die Stellungnahme der basisdemokratischen Gewerkschaftsgruppe ver.di aktiv." /> die Stellungnahme der basisdemokratischen Gewerkschaftsgruppe ver.di aktiv." />

Hin zu politischen Streiks!

05.02.2019, Lesezeit 8 Min.
1

In Zeiten des anhaltenden Rechtsrucks ist es notwendig, gewerkschaftliche Kämpfe an der Basis zu verbinden und für das politische Streikrecht zu kämpfen. Wir spiegeln hier die Stellungnahme der basisdemokratischen Gewerkschaftsgruppe ver.di aktiv.

Neben der TV-L Runde stehen auch bei der BVG aktuell Tarifverhandlungen an. Am Dienstag sind bereits mehrere Tausend Erzieher*innen und Beschäftigte der Hochschulen in den Streik getreten. Auch bei der BVG brodelt es gewaltig unter den Kolleg*innen, sodass es auch dort demnächst zu Streiks kommen könnte. Doch damit diese Kämpfe erfolgreich sind, müssen sie zusammengeführt werden. Einerseits für mehr Lohn, für konkrete Verbesserungen unserer aktuellen Lebenssituation, andererseits müssen wir aber auch gegen eine Politik kämpfen, die seit Jahren Lohndumping, Outsourcing, Befristungen usw. ermöglichten. In beiden Fällen gibt es permanente Zusammenhänge und Gemeinsamkeiten, diese äußern sich in der Tatsache, dass der Gleiche Senat die Finanzhoheit beider Seiten ausübt. Sparzwänge, die es gegeben hat, müssen gemeinsam angegangen und beseitigt werden, insbesondere die Frage warum wurde und wird gespart. Gegen diese Politik müssen wir gemeinsam Stellung beziehen sowie den Kampf für Veränderungen aufnehmen.

Vor allem für wen?
Im tarifpolitischen Programm von 2017 von Ver.di heißt es unter anderem.„Solidarische Tarifpolitik ist ein auf Gleichheit und Leistungsgerechtigkeit zielendes tarifpolitisches Handeln, das der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich entgegen wirkt, das Arbeitslosigkeit abbaut, das Chancen für benachteiligte Beschäftigte verbessert und Diskriminierungen beseitigt. Sie ist ein Kernstück des tarifpolitischen Verständnisses der ver.di.“

Streiks im Sozial- und Erziehungsdienst

Die Erzieher*innen haben am Dienstag den Anfang gemacht. Neben Lohnerhöhungen und einer Einmalzahlungen, hat dieser Streik auch politische Dimensionen. Denn erstens arbeiten rund 80 Prozent Frauen in diesem Sektor, in dem besonders schlechte Arbeitsbedingungen herrschen. Trotz Tarifbindung verdienen Erzieherinnen sogar immer noch rund sieben Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Immer noch gehen Frauen nach der Geburt eines Kindes öfter in Teilzeit, weil Kindererziehung auch heute leider immer noch in erster Linie von Frauen erledigt wird. Der Lohnverlust, der damit einhergeht ist enorm und schafft wirtschaftliche Abhängigkeit zum Partner. Deshalb reicht es nicht, nur „Gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ in Tarifverträgen festzuschreiben. Wir brauchen eine tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern. Zum Beispiel durch Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohnausgleich statt Teilzeit oder Kurzarbeit.

BVG

Die diesjährige Manteltarifrunde bei der BVG hat eine gewisse Sprengkraft. Denn die Arbeitsbedingungen sind über die letzten 15 Jahre krass verschlechtert worden. Neubeschäftigte verdienen im Gegensatz zu Altbeschäftigten weniger, haben eine höhere Wochenarbeitszeit und keinen Anspruch auf Urlaubsgeld. All diese Dinge wurden den Beschäftigten mit dem Tarifvertrag Nahverkehr (TV-N) 2005 genommen. Diese Errungenschaften müssen wir uns zurückholen. Jahrelanges Füße still halten hat zur Krise geführt, die wir aktuell bei der BVG haben und die nicht nur zu Lasten der Kolleg*innen geht, sondern zu Lasten aller Berliner*innen, die sich zu Recht über verspäte oder ausfallende Züge aufregen. Die Geschäftsführung und der Senat werden jedoch wohl kaum etwas daran ändern. Dafür brauchen wir auch bei der BVG Streiks in allen Bereichen, um den Druck auf die BVG und den Senat zu erhöhen. Immerhin ist auch die BVG ein landeseigenes Unternehmen. Ein solcher Kampf muss auch die zahlreichen Subunternehmen mit einbeziehen, die von der BVG zum Beispiel zur Gebäudereinigung angeheuert werden. Die Beschäftigten dort werden tagtäglich von ihren Bossen verarscht, Tarifverträge werden umgangen und Kolleg*innen über ihre Rechte im Unwissen gelassen. Insofern wäre auch eine Zusammenführung mit den kommenden TV-L-Streiks ein machtvolles Mittel, um die Forderungen aller Beschäftigten durchzusetzen. Denn letztlich ist auch das ein politischer Kampf gegen Lohndumping, Ausgliederung und Angriffe auf die Rechte aller Beschäftigten. Wie bei den Erzieher*innen, wie an den Hochschulen, an den Krankenhäusern usw.

