Gegen den Rassismus heißt gegen das Regime!

19.01.2015, Lesezeit 6 Min.
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Seit Ende Oktober ist Dresden das Zentrum einer neuen Welle von rassistischen Mobilisierungen, die sich mit unterschiedlichem Erfolg auf ganz Deutschland ausgebreitet hat. Wöchentlich gehen tausende bis zehntausende Menschen auf die Straße, um gegen die vermeintliche „Islamisierung“ Deutschlands und Europas zu protestieren. Sie machen MigrantInnen und Geflüchtete für einen wahrgenommenen oder tatsächlichen sozialen und wirtschaftlichen Abstieg verantwortlich. Damit sind die Demonstrationen auch Ausdruck einer diffusen Unzufriedenheit über die etablierten Parteien und ihre Krisenpolitik – das wird deutlich in der verbalen Ablehnung der Regierung und ihrer „Lügenpresse“. Diskursiv vorbereitet wird diese Bewegung seit Langem: Schon seit Jahren agieren Thilo Sarrazin („Deutschland schafft sich ab“) und andere als StichwortgeberInnen für xenophobe und islamophobe Hetze.

Die Mobilisierungen von „PEGIDA“ und Co. finden auch vor dem Hintergrund einer europaweiten Polarisierung im Angesicht der kapitalistischen Krise statt. Neben Ausnahmen wie Syriza in Griechenland und Podemos im Spanischen Staat können vor allen Dingen rechtspopulistische bis offen faschistische Kräfte diese Unzufriedenheit kanalisieren. Das Erstarken von PEGIDA zeigt: Obwohl es in den vergangenen Jahren so wirkte, als ob sich Deutschland im ruhigen „Auge des Sturms“ der Weltwirtschaftskrise befinde, kommen nun auch hierzulande verschärfte Klassenauseinandersetzungen an die Oberfläche.

Die brutalen Attentate auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo und auf den jüdischen Supermarkt in Paris werden in diesem Kontext möglicherweise für das weitere Erstarken dieser islamophoben Bewegungen sorgen. In ganz Europa wird nun von Seiten der herrschenden Klassen eine verlogene „nationale“ bzw. „europäische“ Einheit gegen „Islamismus“ und für die „Verteidigung der europäischen Werte“ beschworen. Mit ihr wird die weitere Verschärfung rassistischer Asyl­gesetze und antidemokratischer Repressions- und Überwachungsgesetze legitimiert. Mit dem Bedrohungsszenario „Islamismus“ wird inzwischen auch das Verbot von Demonstrationen begründet. Damit gehen die Regierungen einen großen Schritt auf die Forderungen der rassistischen Bewegungen in ganz Europa zu.

Gegen den bürgerlichen „Antirassismus“ …

In Deutschland stellt sich gleichwohl eine breite Allianz – auch mit der Regierung an der Spitze – gegen PEGIDA. Doch der „Antirassismus“ der bürgerlichen Parteien ist nur ein Deckmantel für die rassistische Politik, die die herrschende Klasse seit Jahren gegen Geflüchtete und MigrantInnen vorantreibt. Die Islamophobie und der Hass auf „Ausländer“ können gerade auf der Grundlage dieser Politik gedeihen. Hier „leistet“ die Große Koalition einiges: Nicht PEGIDA, sondern die Regierung verursacht Kriege, liefert Waffen, hat vor wenigen Monaten erst mit Hilfe der Grünen die Abschiebung von Sinti und Roma erleichtert, und plant weitere Asylrechtsverschärfungen. Die Menschen, die heute gegen PEGIDA auf die Straße gehen, müssen deshalb ebenfalls gegen die Verschärfung des „Asylbewerberleistungsgesetzes“ und des Aufenthaltsrechts kämpfen.

PEGIDA soll damit keinesfalls verharmlost werden: Der offene Rassismus dieser Bewegung ist eine reale und wachsende Bedrohung für alle Unterdrückten. Schon jetzt besitzt PEGIDA sehr gewaltbereite Sektoren, auch wenn die Bewegung insgesamt sich bisher von Gewalt distanziert. Doch der brutale Mord an Khaled Idress in Dresden am letzten Montag, der anfangs sogar von der Polizei geleugnet wurde, zeigt das Gewaltpotenzial dieser Bewegung und macht erneut auf erschütternde Art und Weise deutlich, wie notwendig es ist, den RassistInnen endlich Einhalt zu gebieten.

