Die Streikwelle des TV-L startet mit Tausenden Demonstrant:innen

07.11.2023, Lesezeit 3 Min.
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Symbolbild: Julius Götz (KGK)

In Potsdam und Berlin gingen zum Auftakt der Streiks im TV-L Tausende auf die Straßen. Doch um die Kampfkraft der Beschäftigten zu nutzen, brauchen wir mehr als die Forderungen von ver.di.

Nachdem die zweite Verhandlungsrunde des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) gescheitert ist, begann nun die Streikwelle mit einem starken Auftakt. Um in den festgefahrenen Tarifverhandlungen voranzukommen, kündigte ver.di eine Reihe von Warnstreiks an. Zu Beginn der Verhandlungen am 2. November streikten rund 2.000 Arbeiter:innen des Sozial- und Erziehungsdienstes in Potsdam, um für mehr Lohn, eine Aufwertung der sozialen Berufe und gegen den Notstand in den Kindertagesstätten zu kämpfen. Bundesweit gingen rund 5.000 Menschen auf die Straßen.

Am 6. und 7. November sowie am 15. und 16. November, streiken die Beschäftigten der Arbeiterwohlfahrt (AWO) für höhere Löhne und eine Angleichung an den TV-L. Die AWO ist ein ausgelagerter Träger der sozialen Wohlfahrtspflege, bei der rund 2.000 Beschäftigte in Kindertagesstätten, Migrationsberatung, Schulen und Jugendeinrichtungen arbeiten. Durch die Auslagerung bekommen die Arbeiter:innen weniger Lohn und die Qualität der Versorgung leidet. Betroffen sind vor allem Frauen und Migrant:innen, die überdurchschnittlich oft in diesen Sektoren arbeiten. Daher ist der Kampf der AWO-Beschäftigten für höhere Löhne und eine Angleichung an den TV-L auch ein Kampf gegen die rassistischen und sexistischen Spaltungen innerhalb der Arbeiter:innenklasse.

Während wir einen krassen Rechtsruck in der Regierungspolitik und den Medien sowie ein Erstarken der rechten Parteien erleben, zeigen uns die streikenden Arbeiter:innen einen Weg auf, wie wir für soziale Gerechtigkeit und bessere Lebensbedingungen kämpfen können. Angesichts der hohen Inflation und sozialen Angriffe der Bundesregierung brauchen wir diese Verbesserungen mehr denn je. Auch die Tatsache, dass drei Viertel der studentischen Hilfskräfte armutsgefährdet sind, zeigt die Notwendigkeit für einen studentischen Tarifvertrag auf.

Doch leider haben die Gewerkschaftsführungen den Kampf im Vorhinein durch ihre niedrigen Forderungen und undemokratische Forderungsfindung geschwächt. Verhandelt wird im TV-L für rund 2,5 Millionen Beschäftigte und für die Möglichkeit eines bundesweiten Tarifvertrags für studentische Beschäftigte (TV Stud). Die Bundestarifkommission fordert 10,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 500 Euro und 200 Euro mehr für Nachwuchskräfte, sowie eine Übernahme von Auszubildenden bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Dies bedeutet im Kontext der Inflation de facto einen Reallohnverlust, selbst bei voller Erfüllung der Forderungen. Die Gewerkschaftsführung demobilisiert damit die Streikbewegung und ihr Potenzial, die Forderungen durchzusetzen.

Die Beschäftigten wollen und brauchen reale Lohnerhöhungen. Aus diesem Grund müssen wir uns unabhägig der Gewerkschaftsführungen in den Gewerkschaften selbst organisieren, starke Forderungen aufstellen und dafür eintreten, dass die Forderungen durch einen Erzwingungsstreik erkämpft werden können. So hat ver.di-Betriebsgruppe Freie Universität Berlin die Forderungen nach 1.000 Euro mehr Lohn und einem automatischen Inflationsausgleich aufgestellt, damit wir die Kampfkraft der Streikenden und Beschäftigten nutzen und die Ausfinanzierung von sozialer Arbeit und echte Lohnerhöhungen erkämpfen können.

Eine dritte Verhandlungsrunde ist für den 7. und 8. Dezember angesetzt.

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