Hohes Infektionsrisiko, Personalmangel & Mindestlohn – Arbeiten in der Gastronomie

18.04.2022, Lesezeit 5 Min.
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In diesem Gastbeitrag spricht Maxi Schulz, Mitglied der Gewerkschaft NGG und Beschäftigter in der Gastronomie, über die Probleme im Arbeitsalltag der Gastronomiebeschäftigten und eröffnet die Perspektive eines gemeinsamen Kampfes um bessere Arbeitsbedingungen in ihrer Branche.

Die Gastronomie-Branche ist sehr divers, Beschäftigte sehen sich unterschiedlichen Problemen ausgesetzt. Das Ausliefern von Essen bei Lieferando auf dem Fahrrad ist zum Beispiel wesentlich gefährlicher als die Arbeit in einer Bäckerei. Der Kellner in einem schicken Restaurant mit viel Platz ist wahrscheinlich einem geringeren Infektionsrisiko mit dem Coronavirus ausgesetzt, als die Bartenderin in einer vollen Raucherbar. Es gibt neben diesen Unterschieden aber auch viele Gemeinsamkeiten.

Das Arbeiten in der Gastronomie ist in der Regel sehr anstrengend und stressig, oftmals gibt es in der gesamten Schicht keine Pausen, Arbeitszeiten sind sehr flexibel, Viele werden in Minijobs gedrängt, Nachtschichten und Arbeiten am Wochenende, sowie Feiertagen sind Normalität und die körperliche Belastung ist hoch. Trotzdem sind die Löhne in dieser Branche besonders niedrig. Über 60 Prozent verdienen weniger als 12 Euro die Stunde. In Bäckereien zum Beispiel, wo es auch quasi kein Trinkgeld gibt zahlen viele Unternehmen nur wenige Cent über dem Mindestlohn. Das für viele in der Gastronomie überlebenswichtige Trinkgeld hat sich im Zuge der Corona Krise zusätzlich verschlechtert. In den Hochphasen der Pandemie, wo weniger Gäste kamen war mein Trinkgeld um etwa 70% niedriger als zu “normalen Zeiten”. Auch jetzt, wo bei allen die Lebenshaltungskosten steigen wird das Trinkgeld für viele nicht den Ausgleich schaffen können, den sie benötigen, um sich ihr Leben leisten zu können.

Die Pandemie hat neben Gehalts- und Jobverlusten noch viele weitere Probleme gebracht. Beschäftigte in der Gastronomie sind einem besonders hohen Risiko ausgesetzt, sich zu infizieren. Nun wurde in den meisten Bundesländern entschieden, sämtliche Maßnahmen, die uns Angestellte bei der Arbeit schützen können fallen zu lassen. Gefühlt waren wir über Jahre hinweg die Sonderbeauftragten des Staates, wenn es darum ging Hygieneregeln zu erklären und durchzusetzen. Nun hat sich die Regierung dazu entschieden uns zu durchseuchen und wir in der Gastro sind davon massiv betroffen. An nahezu jedem Arbeitstag habe ich Kontakt zu infizierten Personen.

Durch die Pandemie entstand auch ein massiver Personalmangel, den die Beschäftigten die in der Branche geblieben sind mit weniger Urlaub und Überstunden bezahlen durften. Bereits vor der Corona Pandemie waren die Arbeitsverhältnisse für viele unzumutbar. Dafür spricht zum Beispiel, dass im Schnitt die Hälfte aller Köche/Köch:innen ihre Ausbildung abbrechen.

Des Weiteren steigen nun die Lebensmittelpreise extrem an. Das betrifft nun nicht nur uns, sondern auch die Unternehmen, die sich gezwungen sehen, mehr Geld in die Ware zu investieren, um den Betrieb am Laufen zu halten. Dadurch wird in den meisten Betrieben weniger Geld in das Personal investiert. Für uns steigen die Lebenshaltungskosten ja auch, aber mehr Gehalt steht erst einmal kaum in Aussicht. Die steigenden Preise, verursacht durch die Krise des kapitalistischen Systems, werden von den Inhaber:innen auf die Beschäftigten und Kund:innen abgeladen.
Inwieweit kann es nun sinnvoll seien, dass wir uns organisieren?

Für Arbeiter:innen in größeren Branchen und Betrieben, die als Teil der Gastronomie gesehen werden, gibt es viele Beispiele, wie über Streiks bessere Löhne und Arbeitsbedingungen erkämpft wurden. So konnten Anfang des Jahres beispielsweise die Beschäftigten der Brotindustrie Ost durch Streiks höhere Löhne, eine höhere Ausbildungsvergütung und eine Corona-Prämie erkämpfen. Die Gewerkschaft können auch wir in der Gastronomie als “Organ unseres Kampfes” begreifen, dabei ist es aber auch wichtig, Strukturen aufzubauen, die sich falls notwendig gegen die Gewerkschatfsführungen stellen, die oft genug unsere Kämpfe bremsen, bevor sie dem Kapital gefährlich werden können.

Auch die Kämpfe der Beschäftigten von Lieferando und Gorillas, obwohl diese bisher nicht zu wesentlichen Verbesserungen geführt haben, sind wichtig. Sie bilden eine Art Leuchtturmfunktion. Sie können so, auch wenn die Posten der Beschäftigten das kapitalistische System nicht lahmlegen können, einen entscheidenden, mobilisierenden und vereinenden Beitrag zum Klassenkampf leisten.

Doch auch die Beschäftigten in kleineren Betrieben müssen sich organisieren, denn unsere Löhne und Arbeitsbedingungen werden sich durch die Krise des Kapitalismus nur weiter verschlechtern. Es liegt an uns für eine Alternative zu diesem System und für unser Handwerk, welches viele von uns trotz der harten Bedingungen mit viel Leidenschaft ausüben, zu kämpfen. Im Zuge dessen rufe ich alle Kolleg:innen dazu auf sich an den Protesten am 1. Mai zu beteiligen.

In Berlin wird es auf der DGB Demo einen klassenkämpferischen Block geben, an dem sich auch die Vernetzung für Kämpferische Gewerkschaften beteiligt. Treffpunkt ist um 10 Uhr am Alexanderplatz.

Danach sehen wir uns im klassenkämpferischen Block bei der Revolutionären 1. Mai Demonstration. Wir treffen uns dafür um 16:30 Uhr am Hertzbergplatz.

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