Festung Europa: mindestens 79 Geflüchtete vor Griechenland ertrunken

16.06.2023, Lesezeit 4 Min.
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Foto: Giannis Papanikos / Shutterstock.com

Am Mittwochmorgen ist ein Fischerboot mit bis zu 700 Geflüchteten, darunter vermutlich über 100 Kinder, etwa 80 Kilometer vor der Küste Griechenlands (Peloponnes) gekentert. Nach offiziellen Angaben beträgt die Zahl der Toten mindestens 79. Daraufhin gingen am Donnerstag tausende Menschen in Athen auf die Straße, um gegen die tödliche Festung Europa und die gesamte Einwanderungspolitik der EU zu protestieren.

Nach Angaben von Überlebenden war das 30 Meter lange Fischerboot von der libyschen Stadt Tobruk aus in Richtung Italien in See gestochen. Mit mutmaßlich bis zu 700 Menschen war das alte Boot völlig überladen. Die griechischen Behörden wurden schon am Dienstag Nachmittag durch die italienischen über das Fischerboot in Kenntnis gesetzt. Die Hilfe von Frachtern sei laut griechischer Küstenwache durch die Passagiere abgelehnt worden. Die griechische Küstenwache beobachtete das Boot weiterhin, als es schließlich vermutlich durch eine Panik an Bord, trotz ruhigen Wetters, kenterte. Dadurch, dass das Boot nahe der tiefsten Stelle im Mittelmeer, dem Calypsotief, sank, ist eine Bergung des Wracks nahezu unmöglich. In der Hafenstadt Kalamata auf der Halbinsel Peloponnes wurden schließlich nur knapp über 100 Überlebende ins Krankenhaus und andere Unterkünfte gebracht.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich nach der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin bestürzt: „Das ist bedrückend und ruft uns alle mal mehr dazu auf, alles dafür zu tun, dass Menschen nicht diese gefährlichen Fluchtrouten wählen“. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen twitterte, sie sei Aufgrund der vielen gemeldeten Todesfälle sehr traurig. „Wir müssen weiterhin mit den Mitgliedstaaten und Drittländern zusammenarbeiten, um solche Tragödien zu verhindern.“

Nachdem die Ampelregierung durch ihre Stimmen mit den EU-Innenminister:innen eine neue Asylrechts(konter)-Reform beschlossen haben, damit auf noch mehr und schnellere Abschiebung, sowie die Errichtung von Abschiebeknästen setzt, klingen solche Aussagen wie blanker Hohn.

Diese schaffen keine besseren Lebensbedingungen in den Herkunftsländern der Geflüchteten und sorgen mit dem Zwang zur Abwicklung der Asylverfahren an den Außengrenzen dafür, dass Schleuser und Geflüchtete neue zunehmend längere und gefährlichere routen wählen um in die EU zu gelangen. Immer noch ist die Politik der EU die Verschärfung der Repression mit Frontex: mit sichtbaren und unsichtbaren Zäunen, mit der Inhaftierung in moderne Abschiebelager, mit Abschiebungen und inakzeptablen Listen sogenannter sicherer Länder, die die Entwurzelten und Entrechteten dazu drängt, sich auf diese menschenfeindlichen Reisen zu begeben.

Um entgegen dieser mörderischen Migrationspolitik, die zwischen „guten“ und „schlechten“ Geflüchteten spaltet, zu demonstrieren, gingen am Donnerstag in Athen zehntausende Menschen auf die Straße. Kämpferisch zogen sie vor das Parlament, doch die griechische Polizei empfing die Demonstrierenden mit Tränengas. Schon zeigt sich die Realität der Politik von Ampel, GroKo und Co, die die Halbkolonien an den Grenzen der EU und außerhalb mit Sanktionspolitik gegen Arbeiter:innen wie der Troika in Griechenland oder dem EU-Libyen-Deal, dazu drängt die Geflüchteten von den imperialistischen Zentren fernzuhalten. Sie alle haben das Blut von zehntausenden Menschen an ihren Händen und wer es wagt, das aufzuzeigen, wird sofort selbst Opfer dieser brutalen Repression. Auch in Thessaloniki gab es Proteste – einige Teilnehmer:innen verbrannten EU-Flaggen, als Zeichen gegen das menschenfeindliche EU-Regime.

Wir müssen deshalb sowohl in Deutschland, als auch Griechenland und anderswo in den Gewerkschaften und sozialen Organisationen zu Mobilisierungen gegen die abscheuliche Asylpolitik aufrufen. Die Aufnahme von Geflüchteten in die Arbeiter:innenorganisationen spielen angesichts sozialer Krise, der Zuspitzung der Klimakatastrophe und den Spaltungsversuchen eine dringende Aufgabe. Der Kampf gegen die Abschiebepolitik muss sich gegen den Militarismus wenden, das nichts Weiteres bedeutet, als Fluchtursachen herzustellen, während soziale Bereiche gekürzt werden.

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