„In keinem meiner Jobs hat die Polizei Menschen in Krisen geholfen“

12.05.2022, Lesezeit 6 Min.
1
Lea beim Krankenhausstreik in Berlin im Oktober 2021. Bild: Simon Zinnstein (KGK)

Auch in Berlin fand gegen die tödliche Polizeigewalt in Mannheim Protest statt. Als Sozialarbeiterin sprach Lea über ihre Erfahrungen mit Polizeigewalt im Kapitalismus. Außerdem kritisierte sie die Rolle der Partei DIE LINKE in Berlin für den Ausbau der Polizei. 

In Reaktion auf den mutmaßlichen Polizeimord in Mannheim am 2. Mai fanden vergangene Woche bundesweit Proteste statt. Auch in Berlin wurde gegen Rassismus und Polizeigewalt demonstriert. Für Klasse Gegen Klasse hielt Lea eine Rede, in der sie als Sozialarbeiterin den Umgang der Polizei mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen erlebt hat. Wir dokumentieren die Rede hier im Wortlaut:

Hallo ich bin Lea, ich bin Sozialarbeiterin und von RIO, der Revolutionären Internationalistischen Organisation.

Am 1. Mai hat Berlins Bürgermeisterin Franziska Giffey der Berliner Polizei gedankt, gerade für ihre Arbeit am 1. Mai abends in Kreuzberg.

Sie hat in ihrem Statement davon gesprochen, dass am 1. Mai Protest dazu gehöre, aber Gewalt nicht, während sie und ihre Partei es sind, in deren Namen die Polizei Gewalt in Berlin ausübt und das nicht nur am 1. Mai, sondern an allen anderen Tagen im Jahr.

Während Franziska Giffey davon spricht, dass die Polizei ihre volle Solidarität hat, kommt diese am selben Abend mit Pfefferspray und ermordet kurz danach am 2. Mai einen Mann – schon wieder.

Doch es sind nicht nur Giffey und die SPD, die diese rassistische Gewalt tragen – hier in Berlin ist es der rot-rot-grüne Senat, der das genauso mitträgt.

Es ist der rot-rot-grüne Senat, der die rassistischen Razzien mitträgt.

Es ist der rot-rot-grüne Senat, der es genehmigt, eine Polizeiwache am Kotti für voraussichtlich 2,5 Millionen Euro zu bauen, statt der ursprünglich geplanten 250.000 Euro – wer garantiert uns, dass das die einzige neue Wache bleibt?

Der rot-rot-grüne Senat, in dem die Grünen sitzen, die sich in Hessen weigern, die NSU-Akten freizugeben.

Genauso wie die SPD und die Grünen, die die unglaubliche Aufrüstung der deutschen Armee von 100 Milliarden Euro mittragen. Für Polizei und Bundeswehr, für Gewalt, ist immer Geld da. Beziehungsweise für das Geld, das in Gewalt gesteckt wird, verkündet Christian Lindner fröhlich im Frühstücksfernsehen, müssen die Arbeiter:innen einfach mehr Überstunden machen.

Und das, während uns immer gesagt wird, dass kein Geld da sei für soziale Projekte, die Menschen mit psychischen Erkrankungen wirklich mehr Hilfe und Sicherheit bieten könnten, als das die Polizei je könnte. Ich bin Sozialarbeiterin, und in keinem der Jobs, in denen ich je gearbeitet habe, hat die Polizei den Menschen geholfen, wenn sie Krisen hatten. Und in allen Situationen, in denen ich mit Menschen in psychischen Ausnahmezuständen zu tun hatte, in der Wohnungslosenhilfe, in der Suchtberatung, in der Jugendarbeit haben meine Kolleg:innen und ich das ohne Polizei geschafft, auch wenn die Personen vielleicht aggressiv waren. Ich hab das auf der Arbeit erlebt, dass Personen schreien und aggressiv sind, weil sie in psychischen Krisen sind, weil sie unter Drogeneinfluss stehen – und meine Kolleg:innen bekommen das hin, sind den Menschen eine Hilfe, ganz ohne Waffen, ganz ohne Gewalt.

Und deswegen find ich das nochmal krasser, das der rot-rot-grüne Senat den Ausbau der Polizei so mitträgt, dass das die Führung Linkspartei dort größtenteils stillschweigend hinnimmt zu Gunsten von Regierungsbeteiligungen.

Denn das spiegelt null das wieder, was man hier bei der Basis der Linkspartei sieht, was wir bei den Menschen aus DIE LINKE Neukölln sehen, was wir in der linksjugend [’solid] sehen und in anderen Gruppen – nämlich, dass die Leute, die nicht in der Führung sind, auf die Straße gehen gegen Rassismus und antirassistisch kämpfen.

DIE LINKE ist in Worten sowohl gegen die rassistische Polizeigewalt als auch gegen die Aufrüstung, sitzt aber mit SPD und Grünen im Senat, die die Polizei ausbauen und für Aufrüstung sind. Wie kann das sein?!

Und deswegen möchte ich an alle Menschen, die in Strukturen der LINKEN aktiv sind, appellieren: Bringt das Thema in eure Ortsgruppe, überzeugt eure Genoss:innen und fordert eure gewählten Vertreter:innen dazu auf, sich zu bewegen. Mobilisiert für die geplante Demo gegen Aufrüstung, denn die Aufrüstung, die im Äußeren geplant ist, wird, und da bin ich mir sicher, auch die Polizeigewalt im Inneren krass stärken.

Rassistische Polizeigewalt wird nicht enden, wenn der Polizei scheinheilig ein neuer Anstrich verpasst werden soll durch irgendwelche Aufklärungs-Workshops oder eine Diversity-Kampagne. Ein Ende der rassistischen Polizeigewalt kann nur geschehen, indem die Polizei abgeschafft wird!

Denn die Polizei war nie dazu da uns zu schützen. Sie macht genau das, was sie tun soll: Sie nützt den Reichen beim Schutz von Privateigentum, sie nützt den Politiker:innen beim Durchsetzen ihrer rassistischen Politik – doch für uns war und ist sie nie eine Sicherheit, sondern eine weitere Gefahrenquelle.

Wir fordern eine unabhängige Untersuchungskommission, die sich aus Betroffenen von Polizeigewalt und deren Angehörigen, Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften zusammensetzt.

Doch wir müssen auch wissen, die Polizei kann nicht reformiert werden. Jeder Mord, jeder Todesfall in Polizeigewahrsam, und das sind schon 182 offiziell vermerkte seit 1990, ist kein Einzelfall, sondern hat System.

Im Kapitalismus braucht es die Polizei, um die gewaltvollen Interessen einiger Weniger gegen die Mehrzahl von uns allen durchzusetzen. Und dieses System, das auf der Ausbeutung von uns allen fundiert, braucht Rassismus, um zu funktionieren.

Und deshalb müssen wir, wenn wir die Abschaffung der Polizei und ein Ende aller rassistischer Gewalt fordern, auch klar sagen, dass wir dafür diesem System, dass wir dafür dem Kapitalismus den Kampf ansagen müssen.

Weil in einem System, das nur mit Gewalt funktioniert, wir nie ein Ende dieser ermöglichen.

No justice no peace, abolish the police – Nieder mit dem Kapitalismus!

Mehr zum Thema