Eine multipolare Welt als Alternative?

26.08.2023, Lesezeit 5 Min.
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BRICS-Fahne - Foto: Iljanaresvara Studio / Shutterstock.com

Diese Woche versammelten sich die BRICS-Staaten, um über die strategische Entwicklung ihrer Gruppierung zu beraten. Ziel ist der Aufbau einer Gegenmacht zum westlichen Imperialismus. Dazu haben sie die Aufnahme sechs weiterer Staaten beschlossen.

Die sogenannten Schwellenländer wollen nicht, wie es der Westen diktiert. Als Gegenpol zur G7 (Britannien, USA, Japan, Italien, Frankreich, Kanada und Deutschland) formierte sich 2006 die BRICS-Gruppierung, die vom 22. bis zum 24. August ihren Gipfel in Südafrika abhielten. Ziel der Staaten ist es, eine ökonomische und politische Alternative zum Westen zu sein. Während  die westlichen Industrienationen  seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022  versuchen, die Russische Föderation mittels Wirtschaftssanktionen global zu isolieren, verweigert ein Großteil der Staaten außerhalb der westlichen Hemisphäre jenen die Gefolgschaft. Mit diesem Hintergrund spielt der Gipfel eine gewichtete Rolle. Mitglieder der Gruppe sind Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.

Alternative zur westlichen Welt?

Schwerpunkt des Gipfel war es, wie die Staaten gemeinsam wachsen und einen Teil des Aufbaus einer multipolaren Gesellschaft  darstellen können. Bis auf Putin, der aufgrund eines internationalen Haftbefehls per Video zugeschaltet war, trafen sich die Staats- und Regierungschefs der BRICS-Staaten in Johannesburg, um über wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit sowie über den Ukrainekrieg zu sprechen. Besonders Putin verstand den Gipfel als Bestätigung, dass Russland alles andere als isoliert sei und unter den Staaten im sogenannten “globalen Süden” Verbündete hat. Wenngleich der brasilianische Präsident Lula da Silva auf X (ehemals Twitter) betonte, dass der Gipfel nicht als Gegenpol zur G7 und der Europäischen Union verstanden werden soll, ist das genau das Ziel. Dabei haben sie gute Aussichten, ihren Einfluss großflächig auszubauen: Etwa 40 Nationen bekundeten Interesse, in den Kreis der BRICS-Staaten aufgenommen zu werden.

Einstimmig ging es auf dem Gipfel jedoch nicht zu. Während besonders China eine Erweiterung der Gruppe begrüßte, reagierte Indien verhalten. Grund dafür ist die angespannte Situation zwischen der Volksrepublik und Indien, die nicht nur Grenzstreitigkeiten haben. Indien sieht seine politische Stellung dahingehend in Gefahr, dass Staaten, die China wohlgesinnt sind, das Kräfteverhältnis verschieben könnten. Hiernach bleibt noch aus, welche Kriterien zu erfüllen seien, um Mitglied der Gruppierung zu werden. Dabei vertreten die BRICS-Staaten bereits jetzt schon 41 Prozent der Weltbevölkerung. Doch während die G7 lediglich 10 Prozent vertreten, beträgt ihre Wirtschaftsleistung 44 Prozent: BRICS liegt bei 26 Prozent. Ein weiterer Grund einer zügigen Erweiterung.

Alte Feindschaft – neue Einheit

Trotz noch bestehender Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Mitgliedschaften wurde bekanntgegeben, dass zum 1. Januar 2024 sechs neue Nationen aufgenommen werden: Argentinien, Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Besonders die Aufnahme der sunnitischen Kopf-ab-Diktatur Saudi-Arabien kann der G7 übel aufstoßen, da das Königreich mit dem Westen bisher eine mehr oder minder gute Beziehung führt. Diese Verschiebung der Kräfteverhältnisse ist für die G7 auch eine geostrategische Niederlage, da mit der Aufnahme Irans ein (Noch-)Rivale Saudi-Arabiens aufgenommen wird. Besonders im brutalen Krieg im Jemen stehen die sunnitische Diktatur und die schiitische Theokratie auf der jeweils anderen Seite. Nichtsdestoweniger erfolgte in den vergangenen Monaten eine Annäherung.

Wenig verwunderlich fällt die Reaktion der deutschen Regierung negativ aus. Die Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) lehnte jegliche Zusammenarbeit mit Putin ab und konfrontierte damit auch den BRICS-Gipfel. Mit der moralischen Argumentation, dass das gescheiterte Getreideabkommen durch Putin auch negative Auswirkungen auf Brasilien und Südafrika habe, stellt sie auch die rhetorische Frage, welche “Werte” man eigentlich zu verteidigen habe. Dass diese Angriffe wenig Substanz haben werden, konnte man mehrfach in der Verteidigung sehen.

Was hat die Arbeiter:innenklasse davon? 

Doch was bedeutet diese Entwicklung? Wird der Aufbau eines ökonomischen und politischen Gegenpols zum westlichen Imperialismus eine bessere Welt nach sich ziehen? Freilich nicht. Die BRICS-Staaten brechen nicht mit dem globalen System der Ausbeutung, sondern wollen sich selbst an dessen Spitze setzen. Sie stellen sich nicht gegen den imperialistischen G7-Block, weil sie dessen Ziele und Methoden ablehnen, sondern weil sie gerne selbst an dessen Stelle wären.

Eine multipolare Welt wird außerdem angesichts des erstarkten Militarismus und des Aufstiegs der radikalen Rechten und faschistischen Kräfte sowohl im Westen als auch innerhalb des “globalen Südens” einen Konflikt unter den bürgerlichen Staaten wahrscheinlicher machen. Man sieht nicht nur im Ukrainekrieg das Potential eines möglichen Flächenbrandes, der einen größeren Krieg auslösen könnte. Diese Gefahr finden wir beim Taiwan-Konflikt, im israelischen Krieg gegen Palästina oder den Putschen und Militärdiktaturen in Niger und Burkina Faso.

Die Arbeiter:innenklasse hat von dieser Entwicklung nichts zu gewinnen. Es sind die Unterdrückten dieser Welt, die unter dem Kräftemessen der kapitalistischen Staaten leiden und bei einem sich ausbreitenden Krieg das größte Opfer zu zahlen haben. Die Losung Karl Liebknechts, dass der Hauptfeind im eigenen Land steht, behält in jedem bürgerlichen Staat seine Gültigkeit – und der Hauptfeind der internationalen Arbeiter:innenklasse sind die imperialistische G7, die BRICS-Staaten und alle trans- und multinationalen Gruppierungen. Um diese Entwicklung zu stoppen, braucht es die Einheit der Arbeiter:innenklasse in allen Teilen der Welt, die mit dem globalen System von Konkurrenz und Ausbeutung zu brechen hat.

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