„Gewerkschaft“ der Polizei für Diskriminierung!

17.06.2020, Lesezeit 6 Min.
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Die Stadt Berlin plant ein Gesetz, das Polizeigewalt eindämmen soll. Das geht zu weit, findet die „Gewerkschaft der Polizei“.

Bild: Guillaume Tronel.

Anfang diesen Monats stellte der rot-rot-grüne Senat Berlins einen Gesetzesentwurf zum besseren Umgang mit Diskriminierungen durch die Polizei vor: Das Landes-Antidiskriminierungsgesetz (LADG).

Der Entwurf sorgte für Kontroversen. Diverse Bundesländer kündigen an, vorerst keine “Verstärkung” mehr nach Berlin zu schicken. So drohte unter anderem Bayerns Innenminister Joachim Hermann, in Zukunft keine Polizei mehr aus Bayern nach Berlin „auszuleihen“. Für Großdemos, wie die 1. Mai Demos in Berlin vermutlich ein Problem für die Berliner Polizei.

Ein Schlag ins Gesicht der Polizei?

Der Inhalt des Gesetzes selbst ist dagegen überraschend harmlos: Wer von der Polizei diskriminiert wird, könnte in Zukunft leichter eine Entschädigung bekommen. Ein schwacher Trost im Angesicht von strukturellem Rassismus und rassistischer Gewalt durch die Polizei.

Auch die „Gewerkschaft der Polizei“ (GdP) stellt sich vehement gegen den Entwurf, zum Beispiel in einem offenen Brief, der auf ihrer Seite veröffentlicht wurde. Hinter dem laut Brief “geschlossen” ihre „195 000 Mitglieder“ stünden. Ein logistisches Meisterwerk, fast 200 Tausend Menschen in so kurzer Zeit zu befragen und bewundernswert, wenn sie dann auch noch alle einer Meinung sind… An dieser Stelle schauen wir uns aber besser an, was laut Autor eigentlich das Problem an dem Gesetzesentwurf ist.

Zuerst einmal verstehe das Gesetz natürlich die Polizei und ihre Aufgaben miss. Warum sollte unser „Freund und Helfer“ zusätzliche Kontrolle brauchen? Schon im ersten Absatz betont er, „dass diskriminierungsfreies Handeln Grundlage unserer täglichen Arbeit für diesen demokratischen Rechtsstaat sei.“ Und weiter: „Damit stellt das Berliner Gesetzesvorhaben in Zielrichtung und Inhalt Polizeibeamte in ein völlig falsches Licht.“

Das verstehen wir natürlich. Wohl niemand möchte gerne als rassistischer Gewalttäter gesehen werden. Der beste Weg dagegen wäre natürlich, kein rassistischer Gewalttäter zu sein. Gegen Gesetze, die versuchen, auf real bestehende Missstände einzugehen, zu wettern, ist natürlich auch eine Variante. Aber weiter im Text, denn schnell kommt der Autor zu weit interessanteren Punkten:

In dem Gesetz ist die Rede von “glaubhaft gemachten” Tatsachen, auf deren Basis Polizist*innen belangt werden können. Der Autor sieht darin eine Umkehr der Beweislast, die mit geltendem Recht nicht zu vereinbaren sei:
„(D)er Gesetzentwurf (sieht) (…) eine sog. Vermutungsregelung vor, die in der Praxis zu einer faktischen Beweislastumkehr durch Glaubhaftmachung von Anschuldigungen führen wird.“
Für den Autor ist es also vollkommen angemessen, wenn ein Opfer von Polizeigewalt bei der Polizei selbst lückenlos diese Gewalt nachweisen muss. Wie gut in den Praxis funktioniert, davon können die meisten Aktivist*innen ein Lied singen.

Eine ähnliche Herangehensweise führt übrigens dazu, dass in Deutschland nur etwa 7,5% der Angeklagten in Vergewaltigungsprozessen verurteilt werden können. Und nicht etwa, weil man von ihrer Unschuld überzeugt wäre, oder sie auch nur für wahrscheinlich hielte, sondern aus Mangel an Beweisen. Die Aussage des Opfers alleine reicht nicht, immerhin stünde dann ja Aussage gegen Aussage, vielleicht wusste der Vergewaltiger ja auch gar nicht, dass das Opfer nicht will, usw. usf., die Verfahren werden also eingestellt.

