Einsparungen im öffentlichen Nahverkehr: Busfahrer*innen mit Niedriglöhnen

07.06.2016, Lesezeit 4 Min.
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Einsparungen sind Alltag im öffentlichen Nahverkehr in Deutschland. Ausgetragen wird dies auf dem Rücken der Beschäftigten.

In Pforzheim und Hildesheim sollen die kommunalen Verkehrsunternehmen abgewickelt werden. Mitten in Schwaben sind Busfahrer*innen gezwungen, ihr Eigenheim zu veräußern, um der Privatinsolvenz zu entkommen.

Die Verantwortung hierfür trägt die Deutsche Bahn AG, deren einziger Aktionär die Bundesrepublik Deutschland ist. Diese bietet vielen Stadtverwaltungen an, den Busverkehr über Tochterunternehmen ohne kommunale Zuschüsse zu organisieren. Nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) sind Kommunen dazu verpflichtet solche Angebote bevorzugt zu behandeln. In Pforzheim haben fast alle Beschäftigten bereits eine Kündigung erhalten.

Laut Rudolf Hausmann von der Gewerkschaft ver.di, Landesfachbereichsleiter für Verkehr, benötigt das Tochterunternehmen der Deutschen Bahn 80 Arbeiter*innen. Diese würden aber nicht einfach übernommen. Die Busfahrer*innen müssen sich neu bewerben. Es wird keine Betriebszugehörigkeit anerkannt und sie erhalten eine neue Probezeit. Obendrauf müssten sie auf 700 Euros ihres bisherigen Monatslohns verzichten – das entspricht einem Drittel ihres aktuellen Einkommens.

Es wirkt verrückt: Ein staatliches Unternehmen drängt mit Lohndumping kommunale Unternehmen vom Markt. Thomas Wurster, Busfahrer in Pforzheim, erklärt kämpferisch, dass sich niemand auf die 80 Stellen beim Tochterunternehmen der Deutschen Bahn AG bewerben wird.

In Hildesheim ist die Situation noch ungewiss. Auch hier hat die Deutsche Bahn über ein Tochterunternehmen ein Angebot gemacht. Ebenfalls sollen keine kommunalen Zuschüsse benötigt werden. Deswegen haben die Stadtwerke Hildesheim ihr eigenes Angebot unterbreitet, um die Weiterexistenz auch ohne Zuschüsse zu garantieren.

Die betroffenen Arbeiter*innen sitzen in der Zwickmühle: Wollen sie die Lohnkürzungen nicht hinnehmen, droht ihnen die Kündigung. Wollen sie für das kommunale Unternehmen weiter arbeiten, müssen sie Lohnkürzungen hinnehmen. Die Verhandlungen mit ver.di laufen. Es ist durchaus möglich, dass die Gewerkschaftsbürokratie den Lohnkürzungen zustimmt.

Fehlende Investitionen

Im Ruhrgebiet verursacht die Unterfinanzierung des öffentlichen Nahverkehrs einen gigantischen Investitionsrückstau. Die drei Städte Essen, Duisburg und Mühlheim müssen von 2014 bis 2024 über 350 Millionen Euro ausgeben, um technische Instandhaltungsmaßnahmen im öffentlichen Nahverkehr durchzuführen. Dabei wird der kommunale Haushalt von Mülheim 2018 voraussichtlich mehr als eine Milliarden Euro Schuldenlast tragen.

Im ganzen Ruhrgebiet sind die Zugsicherungssysteme, zur Steuerung von Fahrsignalen etc., über 30 Jahre alt. Es mangelt an Ersatzteilen und Personal, das noch mit der Technik vertraut ist. Die alten Relais und Platinen werden nicht mehr gefertigt und die Restbestände immer knapper. Neue Technik ist teuer und die Bildung finanzieller Rücklagen war für die Kommunen durch die Sparpolitik nicht möglich.

Schon immer war die finanzielle Bezuschussung des öffentlichen Nahverkehrs knapp bemessen. Einsparungen finden deshalb nur bei den Personalkosten statt. Dennoch leisten sich viele Verkehrsbetriebe im Ruhrgebiet ein gut bezahltes Management. Gespart wird nur bei den Bus- und Straßenbahnfahrer*innen. In Duisburg ist der Chef der Verkehrsgesellschaft zugleich auch Chef der Stadtwerke. Laut Geschäftsbericht 2012 erhält dieser 324.000 Euro im Jahr. Das ist eine ganz normale Vorstandsvergütung bei solchen Unternehmen.

Arbeitsplätze und Arbeiter*innenkontrolle

Öffentlicher Nahverkehr schafft Arbeitsplätze. Wenn mehr Linien entstehen, fahren mehr Busse und Bahnen. Diese benötigen mehr Fahrer*innen und Techniker*innen. Was wir weniger bräuchten sind Manager*innen. Die Beschäftigten und Fahrgäste zusammen könnten Entscheidungen treffen, die im Sinne der arbeitenden Bevölkerung sind.

Klaus-Peter Wandelenus, Chef der Verkehrsgesellschaft in Mühlheim, brüstet sich damit, einige Hundert Mitarbeiter*innen ersatzlos gefeuert zu haben. Dies wurde möglich durch die Gründung der Via Verkehrsgesellschaft mbH, eine Tochter der kommunalen Verkehrsbetriebe von Mühlheim, Duisburg und Essen. In dieser konnte er sich einen weiteren Posten in einer Geschäftsführung sichern. Während es beim Service- und Werkstattpersonal zu massivem Stellenabbau kam, gab es durch die Gründung der Via Verkehrsgesellschaft mbH weitere Vorstandsposten zu besetzen.

Wenn wir das alles nicht länger hinnehmen wollen, brauchen wir eine kämpferische Perspektive. Fahrgäste und linke Aktivist*innen könnten gemeinsam mit den Arbeiter*innen der Verkehrsbetriebe im Ruhrgebiet für die Arbeiter*innenkontrolle kämpfen. Auf Bundesebene muss Druck auf der Straße und eine Streikbewegung die Wiederverstaatlichung der Deutschen Bahn unter Arbeiter*innenkontrolle erzwingen. Dass sie durch Gesetze und Tochterfirmen Lohnsenkungen zu erzwingen versucht, ist nicht hinnehmbar.

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