Gewerkschaften für den Kampf zurückerobern!

01.11.2014, Lesezeit 5 Min.
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// Debatten zu Refugees und zu Streikrecht befeuern die politische Diskussion in den ArbeiterInnenorganisationen. //

Selten in den letzten Jahren hat ein Thema die politische Debatte innerhalb der deutschen Gewerkschaften so befeuert wie die Frage, wie sich die ArbeiterInnenorganisationen zu den Kämpfen der Geflüchteten stellen sollen. Immer häufiger regt sich Unmut bei gewerkschaftlichen Basisgruppen und Einzelmitgliedern, aber auch in der unteren Ebene der Bürokratie, über die politische Passivität der Gewerkschaften.

Diese Kontroversen werfen in letzter Instanz die Frage darüber auf, welche Rolle Gewerkschaften heute im imperialistischen Deutschland spielen sollten. Können Gewerkschaften wieder zu Organen des Kampfes der ArbeiterInnen werden? Populär gewordene Losungen wie „Erneuerung durch Streik“ zeigen auf, dass eine Neuausrichtung der Gewerkschaften von unten erkämpft werden muss. Die Frage, die RevolutionärInnen beantworten müssen, ist wie.

Geflüchtete und Gewerkschaften

Der Konflikt um die Frage der Refugees schwelt seit mindestens einem Jahr, nachdem ver.di in Hamburg 300 Geflüchtete als Mitglieder aufnahm. Nun hat die Besetzung des Berliner DGB-Hauses durch Geflüchtete, die politische Unterstützung forderten, diese Diskussion auf eine neue Ebene gehievt – denn die Berliner DGB-Führung ließ diese Geflüchteten am 2. Oktober mit einem brutalen Polizeieinsatz räumen.

Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Die ver.di Jugend Oberpfalz schrieb in einem offenen Brief an ihren Vorsitzenden: „Eine Gewerkschaft, in der Flüchtlinge keinen Platz haben sollen, ist nicht die unsere!“ Die ver.di Jugend Hannover fordert sogar den „sofortigen Rücktritt aller verantwortlichen Funktionäre“. Auch die GEW Berlin hat die Räumung verurteilt. Hunderte TeilnehmerInnen der Konferenz „Erneuerung durch Streik“ in Hannover protestierten gegen die Räumung. Und in Berlin versammelten sich 70 Menschen, um eine große Veranstaltung zum Thema zu planen.

Streikrecht verteidigen!

Aber auch eine zweite Debatte über die Rolle von Gewerkschaften in diesem Land hat sich in letzter Zeit zugespitzt: Die Frage, welche Legitimität Streiks als elementare Kampfform der ArbeiterInnenbewegung haben. Anhand des laufenden Streiks der GDL macht die deutsche Bourgeoisie Propaganda für ihr Projekt, das Streikrecht in Deutschland unter dem Vorwand der sogenannten „Tarifeinheit“ zu beschneiden.

Doch auch wenn der DGB-Kongress im Mai dieses Jahres sich gegen die gesetzliche Einschränkung des Streikrechts ausgesprochen hat, wird die Initiative weiterhin von der Führung unterstützt. Alle ArbeiterInnen müssen sich anstrengen, diesen reaktionären Angriff auf die deutsche ArbeiterInnenbewegung zurückzuschlagen.

Dabei gibt es gerade in den letzten Jahren langsame Tendenzen zu mehr Arbeitskämpfen in Deutschland. Nach der Verheerung der Agenda 2010 und den Jahren der Krise regen sich immer mehr Kämpfe, sowohl in prekären als auch in strategischen Sektoren. Der Angriff auf das Streikrecht soll diese Tendenzen im Keim ersticken.

Fragen über Gewerkschaften

Deswegen werfen die Debatten um Geflüchtete und um Streikrecht eine Reihe weiterer Fragen für organisierte ArbeiterInnen in diesem Land auf:

  • Wollen wir Dienstleistungsunternehmen, die als Reisebüros und Versicherungen für die besser gestellten Schichten der ArbeiterInnenklasse agieren, oder wollen wir Kampforganisationen der gesamten Klasse?
  • Wollen wir Apparate von gut bezahlten BürokratInnen, die auf die Rituale der Tarifrunden spezialisiert sind, oder wollen wir Zusammenschlüsse aktiver ArbeiterInnen, die für ihre eigenen Rechte kämpfen?
  • Sind unsere Verbündeten die Politiker­Innen von CDU und SPD, mit denen wir freundlich verhandeln müssen, oder sind unsere Verbündeten die Unterdrückten der Welt, mit denen wir gemeinsam kämpfen müssen?

Es geht dabei letztendlich um die Frage: Welche Strategie brauchen die ArbeiterInnen, um sich zu befreien?

Revolutionäre Organisation

Gewerkschaften sind die Massenorganisationen der ArbeiterInnen – in Deutschland hat der DGB knapp sechs Millionen Mitglieder. Wenn sie sich für politische Auseinandersetzungen mobilisieren würden – mit Demonstrationen, Streiks und Besetzungen – würde das eine ernsthafte Konfrontation mit dem Kapital und seinem Staat bedeuten. Aber die Gewerkschaften werden aktuell von reformistischen BürokratInnen geführt, die genau das verhindern wollen.

Deshalb kämpfen wir als RevolutionärInnen in den Gewerkschaften für direkte Demokratie statt bürokratischem Kommando. Wir sind gegen jede Art von Privilegien: alle FunktionärInnen sollten gewählt werden und abwählbar sein.

Wir setzen uns für das Prinzip ein, dass sich alle ArbeiterInnenorganisationen für die demokratischen Rechte von allen Lohnabhängigen – besonders für illegalisierte Menschen – einsetzen müssen. Der Kampf der Geflüchteten stellt die Erneuerung der Gewerkschaften in Deutschland auf die Tagesordnung.

„Die Gewerkschaften unserer Zeit können entweder als Hilfsinstrumente des imperialistischen Kapitalismus dienen, um die Arbeiter unterzuordnen, sie zu disziplinieren und die Revolution zu verhindern,“ schrieb der russische Revolutionär Leo Trotzki im Jahr 1940, „oder sie können im Gegenteil die Instrumente der revolutionären Bewegung des Proletariats werden.“

Die DGB-Bürokratie will dem Kapital dienen. Wir von der Revolutionären Internationalistischen Organisation kämpfen für den Aufbau einer revolutionären Partei der ArbeiterInnen und Jugend – in Deutschland und international.

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