„Die Straßen gehören uns für immer“ – Generalstreik in Barcelona

09.11.2017, Lesezeit 4 Min.
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Mandatory Credit: Photo by Robin Townsend/EPA-EFE/REX/Shutterstock (9211643ah) Protesters block the AP-7 road in Figueres, Spain, 08 November 2017. A new strike has been called in Catalonia by minority inter union CSC, to protest against the imprisonment of pro-independence leaders, in which protesters are blocking various roads in the city and a train track which has forced the interruption of a train line. The Central independent and Civil Servants Union (CSIF) has refused the strike and opposed to the protests called by other unions adducing that strikes are meant to improve workers conditions. New strike in Catalonia, Barcelona, Spain - 08 Nov 2017

Schon am frühen Mittwoch Morgen war der Verkehr rund um Barcelona lahmgelegt. Von kleineren Gewerkschaften sowie den "Komitees zur Verteidigung der Republik" (CDR) war zu einem Generalstreik aufgerufen worden, dem weitere Besetzungen und Blockaden folgten. Der zweite Generalstreik im katalanischen Unabhängigkeitskampf weist den Weg zum Sieg für die Selbstbestimmung der katalanischen Nation.

Obwohl auch unter der spanischen Zwangsverwaltung des Spanischen Staates über Katalonien politische Streiks verboten sind, wird niemand daran zweifeln, dass der gestrige Generalstreik einen machtvollen politischen Charakter für die Unabhängigkeitsbewegung hatte. Wie in Deutschland auch, setzten die Verbände der Bourgeoisie bis zuletzt auf die Klassenjustiz und wollten den Streik verbieten lassen. Doch vergebens, auch weil die kleinen Gewerkschaften CSC und IAC, die den Streik ausgerufen hatten, damit argumentiert hatten, dass nicht wegen der inhaftierten politischen Gefangenen oder zur Verteidigung der Republik gestreikt würde, sondern zur Wahrung von Arbeiter*innenrechten im Zuge der Zwangsverwaltung. Doch weit gefehlt…

… denn was in Katalonien passierte, war nichts weniger als die Lahmlegung des öffentlichen Lebens mit einer ganzen Reihe von Blockaden und Besetzungen. Auf dem Höhepunkt des Tages waren rund 60 Autobahnen und Landstraßen von Streikenden blockiert worden, ebenso der Bahnhof von Girona, der fast schon unter dem Kommando der Streikenden war. Auch andere Bahnhöfe waren blockiert, was unter anderem dazu führte, dass keine Züge nach Frankreich oder Madrid fuhren. Müßig zu erwähnen, dass die Reise per Auto in die angrenzenden Nachbarländer Frankreich und Andorra aufgrund der Blockaden ebenfalls unmöglich geworden war.

Am Abend fanden dazu noch größere Demonstrationen in ganz Katalonien statt, wo wiederum Tausende in Barcelona zusammenkamen, um für die Freilassung der inhaftierten Politiker*innen der Generalitat zu demonstrieren. Diese und die beiden NGO-Anführer Jordi Sanchez und Jordi Cuixart, sind politische Geiseln des unterdrückerischen spanischen Regimes, welches „nebenbei” am gleichen Tage die Unabhängigkeitserklärung vom 27. Oktober nun auch offiziell annullierte. Eine chauvinistische Provokation, die wieder einmal zeigt, dass die Unabhängigkeit nicht in den Palästen der Generalitat, sondern auf den Straßen und in den Betrieben, Universitäten und Schulen Kataloniens erkämpft und verteidigt werden muss.

In diesem Sinne spielen derzeit die „Komitees zur Verteidigung der Republik“ eine Schlüsselrolle, da sie nicht nur die Aktionen vorbereiteten, sondern ein immer höheres Ansehen bei den kämpfenden Massen genießen. Das ist nicht zuletzt Ergebnis der verräterischen Positionen der beiden größten Gewerkschaften UGT und CCOO, die sich nicht dem Streik anschlossen. Es verwundert daher nicht, dass diese ersten Formen der Selbstorganisierung — die auch am 1. Oktober das Referendum heldenhaft verteidigten — immer wichtiger werden, sodass gar die Parole „Tot el poder als CDR” („Alle Macht den CDR, den Komitees zur Verteidigung der Republik”) laut wurde.

Ein großer Streiktag …

… dem viele weitere folgen sollten! Denn der Artikel 155, der von der Rajoy-Regierung angewendet wird und die Autonomie Kataloniens außer Kraft setzt, ist immer noch in Kraft und die politischen Gefangenen immer noch und ohne jegliche Vorladung in Untersuchungshaft. Der Präsident der Generalitat, Carles Puigdemont, wagt sich gar nicht mehr in das Land und befindet sich in Belgien, wo er mit einem internationalen Haftbefehl zu kämpfen hat.

Doch der Generalstreik zeigte, dass es die Arbeiter*innen sind, welche nun die brennende Fackel der Unabhängigkeitsbewegung in die Hand nehmen müssen und gegen die repressive Zentralregierung die katalanische Republik verteidigen müssen. Auch gegen jene, die zwar nun Madrid unterstehen, aber eigentlich der Generalitat gehorchen: Die Rede ist von den Mossos d’Esquadra, der Regionalpolizei, die mit ihren Aktionen heute einmal mehr bewies, auf welcher Seite sie steht, indem sie blockierende Streikende gewaltsam räumten. Wiederum ein tiefer Einblick, dass die Polizei ein rein repressives Organ darstellt und keine „Arbeiter*innen in Uniform”.

Der katalanische Befreiungskampf hat längst ein Ausmaß erreicht, welches einen der wichtigsten Kämpfe der letzten Jahrzehnte darstellt. Angesichts dessen, dass mittlerweile von spanischen Rechtsradikalen gar das Verbot der antikapitalistischen CUP gefordert wird, wird es notwendig sein, die CDR weiter auszubauen und weitere Maßnahmen zur Verteidigung gegen Angriffe zu treffen, die im Zuge der erzwungenen Neuwahlen am 21. Dezember kommen werden. Es gilt auch, die Gewerkschaften noch stärker unter Druck zu setzen, damit sich diese weiteren Streiks anschließen — und gemeinsam mit allen Arbeiter*innen Kataloniens der Madrider Regierung ein für alle mal zeigen werden, dass die „Straßen für immer unsere sein werden”, wie es die Streikenden im Bahnhof von Girona enthusiastisch betonen:

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