Fabrik unter Arbeiter*innenkontrolle

11.06.2013, Lesezeit 3 Min.
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Am letzten Samstag besuchte Raúl Godoy, wesentliche Figur der selbstverwalteten Keramikfabrik Zanon, zum Abschluß einer zweiwöchigen Rundreise durch Europa Berlin. Dort berichtete er über seine Erfahrungen und Erlebnisse im Kampf um die Arbeiter*innenkontrolle und versuchte, besonders auf Griechenland bezogen, weitere Ansätze für den internationalistischen Kampf aufzuzeigen. Er sprach vor knapp 120 Interessierten, um die Lehren aus dem beispielhaften Kampf bei Zanon zu ziehen.

Nun produziert die argentinische Keramikfabrik Zanon schon seit über zehn Jahren selbstverwaltet und ohne eine kapitalistische Struktur, weshalb sie auch als „Fabrik ohne Chefs“ bezeichnet wird. Was wie eine schwärmerische Utopie klingt, ist im Gegenteil erfolgreiche Realität, was sich auch statistisch belegen lässt: So gab es etwa seit der Besetzung im Jahr 2001 keine ernsthaften Arbeitsunfälle, während in der Vorzeit von 1979 bis 2001 etwa 25 Arbeitsunfälle pro Monat (!) geschahen. Die ehemals sehr harten Arbeitsbedingungen, wie Godoy, der seit knapp 20 Jahren dort arbeitet, berichtete, hatten auch zu 14 Toten geführt. Ebenso wurde infolge des Kampfes der 8 Stunden-Tag mit gleichem Lohn für alle durchgesetzt, im Gegensatz zum ehemaligen 14 Stunden-Tag.

Doch wie kann solch ein Erfolgsmodell überhaupt funktionieren, während „vor dem Tor ein kapitalistisches System in der Krise herrscht“? Wie konnten die Arbeiter*innen die Produktions­mittel an sich reißen? Godoy berichtete, dass es zunächst massive Repressionen seitens der Unternehmer*innen gab, wodurch die anfängliche Organisierung der Arbeiter*innenschaft sehr schwer war. Und doch war es einfacher als erwartet: Ein kleiner politischer Kern um Godoy – der selbst Anführer in der Partei Sozialistischer Arbeiter*innen (PTS) ist – fing an, Grillfeste und Fussballturniere zu veranstalten, wodurch man außerhalb der Augen der Chefs Kontakte knüpfen und die weitere Strategie herausarbeiten konnte, also eine wichtige Vorarbeit leistete, die nützlich war, als die Fabrik im Zuge der Krise in Argentinien 2001 geschlossen werden sollte. So gelang es, auch mit der solidarischen Hilfe von Studierenden, Arbeitslosen und Bündnissen von anderen besetzten Betrieben, die Kontrolle über die Fabrik zu übernehmen.

Damit befanden sie sich in einer ähnlichen Situation wie heute die Arbeiter*innen der griechischen Baustofffabrik Vio.Me, in der 38 Arbeiter*innen seit drei Monaten selbst produzieren. Zanon kann als Vorbild für die griechischen Genoss*innen dienen, denn entgegen einiger Einwendungen, wonach Zanon „nur“ ein besonderer Ausdruck und Ergebnis der argentinischen Krise von 2001 ist, lässt sich feststellen, dass das Modell Zanon Teil einer revolutionären Antwort auf die Krise ist. Es ist dies der Grund, weshalb der Vortrag Godoys vor eben jenen Arbeiter*innen in Thessaloniki eine große Bedeutung hatte.

Nichtsdestotrotz hängt die weitere Zukunft Zanons natürlich von der weltweiten klassenkämpferischen Arbeiter*innenklasse ab, weshalb die Fabrik niemals ein Selbstzweck, sondern eher ein „Schützengraben“ ist, aus welchem weitere Kämpfe wie diese mit dem gleichen Ergebnis geführt werden müssen. Damit Zanon nicht eine „sozialistische Insel im kapitalistischen Meer“ ist, wird von dort die Verbindung mit Kämpfen über die Fabrik hinaus gesucht. Damit diese Kämpfe erfolgreich bestritten werden können, ist auch der Aufbau einer revolutionären Partei notwendig, damit diese die Perspektive einer sozialistischen Revolution aufzeigen kann.

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