Jugend

Gegen die Aufrüstung auf die Straße! Solid, Jusos, Grüne Jugend: Wo seid ihr?

Am Freitag soll das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr beschlossen werden. Dabei fehlt das Geld überall da, wo es gebraucht wird: für Gesundheit, Bildung, Soziales, Klimaschutz. Und die Liste ist lang. Die Regierungsparteien der Ampelkoalition sind für das Sondervermögen. Doch wie sieht es in der Jugend aus?

Gegen die Aufrüstung auf die Straße! Solid, Jusos, Grüne Jugend: Wo seid ihr?
Foto: Tabea Krug

Jusos

Jessica Rosenthal, die Vorsitzende der Jusos, stellte sich bereits Anfang März öffentlichkeitswirksam gegen das Sondervermögen: „Es bringt nichts, weitere Milliarden Euro in einem schwarzen Loch zu versenken“. Hinter die Bundeswehr stellt sie sich aber trotzdem, eine wehrhafte Bundeswehr würde gebraucht. In einem Gastbeitrag im Spiegel schreibt sie von der Notwendigkeit, „unsere Werte und unsere Freiheit falls nötig auch militärisch verteidigen zu können“. Die Gelder müssten aber effektiver eingesetzt werden, indem das Beschaffungswesen reformiert wird. Auch soll ihrer Meinung nach das Sondervermögen nicht im Grundgesetz festgeschrieben werden. Hier stellt sich die Frage, ob ein anderer Ort für das Gesetz irgendetwas Grundsätzliches an der Aufrüstungspolitik ändern würde.

Auf dem Landesparteitag der Berliner Jusos Ende April wurde ein Antrag gegen Aufrüstung gestellt. Das klingt erstmal gut. Gemeint war aber lediglich, das Geld in „Ausrüstung statt Aufrüstung“ zu stecken. Außerdem sollte vor dem Beschluss genauer festgelegt werden, wofür das Geld gebraucht würde. Von Ausrüstung statt Aufrüstung spricht auch Marcus Faber von der FDP. Zwischen beiden gäbe es einen massiven Unterschied. Wenige Sätze später spricht er davon, dass ein Tornado-Nachfolger zur „nuklearen Teilhabe“ nötig sei. Die Betonung des angeblich massiven Unterschieds zwischen beiden dient letztlich nur der Stärkung des Märchens, dass die Bundeswehr schlecht ausgerüstet sei. Doch der Bundeswehr standen 2021 46,93 Milliarden Euro zur Verfügung, also knapp 1,3 Milliarden Euro mehr als im vorigen Haushaltsjahr. Für 2022 sind sogar mehr als 50 Milliarden Euro vorgesehen – da ist das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro noch gar nicht eingerechnet.

Trotzdem gab es für den erwähnten Antrag beim Berliner Juso-Parteitag keine Mehrheit. Es wurde stattdessen beschlossen, dass eine Arbeitsgruppe sich mit dem Krieg in der Ukraine, der europäischen Sicherheit und dem Sondervermögen beschäftigen soll. In einem Jahr soll dann ein Bericht darüber abgegeben werden und dann könne man erneut diskutieren. Kein Scherz.

Die Jusos kritisieren, dass Geld für Bildung, Gesundheit und Klimaschutz fehlt. Statt sich aber konsequent gegen eine Aufrüstung zu stellen, sind sie lediglich für Ausgaben in weiteren Bereichen. Und selbst mit dieser Forderung lassen sie sich nicht auf der Straße blicken.

Grüne Jugend

Bei der Grünen Jugend sieht es sehr ähnlich aus. Auch sie stellt sich offiziell gegen das Sondervermögen, weil es der Ukraine nicht helfen würde, so Bundessprecher Timon Dzienus. Anna Emmen­dörf­fe, die Lan­des­spre­che­rin der Grünen Jugend Brandenburg sagte dazu: „Die geplan­te Hoch­rüs­tung im Wert von 100 Mil­li­ar­den Euro ist eine kli­ma­schäd­li­che und men­schen­feind­li­che Unter­neh­mung. Wir unter­stüt­zen kei­ne reak­tio­nä­re Hoch­rüs­tungs­spi­ra­le, die nur zu grö­ße­ren Krie­gen führt.“ Es wird kritisiert, dass für andere Bereiche wie Bildung, Pflege, Nahverkehr das Geld fehle.

Doch auch die Grüne Jugend will eine ausreichend ausgestattete Bundeswehr, sieht den Weg dahin nur nicht in mehr Etat. Ähnlich wie die Jusos sind sie für eine Reform des Beschaffungswesen und eine Ermittlung der notwendigen Militärausgaben, bevor Beschlüsse zum Sondervermögen gefasst werden. Ihr Änderungsantrag auf dem Parteitag kam jedoch nicht durch.

„Mit diesem Ergebnis kann man sich nicht zufriedengeben“, erklärte die Bundessprecherin der Grünen Jugend Sarah-Lee Heinrich bezüglich der Absprache über das Sondervermögen. Ihr Vorschlag: „Mehr denn je braucht es Druck auf der Straße. Wir müssen jetzt aktiv werden, um dafür zu sorgen, dass diese Entscheidung nicht auf unserem Rücken ausgetragen werden wird!“

Diesem letzten Statement müssen wir sicher zustimmen. Doch wo ist der Druck der Grünen Jugend auf der Straße tatsächlich? Zu welchen Demonstrationen hat sie bisher aufgerufen, wo hat sie Proteste organisiert? Heinrich hatte auch am Sonntag an der Demo des Bündnisses Soziales statt Aufrüstung in Berlin teilgenommen, aber niemanden aus ihrer Organisation mobilisieren können. Sarah-Lee, wo war deine Organisation am Sonntag? Sieht so der Druck auf der Straße aus, den die Grüne Jugend organisieren will?