Außerdem sieht der Gesetzesentwurf sogenannte Verbandsklagen vor. Vor dem deutschen Recht kann nur klagen, wer durch ein Verbrechen geschädigt wurde. Außer, es handelt sich um sogenannte Kapitalverbrechen, wie Mord oder Vergewaltigung, hier darf auch die Staatsanwaltschaft Klage einreichen. Im Kontext mit Polizeigewalt findet der Autor eine solche Regelung problematisch:

„Demnach sollen Klagen aufgrund des neuen Gesetzes künftig nicht allein durch die Person möglich sein, die geltend macht, Diskriminierung erfahren zu haben, sondern auch (…) durch anerkannte Verbände, die gewissermaßen als Interessenswahrer der eine Diskriminierung geltend machenden Person auftreten können.“

Historisch stellte die fehlende Möglichkeit einer Verbandsklage für viele politische Kämpfe, die einen legalistischen Ansatz vertraten, also versuchten, eine Veränderung im Rahmen der bestehenden Gesetze zu erreichen, ein Problem da. Lore-Maria Peschel-Gutzeit, eine Juristin aus dem Umfeld von Alice Schwarzer berichtet in einer Folge des Lila Podcasts z.B. von den Schranken, die die fehlende Möglichkeit einer Verbandsklage, der gemeinsamen PorNO Kampagne auferlegte. Dass Umweltorganisationen wie der BUND stellvertretend „für die Umwelt“ Klagen, zum Beispiel gegen den Bau von Industrieanlagen, einlagen können, ist auch erst seit 2002 möglich.

Für die Polizei bedeutet das: Interessensverbände Unterdrückter könnten in Zukunft im Namen der Opfer gegen sie klagen. Das dürfte die Anzahl der Klagen in die Höhe schnellen lassen, denn es müsste nicht mehr jedes Opfer selbst den Kampf aufnehmen. Würde die Polizei tatsächlich glauben, was sie behauptet, nämlich inhärent gut und hilfreich zu sein und nur ein paar „faule Äpfel“ in den Reihen zu haben, dann müssten sie diese Regelung eigentlich begrüßen.

Polizei raus aus den Gewerkschaften!

Insgesamt sind diese beiden Punkte milde. Sie sind weit weg von berechtigten Forderungen nach stärkerer Überwachung der Polizei, z.B. durch unabhängige Untersuchungskomissionen oder das Streichen von Geldern für die Polizei. Doch selbst diese kleinteiligen Forderungen in nur einem einzigen Bundesland Deutschlands bringen der Polizei„gewerkschaft“ schon derartig Schaum vor den Mund. Dies zeigt auf ein Neues, dass die Interessensvertretung der Polizei nicht im Sinne einer Gewerkschaft Rechte für Arbeiter*innen erkämpft, sondern die Schlägertrupps des Staates in ihrer Stellung als Ausführer*innen des staatlichen Gewaltmonopols stärkt.

In einer Situation, in der sich durch die #BlackLivesMatter-Bewegung Hunderttausende weltweit gegen Polizeigewalt mobilisieren, ist eine klare Stellungnahme gegen diese Institution umso wichtiger, um die Arbeiter*innenbewegung zu stärken. Während die Polizei alles in ihrer Macht stehende tut, um den rassistischen Status Quo zu stützen, müssen wir Arbeiter*innen und gegen jegliche Maßnahmen stellen, die die von Rassismus und anderen Unterdrückungsformen betroffenen Teile unserer Klasse schwächt. Opfern Rassistischer Polizeigewalt eine kleine Chance auf Gerechtigkeit zu geben ist hierbei das absolute Minimum.

Der Gesetzentwurf selbst ist nicht ausreichend. So lange die Justiz mit rassistischen Gesetzen richtet und die Polizei für einen kapitalistischen Staat arbeitet, Arbeitskämpfe und politischen Widerstand bekämpft und kapitalistisches Privateigentum beschützt, wird kein Gesetz der Welt sie zu unserem “Freund und Helfer” machen. Die Reaktionen der GdP sind allerdings entlarvend und bestärken uns einmal mehr in der Forderung: Die GdP raus aus dem DGB. Polizist*innen sind keine Arbeiter*innen.

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