Doch eine Allianz mit denselben Parteien, die an der Regierung jedes Mal mit antisozialer Politik und imperialistischen Interventionen die Grundlagen für Rassismus, Islamophobie und die Stigmatisierung von MigrantInnen schaffen, darf für die ArbeiterInnenbewegung und die Linke nicht in Frage kommen. Wir dürfen es nicht zulassen, dass die Mobilisierungen gegen PEGIDA weiterhin von der herrschenden Klasse und ihren HandlangerInnen instrumentalisiert werden. Um erfolgreich zu sein, muss sich der Antifaschismus stattdessen vor allem gegen das Regime wenden, das unser Hauptgegner ist.

… für einen klassenbewussten Antirassismus!

Das Erstarken der RassistInnen kann nur durch eine unabhängige Klassenpolitik beantwortet werden, denn PEGIDA ist selbst Ausdruck einer Schwäche der ArbeiterInnenbewegung und der Linken, adäquate Antworten auf die neoliberale Offensive der letzten Jahren zu geben. Zehn Jahre nach Einführung der Agenda 2010 und sieben Jahre nach Beginn der Weltwirtschaftskrise kanalisieren deshalb RechtspopulistInnen und FaschistInnen die Abstiegsängste von Teilen des KleinbürgerInnentums und der ArbeiterInnenklasse. Eine ausreichende Antwort einer klassenkämpferischen Linken und ArbeiterInnenbewegung auf die Krise gibt es bisher nicht – und zwar europaweit. Die KleinbürgerInnen und Deklassierten nehmen die Schwäche der ArbeiterInnen wahr, sind aber auch enttäuscht von einer Regierung, die nur der großen Finanz- und Exportindustrie Vorteile verschafft, und wenden sich deshalb reaktionären Ideologien zu. Wenn die Linke in Deutschland nicht nur dieses PEGIDA, sondern die nächsten zwei, drei, vielen PEGIDAs verhindern will, muss sie eine von Regierung und KapitalistInnen unabhängige Politik der ArbeiterInnenklasse vorantreiben.

Das bedeutet auch, sich wo immer nötig gegen die reformistischen Partei- und Gewerkschaftsapparate zu stellen, die die Politik der Regierung unterstützen, die Kämpfe von ArbeiterInnen zurückhalten und mit ihrem eigenen Standortchauvinismus ein Standbein für Rassismus und Nationalismus innerhalb der ArbeiterInnenklasse schaffen. Sie waren es auch, die die Angriffe von Hartz IV und Agenda 2010 mitgetragen haben und so den Nährboden für die heutigen rechten Mobilisierungen mitbereitet haben. Aber leider wird der antifaschistische Kampf, gefangen in der Anpassung an die nationalbornierten Gewerkschaftsbürokratien und die vorherrschenden ArbeiterInnensubjektivität, häufig völlig unabhängig von der Klassenfrage betrachtet.

Linke müssen die antirassistische Mobilisierung stattdessen mit einem Kampf gegen die Agenda 2010 und den heuchlerischen Antirassismus der Regierung verbinden. Anstatt sich von bürgerlichen Kräften vereinnahmen zu lassen, ist es notwendig, sich mit den Methoden der ArbeiterInnenbewegung den RassistInnen entgegenzustellen: Dass die Amazon-ArbeiterInnen in Leipzig und in Bad Hersfeld als Teil ihres Kampfes PEGIDA blockiert haben, zeugt davon, dass in der Krise auch neue Tendenzen in der ArbeiterInnenbewegung entstanden sind, die es voranzutreiben gilt. Eine klassenbewusste ArbeiterInnenbewegung, die den Kampf für ihre ökonomischen Interessen mit einem Kampf gegen die Regierung und gegen die rassistische Spaltung der ArbeiterInnenklasse verbindet, kann PEGIDA den Boden entziehen. Gemeinsam mit ihnen müssen SchülerInnen und Studierende auf die Straße gehen, Schul- und Unistreiks gegen Rassismus und für einen gemeinsamen Kampf mit der ArbeiterInnenbewegung organisieren. Eine antifaschistische Bewegung, die statt Klassenpolitik zu machen gemeinsam mit der Regierung marschiert, ist demgegenüber dem Untergang geweiht.

PEGIDA bekämpfen, den heuchlerischen „Antirassismus“ des Regimes denunzieren, Antirassismus in die Betriebe tragen, Agenda 2010 zurückschlagen!

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