Film über Nord-Kurdistan an Frankfurter Hochschule verboten

29.11.2016, Lesezeit 6 Min.
Gastbeitrag

Am vergangenen Donnerstag wurde an der FH Frankfurt eine Filmvorführung mit dem Titel „Behind the Barricades – Ein Reisebericht aus Kurdistan“ abgesagt. Ein Gastbeitrag von Jana Westermann, Studentin an der Frankfurt University of Applied Sciences.

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Am Donnerstag abend hätte es im Rahmen des studentischen Projektes „Doc film for social change“ eine Filmvorführung mit dem Titel „Behind the Barricades – Ein Reisebericht aus Kurdistan“ geben sollen. Im Anschluss daran hätte es eine Diskussion mit Personen der YXK geben sollen, um die gesehenen Bilder einordnen zu können. In der Dokumentation werden die Erfahrungen von Journalist*innen verarbeitet, die in der vergangenen Zeit immer wieder Orte der kurdischen Befreiungsbewegung besuchten.

Bei der Filmreihe handelt es sich um ein jahrelang durch Lehrende und Studierende gepflegtes Projekt, welches aktuelle internationale Konflikte und Bewegungen zum Thema hat. Vor dem Hintergrund globaler aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen, aber auch mit Blick auf den an der Frankfurt University of Applied Sciences eingeführten Bachelor ‚Transnationale Soziale Arbeit‘, ein durch und durch bereicherndes Projekt für die Studierenden und Lehrenden dieser Hochschule und darüber hinaus, um die aktuellen Geschehnisse einordnen zu können. Bisweilen wurde diese Initiative doch immer wieder hochgelobt, auch die kontinuierliche Weiterentwicklung und die Besucher_innenzahlen der Vorführungsabende belegen dies.

Am Donnerstag kam es jedoch zum Bruch. Die Filmvorführung und die daran anschließende Diskussion, mit aus der kurdischen Bewegung zugehörigen Menschen, wurde durch das Präsidium untersagt. Im Vorlauf der Veranstaltung habe es eine Reihe von Beschwerden zur Aufführung gegeben. Zudem habe der Verfassungsschutz einen Hinweis dahingehend gegeben, dass es sich bei den Diskutant*innen um Personen handele, die mit ihrer Organisation der in Deutschland (warum auch immer) verbotenen PKK, nahe stünden. Nachdem zunächst darauf gezielt wurde, lediglich die Diskutant*innen auszuladen, den Film aber zeigen zu dürfen, wurde kurz vor knapp die gesamte Veranstaltung abgesagt. Das Gefährdungsrisiko sei zu hoch.

Diese Entwicklung ist aus mehreren Perspektiven bedenklich und untragbar.

Zu allererst wird hier einer studentischen Initiative, die sich mit globalen Entwicklungen auseinandersetzen möchte, der Raum genommen. Es wird hiermit in die studentische Selbstverwaltung eingriffen ohne in einen ernsthaften Diskurs darüber zu treten. Das Recht des Stärkeren wird hier ohne jede Grundlage durchgesetzt und so eine konstruktive Auseinandersetzung um gesellschaftliche Missstände verhindert. Diese Einschränkung durch das Präsidium erscheint höchst unzulässig.

Es handelte sich hier um eine Veranstaltung, welche auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Im Verfassungsschutzbericht von 2015 (der von 2016 lässt mal wieder auf sich warten…) ist weder die Veranstaltung, noch eine der veranstaltenden oder teilnehmenden Gruppierungen als Beobachtungsobjekt benannt. Die Veranstaltenden sind eine anerkannte Initiative Studierender der Hochschule, welche semesterübergreifend Diskussionen anstoßen, die im straffen Lehrplan ansonsten leider keinen Platz mehr finden.

Und auch darüber hinaus: Zu den geladenen Gästen gibt es keinen Grund zur Besorgnis: Es gibt im aktuellen Verfassungsschutzbericht (wenn man sich denn daran orientieren möchte, wie es ja die Hochschule letztendlich getan hat) lediglich einen Hinweis darauf, dass die YXK (Hier war die Hochschulleitung sogar nicht einmal gewillt sich mit der Buchstabenkombination ernsthaft auseinanderzusetzen und führte somit immer die YKK zur ihrer Argumentation an), der Verband der Studierenden aus Kurdistan, irgendwelche „Massenorganisationen“ unterhalten habe. Was das nun genau gewesen sei, beantwortet leider auch der Bericht nicht. Es gibt also nicht die geringste Grundlage hier auf den Rat eines Verfassungsschutzes zu hören, der sich ansonsten auch nicht besonders mit Ruhm bekleckert, was bspw. die Zusammenarbeit mit rechtsterroristischen Vereinigungen, wie dem NSU (National Sozialistischer Untergrund) oder aber auch, wie gerade die Tage erst herauskam, zu einer der wichtigsten Führungspersonen der extremen Rechten, Michael Kühnen, angeht. Dass der VS hier also den „gutgemeinten“ Tipp gegen Linke gibt, erscheint vor dem Hintergrund des sonstigen Wirkens der Institution gar nicht so neu.

Und by the way – während in der Türkei gerade massenhaft die Opposition, Intellektuelle, wie Widerständler*innen, verhaftet und ohne jedwede rechtliche Standards eingeknastet werden, von hier aus eine Vielzahl von Professor*innen eine Petition gegen die Dikatur Erdogans unterzeichnet haben, fällt das Präsidium hier einem Grundsatz der Freiheit von Forschung und Lehre, einer Anerkennung demokratischer Prinzipien, mit einem Freibrief durch den VS derart in den Rücken, dass es einen nur noch gruseln kann. Dass sich mit dieser Veranstaltung also auch eine Aufklärung über die aktuellen Geschehnisse in der Türkei und darüber hinaus die Lage im Nahen Osten versprochen wurde, ist so unterbunden worden.

Hinten dran steht der Druck von Studierenden, welche sich über die Veranstaltung beschwert haben. Hier kann nur gemutmaßt werden, um welche Studierende es sich wohl genau handelt. Dem Präsidium ist jedoch wohl bekannt, welche Rolle türkische Nationalist*innen an der Hochschule in den letzten Jahren gespielt haben. Hier sei erinnert an die Ältestenkonferenz der Studierenden, welche 2011 durch einen Übergriff durch der Organisation der ‚Bozkurtlar‘ (= Graue Wölfe, Jugendorganisation, der faschistischen MHP) nahestehenden Personen, durch Reizgas und persönliche Bedrohungen verhindert wurde. Hinzu kamen zahlreiche Bedrohungen und Einschüchterungsversuche gegenüber kurdischer Kommiliton*innen. Dass mit diesem Wissen im Hintergrund das Präsidium eine Absage der Veranstaltung als die naheliegende Lösung heranzieht, ist ein Kniefall vor rechten Strukturen an Hochschulen.

Dass sich der Präsident noch vor einem Monat bei der Tagung ‚Fünf Jahre nach dem Öffentlich werden des NSU‘ mit einem weitreichenden Pathos gegen jedwede rechtsextremistische Bestrebungen geäußert hat und hier ein anderes Maß anlegt und das Ganze gegen das Ansinnen selbst kehrt, anstelle Rückgrat zu beweisen ist zutiefst bedenklich. Der Kniefall vor den Rechten, der Glaube an eine völlig desaströse Institution, wie den Verfassungsschutz, das Verbieten gesellschaftskritischer Veranstaltungen, wie der heute Abend geplanter ist nicht hinnehmbar.

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