Halbherzig und mangelhaft – Proteste gegen Betriebs­rats­gesetz

27.05.2021, Lesezeit 4 Min.
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Aktivist:innen der "Aktion Arbeitsunrecht" und Arbeiter:innen protestieren gegen das "Betriebsrätemodernisierungsgesetz" der Bundesregierung.

Stelldichein zum Fotoshooting: Aktivisten des Kölner Vereins »Aktion Arbeitsunrecht« protestierten am vergangenen Donnerstag vor dem Bundestag in der Hauptstadt. Anlass war das Votum für das »Betriebsrätemodernisierungsgesetz«, das gleichentags mit Stimmen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen verabschiedet wurde. AfD und die FDP lehnten das Gesetz ab, Die Linke enthielt sich.

Das Gesetzesvorhaben aus dem Hause von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sei halbherzig und mangelhaft, so der Vorwurf der Vereinsaktivisten. Es setze dem jahrzehntelangen »Union Busting«, wie man die professionelle Bekämpfung von Betriebsräten und Gewerkschaften nennt, fast nichts entgegen. Es brauche statt dessen sogenannte Schwerpunktstaatsanwaltschaften in diesem Bereich. Außerdem solle das Strafmaß bei Betriebsratsbehinderung erhöht und ein verpflichtendes Melderegister für Betriebsratswahlen geschaffen werden.

Breite Unterstützung fand der Verein bei 1.500 Gewerkschaftern, Betriebs- und Personalräten, die einen Aufruf zum Schutz von Betriebsräten unterzeichnet hatten. Politische Rückendeckung gab es zudem von Jutta Krellmann, der Sprecherin für Mitbestimmung und Arbeit der Fraktion Die Linke im Bundestag. Das Gesetz sei »kein großer Wurf, sondern nur ein Tröpfchen auf den heißen Stein«, so die Abgeordnete in ihrer Rede im Bundestag. Vielerorts würden die Rechte von Beschäftigten mit Füßen getreten, »egal ob Primark, Thalia, H & M, Starbucks und wie sie alle heißen«. Krellmann verwies darauf, dass in lediglich acht Prozent der Betriebe es überhaupt noch Betriebsräte gäbe.

Verfolgt wurde die Bundestagsdebatte von Sarah Meyer, einer Bildungsberaterin aus Berlin, die selbst mit zwei Kolleginnen Opfer von Union Busting wurde und aus Angst vor weiteren Repressalien nicht ihren richtigen Namen in der Zeitung lesen möchte. »Wir begrüßen, dass Krellmann uns im Bundestag eine Stimme gibt«, so Meyer gegenüber KGK. Sie hoffe, »dass dies auch dort gehört wird, wo in Verantwortung des Berliner Senats Gewerkschafter unter Druck stehen«.

Gemeint ist folgendes: Meyer klagt in zweiter Instanz gegen den Bildungsträger Goldnetz gGmbH, einen arbeitsmarktpolitischen Dienstleister in Berlin, der als gemeinnütziger Verein und gemeinnützige GmbH arbeitsmarkt- und frauenpolitische Projekte umsetzt. Sie hatte sich mit Kolleginnen in der Tarifkampagne »Für die gute Sache! Aber zu welchem Preis« der Gewerkschaft Verdi für einen Tarifvertrag engagiert. »Wer in unserer Branche das Wort Betriebsrat in den Mund nimmt, dem drohen Repressalien«, berichtete Meyer. Aus ihrer Sicht beantwortete Goldnetz die gewerkschaftliche Organisierung damit, die Verträge dreier bei der Verdi-Kampagne Aktiven auslaufen zu lassen und sie in die Erwerbslosigkeit zu schicken.

Aus Gewerkschaftskreisen ist zu hören, dass der Kampf für einen Tarifvertrag keine direkte Unterstützung bei den Verantwortlichen in der zuständigen Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales fand. Dabei hätte der »rot-rot-grüne« Berliner Senat als Geldgeber über die Auftragsvergabe Einfluss ausüben können. Statt dessen beauftragte er das Unternehmen gsub (Gesellschaft für soziale Unternehmensberatung mbH), das als zwischengeschaltete Instanz erkunden sollte, wer für die »juristische Beratung für tarifrechtliche Fragen« eingesetzt werden könnte.

Den Zuschlag für die tarifrechtliche Beratung soll nach Informationen die Kanzlei Vielmeier & Rieble bekommen haben. Der dort tätige Jurist Volker Rieble ist Geschäftsführer des »Zentrums für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht« (ZAAR), das juristische Leitfäden mit Titeln wie »Rechtsschutz gegen Mindestlohn« veröffentlichte und Kongresse sowie Rechtsgespräche organisiert, in denen Unternehmern aufgezeigt wird, wie Betriebsratsmitglieder abgemahnt, außerordentlich gekündigt oder strafrechtlich verfolgt werden können.

Meyer resümierte nach der Debatte im Bundestag: »Es ist ein Skandal, dass Beschäftigtenvertretungen durch die neue Gesetzgebung wieder nicht den notwendigen Schutz erfahren.« Sie befürchte, dass weiterhin das Geld aus öffentlichen Haushalten nicht in faire Löhne fließe, sondern in »dubiose Unternehmensberatungen und Union-Busting-Kanzleien«. Sie werde daher weiter kämpfen und sich nicht davon abbringen lassen, sich »für gute Arbeitsbedingungen einzusetzen und diese Missstände aufzudecken«.

Dieser Artikel erschien zuerst auf junge Welt.

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