Hochschulen

An den Hochschulen hat wiederum ver.di zur Arbeitsniederlegung aufgerufen. Dabei steht besonders die FU im Fokus, wo in der Vergangenheit Kolleg*innen gegen mieseste Arbeitsbedingungen gekämpft haben. Der Erfolg der Kolleg*innen am Botanischen Garten ist ein Leuchtturm für alle Beschäftigten in Berlin. Sie haben mit Ausdauer und Aktionsbereitschaft die Rückführung in die FU und damit den TV-L erkämpft und können deshalb nun mit streiken. Die Rückführung bedeutete für einige Beschäftigte mehr soziale Sicherheit und mehrere Hundert Euro im Monat auf dem Konto. Auch der Kampf der studentisch Beschäftigten hat gezeigt, dass die Hochschulen nicht abgekapselt sind vom Rest der Gesellschaft. Ganz im Gegenteil: Befristungen oder Outsourcing sind gängige Praxis der Unileitungen, um gegen ihre Beschäftigten vorzugehen. Immer wieder adressierten die Streikenden die Regierungsparteien und organisierten Kundgebungen vor Parteitagen. Denn die Verantwortung für soziale Sicherheit der Beschäftigten liegt in der Politik, die diese Ausgliederungen erst ermöglicht hat und bis heute nichts gegen die ausufernde Befristungspraxis an den Hochschulen unternimmt.

Gemeinsam an der Basis organisieren!

Um uns erfolgreich zu wehren, brauchen wir eine Organisierung aller Beschäftigten an der Basis in den KiTas, Horten, Jugendclubs, Schulen, Hochschulen, im Nahverkehr usw. Denn der Streik ist unsere stärkste Waffe. Eine gegenseitige Solidarisierung aller Beschäftigten ist vonnöten, um die Schlagkraft jedes einzelnen Kampfes zu erhöhen und sich nicht mit faulen Kompromissen abspeisen zu lassen. Die Gewerkschaftsführungen tun leider beim TV-N, beim TV-L dieses Jahr wieder einiges, um die Streiks fein säuberlich voneinander zu trennen. Warum tut eine der größten Gewerkschaften Deutschlands nichts, um die Beschäftigten aller im Tarifstreit befindlichen Kolleg*innen zu gemeinsamen Streiks aufzurufen? Wie zum Beispiel, gemeinsame Aktion der Hochschulbeschäftigten und der Erzieher*innen? Warum ruft ver.di nicht ihre Mitglieder in den KiTas zum Streik, wenn die GEW das tut? Oder, Vereinbarung gemeinsamer Verhandlungstage und Zeiten mit den Arbeitgebern, als Grundlage für gemeinsame Aktionen und Streiks der Beschäftigten. Diese Trennungen sind nicht in unserem Interesse. Wir können sie jedoch nur überwinden, wenn wir uns die Entscheidungsgewalt über unsere Kämpfe zurückholen. Denn in allen Kämpfen wehren sich die Kolleg*innen gegen miese Löhne, gegen Ausgliederungen und Befristungen. Es ist nur logisch, dass die Streiks zusammengeführt werden und politische Forderungen aufgestellt werden müssen.

Frank Bsirske sagte zur Auftaktveranstaltung der Beschäftigten der Länder unter anderem: „Wir brauchen euch, ohne euch geht es nicht. Es geht nur zusammen, weil es einfache Wahrheit ist, dass wir gemeinsam mehr erreichen können, als alleine.“ Wir brauchen die Selbstorganisierung aller Beschäftigten, zum Beispiel in Form geeigneter Aktionskomitees in ihren Betrieben, die es ermöglichen Versammlungen an jedem Streiktag, bei denen demokratisch entschieden werden kann, ob und wie weiter gestreikt wird. Alle Kolleg*innen müssen das Recht haben dort ihre Meinung zu äußern und nicht nur die Funktionär*innen. Jede*r hat eine Meinung, es kann nur helfen, diese auch kollektiv zu diskutieren. Nur durch Streiks können die Beschäftigten ihre ganze Kraft einsetzen, am Verhandlungstisch dominieren nur Bosse und Funktionär*innen.

In Zeiten der Regierungen in Europa einer Rechtsentwicklung, ist es von besonderer Bedeutung zu tarifpolitischen Fragen und Auseinandersetzungen über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Gerade diese Entwicklung stellt auch uns Gewerkschafter*innen vor eine große Aufgabe. Wir müssen uns dagegen wehren, wenn Errungenschaften der Arbeiter*innenbewegung angegriffen werden oder Gewerkschafter*innen ins Fadenkreuz von Rechten oder Bossen geraten. Denn es ist auch eine Erfahrung aus früheren Zeiten, als aktive Gewerkschafter*innen ins Zuchthaus wanderten oder aber umgebracht wurden. Wenn nicht erkannt wird, wo die politische Reise hingeht, müssen wir uns für mehr Aktivitäten engagieren. Da spielt es keine Rolle, welches tarifpolitische Programm gerade in der Diskussion steht, sondern da ist vor allem eine wichtige Forderung aller Gewerkschafter*innen gefragt. Das ist die Forderung nach dem verbrieften allseitigen Streikrecht, insbesondere des Politischen Streikrechts, dass heute in Deutschland von Politik und Justiz unterdrückt wird. Deutschland ist damit ein europäischer Sonderfall arbeiter*innenfeindlicher Rechtslage.

Unsere Gewerkschaft ver.di spricht sich seit langem für das Recht auf politischen Streik aus. Entscheidend ist, dass wir für uns feststellen, dass wir dieses Recht haben. Dass wir auf keine Herrschenden zu warten brauchen, um dieses Menschenrecht gnädig gewährt zu bekommen. Und dass wir stattdessen endlich ernsthaft darangehen, es durchzusetzen. Das bedeutet, Streiks auch zu politischen Fragen zu machen und alle Versuche der Unterdrückung unseres Rechts gleich mit der Ausweitung der Streikaktionen zu beantworten.

Mehr zum Thema