Gedenken an die internationalistischen Kommunisten Buchenwalds

14.10.2025, Lesezeit 5 Min.
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Foto: KGK

Am Samstag erinnerte ein Kolloquium in der Nähe des ehemaligen KZ Buchenwald in Mitteldeutschland an die revolutionären Kämpfer, die dort von den Nazis eingesperrt und ermordet wurden.

Die Nazis errichteten das KZ Buchenwald Mitte 1937. Es liegt auf einem windumtosten Hügel in der Nähe von Weimar in Mitteldeutschland. In den folgenden 8 Jahren wurden hunderttausende Menschen in dieser Folterfabrik gefangen gehalten – über 5000 von ihnen wurden ermordet. Am 11. April 1945, als die Alliierten heranrückten, befreiten sich die Insassen selbst

Letzten Samstag versammelten sich dutzende Historiker:innen und Aktivist:innen aus Frankreich, Deutschland und den Niederlanden an der Gedenkstätte Buchenwald, um den Revolutionär:innen zu gedenken, die dort gefangen gehalten oder ermordet wurden. Das Gedenken schloss auch die vier trotzkistischen Gefangenen ein, die die Erklärung der Internationalistischen Kommunisten Buchenwalds verfasst haben: Marcel Beaufrère aus Frankreich, Florent Galloy aus Belgien und Ernst Federn und Karl Fischer aus Österreich. 

Auch erinnerte die Zeremonie Marcel Hic, dem französischen trotzkistischen Führer, der im KZ Mittelbau-Dora (einen Außenlager Buchenwalds) ermordet wurde sowie Martin Monath, dem jüdisch-deutschen Flüchtling in Frankreich, der revolutionäre Zellen in der Wehrmacht organisierte (er wurde von der Gestapo in Paris ermordet).

Als die Gruppe Anstalten machte, die Internationale zu singen, näherte sich ein Auto des Sicherheitsdienstes. Die Gedenkstätte Buchenwald wird unter dem Druck der deutschen Staatsräson in den letzten Jahren immer repressiver. Sowohl ein liberal-zionistischer israelischer Philosoph, als auch der russische Botschafter wurden im April von den Feierlichkeiten ausgeschlossen. Das Tragen von Keffiyeh sowie das Zeigen bestimmter Symbole kommunistischer Organisationen sind als „antisemitisch“ und „wextremistisch“ durch die Leitung der Gedenkstätte mittlerweile untersagt. Diese Gedenkveranstaltung jedoch konnte ungestört durchgeführt werden. 

Kolloquium

Die Teilnehmer:innen steuerten anschließend das Weimarer Bienenmuseum an – ein Gewerkschaftshaus gibt es in der Stadt nicht – um am Kolloquium zum 80. Jahrestag der internationalistischen Erklärung teilzunehmen. Nach einleitenden Worten des lokalen DGB-Vorsitzenden stellte Jan Willem Stutje, der Ernest Mandel Biograph, sein neues Buch über Buchenwald vor. Er betonte, dass die trotzkistischen Gefangenen nicht nur in Angst vor den Nazis leben mussten, sondern auch vor den stalinistischen Gefangenen, die die Häftlingsorganisationen im Untergrund kontrollierten.

François Preneau aus Brest im Nordwesten Frankreichs sprach über die internationalistischen Kommunisten der Bretagne. Während die offizielle stalinistische Partei zu „patriotischem“ Widerstand gegen die Nazis an der Seite der französischen Bourgeoisie aufrief, vertraten die Trotzkist:innen ein internationalistisches Programm. Ihr Motto: „Unsere Gegner sind nicht die deutschen Arbeiter, sondern diejenigen, die die deutschen Arbeiter ausbeuten“. Diese französischen Aktivisten waren in der Lage, revolutionäre Zellen innerhalb der Wehrmacht um die Zeitung Arbeiter und Soldat zu organisieren. Viele von diesen französischen Aktivisten und deutschen Soldaten wurden verhaftet und hingerichtet, einige unter ihnen nach Buchenwald verschleppt.

Trotz der Folter, die sie in Buchenwald erdulden mussten, blieben sie ihrer revolutionären Perspetkive treu, die Erklärung ist ein Zeugnis davon. Fischer war ein Österreichischer Delegierter auf dem Gründungskongress der IV. Internationale, doch hielt er ihre Gründung für verführt und für zu optimistisch. Seine Gruppe entwickelte außerdem Differenzen mit Trotzkis Analyse der Sowjetunion als degenerierten Arbeiter:innenstaat. Der Text spiegelt diese Meinungsverschiedenheiten unter den Autoren in Form einer gewissen Ambiguität wider. 

Weniger als zwei Jahre nach seiner Befreiung aus Buchenwald wurde Fischer von der stalinistischen Geheimpolizei verschleppt und nach Sibirien deportiert, wo er bis 1955 gefangen gehalten wurde. 1963 starb er mit nur 44 Jahren an den Folgen der Folter, der er dort ausgesetzt war. 

Auch wenn ihre Hoffnung auf ein sozialistisches Deutschland inmitten eines sozialistischen Europas in Nachhinein unrealistisch wirken könnte, beschrieb der Historiker Ernst Neweling die massive antikapitalistische Stimmung in der deutschen Arbeiter:innenklasse in den Jahren nach 1945. Während die Arbeiter:innen begannen, ihre Gewerkschaften und politischen Parteien zu reorganisieren, forderten sie die Enteignung der Nazikriegsverbrecher:innen und die Einrichtung der Arbeiter:innenkontrolle. Die Besatzungsmächte allerdings unterdrückten alle Formen der Selbstorganisation, die einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit durchsetzen wollten.

Arbeit, die vor uns liegt

Das Kolloquium endete mit einer weiteren Runde der Internationalen. Der Verein  “Amis d’Arbeiter und Soldat” organisierte vor einem Jahr bereits ein Kolloquium in Brest in Erinnerung an diejenigen Trotzkisten der Stadt, die für ihre Überzeugungen mit dem Leben bezahlten. Der Verein arbeitete seitdem ununterbrochen und veröffentlichte bereits fünf zweisprachige Bulletins in Französisch und Deutsch, nebst zwei Broschüren über die letztjährige Veranstaltung. Wir haben eine verlorene Ausgabe der Zeitung für Soldat und Arbeiter im Westen, der Untergrundzeitung deutscher Soldaten, gefunden und Spuren zu den Namen der Soldaten, die an solchen antifaschistischen Komitees innerhalb der Wehrmacht beteiligt waren.

In Zeiten des wachsenden Militarismus, in denen die herrschenden Klassen der imperialistischen Länder eine chauvinistische Stimmung erzeugen wollen, bleiben diese Revolutionäre mit ihrem unerschütterlichen Glauben an den Internationalismus ein Beispiel, welches sich zu studieren lohnt.

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