Freie Universität schickt Reinigungskräfte nach Hause

09.04.2016, Lesezeit 4 Min.
Gastbeitrag

Es ist dieses Mal nicht der „Titanenwurz“ (Amorphophallus titanum), dessen Aasgeruch den Besucher*innen im Botanischen Garten in die Nase steigt. Es sind die unhygienischen Sanitärräume, seitdem eine Werkvertragsfirma die Reinigung übernommen hat.

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Man könnte es für einen schlechten Aprilscherz halten – den Beschäftigten und Besucher*innen des Botanischen Gartens in Berlin bleibt dabei jedoch das Lachen eher im Halse stecken. Seit dem 1. April hat die Freie Universität eine Werkvertragsfirma mit der Unterhaltsreinigung des Botanischen Gartens beauftragt und gleichzeitig einen Teil ihrer eigenen Reinigungskräfte unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt.

Nun häufen sich die Beschwerden über die Reinigungsleistung der „neuen Firma“. Die Beschäftigten wünschen sich ihr altes Reinigungsteam zurück und die Geschäftsführer*innen zahlen in diesen Tagen Lehrgeld.

Ein Fall für das Gesundheitsamt

Die Firma Gegenbauer lässt derzeit eine Fläche von 30.000 Quadratmetern von nur 2-3 Personen reinigen. Vorher hatten das sechs Reinigerinnen der Betriebsgesellschaft gerade so geschafft. Seit acht Tagen wurden die Herrentoiletten und die Duschen im Maschinenhaus nicht mehr gewischt. Handtuchrollen und Seifenspender wechseln die Beschäftigten des Botanischen Gartens inzwischen wieder selbst – „damit man sich wenigstens die Hände waschen kann“. An vielen Stellen ist kein Toilettenpapier vorhanden. Die Besucher*innentoiletten kann man nur noch mit „zugehaltener Nase“ betreten, die Mülleimer für Hygieneartikel „quillen über“ – so wird es aus Kreisen der Belegschaft beschrieben. Auf Nachfrage heißt es: „Man habe keine Zeit zum Wischen, da man ja nur zu zweit ist.“

In der Frauenumkleide am Wirtschaftshof, in der sich Gärtnerinnen umziehen und duschen, reinigt nun ein Mann die Räumlichkeiten während der Umziehzeiten. Der Personalschlüssel der neuen Firma lässt es anscheinend nicht zu, das Personal so einzuteilen, dass eine Frau diese Aufgabe erledigt. Die Geschäftsführung des Botanischen Gartens darf nicht eingreifen. Sie hat ihr Weisungsrecht mit „outgesourct“. Ebenso kann die Leitung nicht verlangen, dass mehr Personal eingesetzt wird.

Werkverträge und Leiharbeit

Bei Werkverträgen schreibt der Auftraggeber, in diesem Fall die Freie Universität Berlin, eine Dienstleistung aus, vereinbart mit dem Auftragnehmer eine bestimmte Qualität und einen Abgabetermin. Wie der Auftragnehmer seine Aufgabe dann erledigt, mit wie vielen Angestellten, wie er dabei vorgeht und wie er diese behandelt – all das ist allein seine Angelegenheit.

Die Arbeitnehmer*innen der Werkvertragsfirma im Botanischen Garten kann man nur bedauern. Sie dürfen weder Fahrzeuge noch Arbeitsmaterialen der Einrichtung benutzen, sowie keine Betriebs- oder Personalversammlungen besuchen. Ebenso können sie sich zwar mit Beschwerden an den ansässigen Betriebs- oder Personalrat wenden, dieser kann aber nicht tätig werden. Sie dürfen mit dem Stammpersonal nicht zusammen arbeiten und können keine Weisungen durch die Leitung des Botanischen Gartens erhalten. All das sind zwingende Vorschriften in der rechtlichen Abgrenzung von nicht mitbestimmungspflichtigen Werkverträgen zur mitbestimmungspflichten Leiharbeit.

Mittel der Tarifflucht

Die Auflösung des Bereichs Reinigungsservice wurde im Botanischen Garten während den laufenden Tarifverhandlungen vollzogen. Was die Kolleginnen im Reinigungsbereich in den letzten Jahren – für einen Stundenlohn von 6,50-8,77 Euro! – geleistet haben, dürfte in diesen Tagen nicht nur den Beschäftigten, sondern auch der Geschäftsführung noch einmal vor Augen geführt werden. Die Reinigungskräfte, die gegen ihren Willen nach Hause geschickt wurden, dürften die derzeitige Entwicklung ebenfalls mit einem weinenden und einem lachenden Auge sehen.

Seit 2011 wurde ihnen immer wieder mit der Fremdvergabe gedroht und der Einsatz einer Werkvertragsfirma als „bessere Lösung“ vorgehalten. Die Auswirkungen sind zum jetzigen Zeitpunkt an jeder Stelle seh- und riechbar, auch für die Entscheidungsträger selbst, deren „Porzellanabteilung“ ebenfalls in einem desaströsen, unhygienischen Zustand ist.

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