Freier Eintritt im Botanischen Garten dank Warnstreik?

10.03.2016, Lesezeit 4 Min.
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Am Freitag legen die Beschäftigten des Botanischen Gartens in Berlin die Arbeit nieder.

Der Botanische Garten in Berlin-Steglitz ist ein wunderschöner Ort. Doch schon beim ersten Besuch fällt auf, dass etwas nicht stimmt. Die Reinigungskräfte kommen ihren Aufgaben nicht nach, etliche Bereiche sind verschmutzt. Das liegt daran, dass 18 Stellen unbesetzt sind, teilweise seit Jahren.

Ein Teil der Belegschaft arbeitet für die Freie Universität (FU) Berlin, zu der der Garten gehört. Der andere Teil arbeitet für ein Tochterunternehmen mit einem sperrigen Titel: die „Betriebsgesellschaft für die Zentraleinrichtung Botanischer Garten und Botanisches Museum“. Beide Gruppen machen die gleiche Arbeit, doch letztere erhält bis zu 42 Prozent weniger Lohn.

Seit über einem Jahr fordern die Beschäftigten zusammen mit der Gewerkschaft ver. di, dass das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ eingehalten wird. Konkret verlangt die Gewerkschaft eine „Annäherung“ an den Tarifvertrag für Landesbeschäftigte (TV-L), der auch für die FU Berlin gilt, und in den kommenden Jahren auch eine Angleichung der Löhne.

Doch die Hochschulleitung gibt nicht nach. Der FU-Kanzler Peter Lange, der Ende letzten Jahres in Rente ging, drohte mit der Schließung einer kompletten Fakultät, sollten die Beschäftigten sich durchsetzen. In anderen Momenten soll er mit dem Gedanken gespielt haben, Randstücke des Gartens zu verkaufen oder die komplette Anlage zu schließen und daraus eine Grünfläche zu machen. Obwohl das Kuratorium der Hochschule Ende vergangenen Jahres beschlossen hat, gleichen Lohn für gleiche Arbeit „mittelfristig“ durchzusetzen, bleiben die Unterhändler*innen hart.

Deswegen sind die Beschäftigten nun im Arbeitskampf. Beim ersten Warnstreik am 26. Februar wurde weder die Presse noch die Öffentlichkeit vorher informiert – die Gewerkschaft war sich nicht sicher, wie viele Kolleg*innen tatsächlich rausgehen würden. An diesem Tag haben nur die Besucher*innen, die dank des Ausstands der Kassierer*innen umsonst in den Garten reingehen durften, etwas vom Warnstreik mitbekommen. Am Ende war die Beteiligung sehr hoch.

Deswegen wollen die Arbeiter*innen am heutigen Freitag mehr Wirbel machen. Sie demonstrieren im Bezirk Steglitz zum Hermann-Ehlers-Platz, wo sie um 11.00 Uhr eine Kundgebung abhalten werden. Sylke Gottwald, Verwaltungsleiterin des Gartens, schreibt in einer internen Mail, die dieser Zeitung vorliegt: „Sollten die Kassen nicht besetzt sein, so werden die Eingänge dennoch offen gehalten.“ Anders ausgedrückt: Wer seine*ihre Solidarität ausdrücken möchte, kann sich heute voraussichtlich den Eintritt sparen und umsonst den Garten besuchen.

Am 1. April 2016 wird außerdem der Bereich Reinigung der Betriebsgesellschaft aufgelöst. Die sechs Beschäftigten, von denen zwei zum Betriebsrat gehören, haben über dieses Datum hinaus noch unbefristete Arbeitsverträge. Doch was mit ihnen passiert, wissen sie nicht. In der Reinigungsbranche gilt ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag. Doch die Reiniger*innen am Botanischen Garten erhalten deutlich weniger – nur knapp über dem Mindestlohn –, weil sie nicht für eine Reinigungsfirma arbeiten. So wird die Vergabe der Arbeit an eine Fremdfirma unter dem Strich teurer sein. Aber es geht scheinbar in erster Linie darum, gewerkschaftliche Strukturen zu zerschlagen – koste es, was es wolle.

Am Mittwoch gründete sich in der Berliner ver.di-Zentrale ein Solidaritätsbündnis für den Arbeitskampf. Neben Beschäftigten der FU Berlin kamen auch linke Hochschulgruppen und Vertreter des Allgemeinen Studierendenausschusses. Denn die FU Berlin ist – in den Worten eines anwesenden Gewerkschafters – ein „Sammelsurium prekärer Beschäftigung“. Niedriglöhne, befristete Arbeitsverträge und Outsourcing sind für viele Sektoren die Regel.

Juristisch gesehen verhandeln die Beschäftigten nur mit der Betriebsgesellschaft. Aber im Hintergrund wirken nicht nur das Präsidium der FU, sondern auch die Wissenschaftssenatorin und der Finanzsenator der Stadt mit. Deswegen werden sich die Beschäftigten auch in den Wahlkampf der bevorstehenden Landtagswahl im September einmischen.

10.30 Uhr: Demonstration, Eingang Unter den Eichen 8, 12203 Berlin, S1 Botanischer Garten
11.00 Uhr: Abschlusskundgebung, Hermann-Ehlers-Platz, 12165 Berlin, S1/U9 Rathaus Steglitz

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