Solid

Im Gegensatz zu den Jusos und der Grünen Jugend ist die Linksjugend Solid keine Jugendorganisation der an der Bundesregierung beteiligten Parteien. Im Parlament vertritt DIE LINKE sogar eine Position gegen die Aufrüstung. Eigentlich hätte man also die Erwartung, dass eine breite bundesweite Mobilisierung der Linksjugend gegen Aufrüstung, das Sondervermögen und den kommenden G7-Gipfel stattfindet. Passiert ist bis jetzt jedoch wenig bis nichts.

Auf dem Instagram-Kanal, dem offiziellen Kommunikationsmedium der Linksjugend, findet man zu diversesten Themen der letzten Monate Stellungnahmen. So hat die Linksjugend-Bundesebene sich explizit zum Superbowl positioniert und forderte mehrfach eine Legalisierung von Cannabis. Ein Thema, das hingegen in den letzten Monaten sehr spärlich behandelt wurde, waren die Pläne des deutschen Imperialismus. Erst nachdem die solid München RED die Bundesebene der Linksjugend unter ihrem satirischen Mobi-Post nach Sylt öffentlich konfrontiert hatte, hat sich die Linksjugend ein paar Tage später dazu hinreißen lassen, auch öffentlich zum Protest gegen G7 zu mobilisieren – mit derselben Gewichtung wie die Pfingstcamps einiger Linksjugend-Landesverbände. Auch das 100-Milliarden-Sondervermögen ist keine eigene Kampagne wert. *

Wie man beim Lesen schon gemerkt hat: Wenn sich die Linksjugend zu einer Reaktion auf die Hochrüstungspläne und die strategischen Positionierungen des deutschen Imperialismus hinreißen lässt, findet dies fast ausschließlich online statt. Die Auswirkungen davon sind dementsprechend spärlich.

Es gibt jedoch auch Positivbeispiele. So fallen zum Beispiel Basisgruppen aus dem Berliner Landesverband immer wieder mit klaren Positionierungen gegen Krieg und Aufrüstungen auf und tragen Proteste auf die Straße, wie die von Solid Nord-Berlin mitorganisierte “No war but classwar!”-Demonstration, genauso wie die vom Landesverband Berlin, Solid Nord-Berlin und Solid ROSA mitorganisierte Demonstration “Soziales statt Aufrüstung!” am vergangenen Sonntag. Auch in anderen Landesverbänden finden Organisierung und Aktionen gegen die Aufrüstung statt. Die Basisgruppe München RED arbeitet seit Beginn des Jahres an der Vorbereitung der G7-Proteste. Einige Solid-Gruppen haben auch den Aufruf “In die Offensive gegen Aufrüstung – Keine 100 Milliarden für deutsche Kriege!” unterzeichnet und nehmen an Aktionen rund um das Bündnis teil.

Ansätze zur Bildung einer starken, auf der Straße kämpfenden Antikriegsbewegung gibt es also jede Menge. Man fragt sich nur, warum diese von der Bundesebene der Linksjugend solid so sträflich vernachlässigt wird. Jetzt wäre der Zeitpunkt gekommen, offensiv gegen Sondervermögen und G7 zu mobilisieren und dabei vor allem auch eigene Kämpfe außerhalb des Internets zu führen und Massenproteste mitzuorganisieren.

Für eine kämpferische Jugend auf der Straße, nicht im Hinterzimmer der Regierung!

Für uns ist klar: Die Aufrüstung kann nicht im Parlament gestoppt werden, sondern nur durch breiten, spürbaren, auf die Straße getragenen Protest. Letzten Sonntag sind dafür schon circa 500 Menschen in Berlin auf die Straße gegangen.

Wir müssen diesen Versuch zum Aufbau einer breiten Bewegung gegen Krieg und Krise weiter ausbauen, und für Milliarden in in Bildung, Gesundheit, Klima und Soziales statt in Militär und Polizei kämpfen. Die jetzt geplanten Milliardenausgaben für das Militär wird sich der Staat über Einsparungen in den oben genannten Bereichen zurückholen – auf unserem Rücken!

Am Freitag findet voraussichtlich die Bundestags-Abstimmung über das Sondervermögen statt. Nehmen die Jugendorganisationen sich selbst und ihren Widerstand gegen das Sondervermögen ernst, so sollten sie für die Kundgebung um 12 Uhr am Pariser Platz gegen das Sondervermögen mobilisieren.

Lasst uns eine Jugend aufbauen, die kein Feigenblatt der Regierungsparteien ist, sondern sich auf der Straße gegen Krieg und Krise und gegen die Regierung organisiert!

* Anmerkung: In einer früheren Version dieses Artikels wurde behauptet, dass das Sondervermögen nur in einem Instagram-Post vorkam. Tatsächlich ist es in drei Postings vorgekommen.

Kundgebung: Keine 100 Milliarden Sonder­vermögen für die Bundeswehr!

Kundgebung gegen die Abstimmung über das Bundeswehrsondervermögen | Freitag, 3.6., 12 Uhr | Brandenburger Tor / Pariser Platz

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