahr mehr als 218 Millionen Dollar Gewinn gemacht hat. Nachdem es schon unter den ArbeiterInnen der Druckerei Gerüchte gegeben hatte, entschied das Management am vergangenen Montag, die Fabrik zu schließen und informierte die ArbeiterInnen mit einem Zettel am Eingangstor darüber.

Wie reagierten die ArbeiterInnen auf die Schließung?

Die Antwort der Beschäftigten war schlagkräftig. Sie debattierten in einer Vollversammlung, an der alle 400 ArbeiterInnen teilnahmen, und in weniger als 24 Stunden entschieden sie sich, die Kontrolle über die Fabrik zu übernehmen und weiterzuproduzieren. Eine Gruppe von KollegInnen kontaktierte die Kunden, um anzukündigen, dass die Fabrik ihre Aktivität nun unter ArbeiterInnenkontrolle weiterführen würde, weil die UnternehmerInnen sich zurückgezogen haben.

Diese schnelle Antwort kam deshalb, weil die ArbeiterInnen sich seit einiger Zeit verstärkt organisieren. Der Betriebsrat der Druckerei, der regelmäßige Vollversammlungen mit allen ArbeiterInnen durchführt, hatte diese Möglichkeit schon im Vorfeld evaluiert, weshalb im Moment der Schließung des nötige Organisationsniveau existierte, um die Produktion zu übernehmen.

Was hat die argentinische Regierung von Cristina de Fernández gesagt?

Die Regierung positioniert sich inzwischen als Feindin Nummer eins der ArbeiterInnen, die sich gegen Entlassungen und Kurzarbeit wehren. Sie lässt keine Gelegenheit ungenutzt, um die ArbeiterInnenbewegung und die Linke anzugreifen. In ihren Reden sagt sie, dass man geduldig sein müsse, dass man nicht »alles fordern« könne, und dass die Situation des Landes gut sei. Sie meint, dass jene ArbeiterInnen, die Aktionen gegen ihre Bosse durchführen, unverantwortlich handeln würden.

Im Fall von Donnelley muss allerdings selbst die Präsidentin anerkennen, dass die Haltung des Unternehmens absolut ungerechtfertigt ist. Die Regierung sagte deshalb öffentlich, dass sie bereit wäre, das Antiterror­gesetz auf das Unternehmen anzuwenden, weil es das Land wirtschaftlich destabilisiere. Wir glauben, dass es ein Versuch ist, ein reaktionäres Instrument wie das Antiterrorgesetz zu legitimieren, welches später auch gegen die ArbeiterInnen angewandt werden kann. In bezug auf die Arbeitsplätze gab die Präsidentin keine Antwort, sondern beschränkte sich darauf, die Handlungen des Unternehmens zu verurteilen.

Wie funktioniert die Produktion unter ArbeiterInnenkontrolle in diesen ersten Tagen?

Die Produktion läuft, und die ersten Lieferungen an die KundInnen, für die schon Bestellungen vorlagen, wurden eingehalten. Die KollegInnen ließen schnell die Maschinen anlaufen. Die ArbeiterInnen haben aber auch schon diskutiert, dass der einzige mögliche Ausweg unter Kontrolle der Belegschaft eine Verstaatlichung der Fabrik sei. Das ist eine Forderung, auf die die Regierung schnell antworten müsste.

Verbinden die Arbeiter ihren Kampf mit anderen aktuellen Arbeitskämpfen?

Am Samstag wurde ein Treffen zwischen den ArbeiterInnen von Donnelley und den ArbeiterInnen des Autoteile­herstellers Lear veranstaltet, die sich auch im Konflikt gegen Entlassungen seitens der Geschäftsführung befinden. Diese Koordination der Kämpfe ist sehr wichtig, um in beiden Auseinandersetzungen solidarisch zu handeln. Gleichzeitig geben die ArbeiterInnen eine starke Botschaft an die UnternehmerInnen und die Regierung, dass es im Fall von harten Angriffen auch harte Antworten geben wird. Der Slogan des Treffens war: „Familien auf der Straße: Nie wieder!“

dieses Interview in der jungen Welt

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