Die Repression gegen Katalonien verschärft sich: Freiheit für alle politischen Gefangenen! Sofortiger Generalstreik!

04.11.2017, Lesezeit 8 Min.
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Die Verhaftungen und Haftbefehle gegen die katalanische Regierung sind ein neuer Höhepunkt der autoritären Offensive des spanischen Regimes gegen Katalonien. Nur eine große soziale Bewegung im ganzen spanischen Staat mit der Arbeiter*innenklasse an de Spitze kann diese reaktionären Angriffe aufhalten. Wir spiegeln die Erklärung der Revolutionären Arbeiter*innenströmung (CRT).

Das spanische Regime der Verfassung von 1978 möchte einen autoritären Ausweg aus der katalanischen Krise gegen die breite demokratische Bewegung durchsetzen. Dies hat sich vorgestern mit der Festnahme von acht Mitgliedern der katalanischen Regierung sowie dem internationalen Haftbefehl gegen Carles Puigdemont und die vier Minister*innen, die sich mit ihm in Brüssel aufhalten, bestätigt. Insgesamt sind es nun schon zehn politische Gefangene der katalanischen Bewegung, denn seit 17 Tagen befinden sich die Vorsitzenden der zivilgesellschaftlichen Unabhängigkeitsorganisationen Jordi Sànchez der ANC und Jordi Cuixart von Òmnium im Gefängnis.

Die „große Koalition“, die hinter dem institutionellen Putsch steht, wird von dem König und der Regierung von Mariano Rajoy angeführt und hat die Unterstützung der konservativen PP, der Sozialdemokratie (PSOE), den liberalen Ciudadanos, der gesamten Justiz, von Militär und Polizei und den europäischen Regierungen und Institutionen.

Diese reaktionäre Entente sperrt eine gewählte Regierung ein, um die Unabhängigkeitsbewegung zu zerschlagen und will mit den aus Madrid gesteuerten Regionalwahlen am 21. Dezember der reaktionären Front eine Parlamentsmehrheit verschaffen und jeden Widerstand verhindern. Diese Wahlen wurden von Rajoy mit Hilfe des Artikel 155 einberufen und verkennen den Mehrheitswillen der Bevölkerung, der sich beim Referendum am 1. Oktober ausdrücklich für die Unabhängigkeit ausgesprochen hat. Währenddessen sitzt die Führung des Unabhängigkeitsprozesses im Gefängnis oder wird im Ausland mit Haftbefehl gesucht. Es drohen weitere Anklagen und Festnahmen, wie im Falle der Parlamentspräsidiums, mögliche Verbote von Parteien und Organisationen, Streiks oder Mobilisierungen. Die 17.000 katalanischen Polizist*innen der Mossos d’Esquadra werden vom Madrider Innenministerium fremdgesteuert. Dazu kommen mehr als 7.000 Polizist*innen und Angehörige der Guardia Civil, die in Katalonien stationiert sind.

Die neue katalanische Regierung, die aus diesem Putsch hervorkommen soll, wird weiter auf bonapartistische Maßnahmen setzen müssen, um zu regieren und ein zentralistisches Programm durchzusetzen. Wenn es gelingt, kann dieses Modell auch für andere Regionen des spanischen Staats angewandt werden. Der monarchistische Block möchte in Katalonien eine zentralistische und autoritäre Restauration des Regimes von 1978 beginnen. Die organische Krise des Regimes soll mit einem reaktionären Nationalismus beendet werden, die als Grundlage einer „neuen Regierungsform“ dient, um demokratische Rechte und Freiheiten einzuschränken. Dieser Ausweg wird von der Justiz und der Polizei unterstützt. Das ist die Perspektive, die vom König und der Regierung mit Unterstützung der Sozialdemokratie, für Katalonien und den Rest des Staates geplant wird.

Um diesen Putsch zu stoppen, muss sofort damit begonnen werden, eine breite Bewegung gegen den Artikel 155, für die Freilassung aller politischen Gefangenen und die Verteidigung der katalanischen Republik aufzubauen. Die bürgerliche Führung möchte sich auf die Wahlkampagne für den 21. Dezember konzentrieren und nur wenige Großdemonstrationen organisieren. Das würde die Niederlage der Unabhängigkeitsbewegung bedeuten.

Eine große Mobilisierung, wie die in den Vortagen des 1. Oktobers, während des Referendums selbst und besonders am 3. Oktober, ist unerlässlich. Sie kann die Erfahrungen dieser Ereignisse ausnutzen und auf die Ausweitung der Selbstorganisierung in allen Vierteln, Schulen und Universitäten und Arbeitsplätzen setzen. Es sollte Arbeitsniederlegungen und Versammlungen organisiert werden, sektorale Streiks im öffentlichen Dienst, dem Bildungssektor oder den öffentlichen Medien in Ablehnung des Artikels 155. All dies muss zur Vorbereitung eines neuen Generalstreiks dienen, wie es schon jetzt Tausende auf den Kundgebungen und einige Organisationen fordern.

Während des ganzen Unabhängigkeitsprozesses und besonders in den letzten Wochen war die Bereitschaft der Menschen, sich zu mobilisieren und sich der Repression entgegenzustellen, stärker als die der Führung, die seit dem Generalstreik vom 3. Oktober darauf gesetzt hat, dass wieder Ruhe einkehrt. Vorgestern sind wieder spontan Tausende auf die Straße gegangen und haben die Verhaftungen abgelehnt und die Demonstrationen waren in allen Vierteln und Dörfern zu hören. Deshalb haben die verschiedenen Sektoren der Unabhängigkeitsbewegung und die Linke eine besondere Rolle, um die Mobilisierung auszuweiten.

Die Führung der Unabhängigkeitsbewegung spürt die Repression des Zentralstaats am stärksten. Doch sie hat sich geweigert, die Wahlen vom 21. Dezember abzulehnen, zu einem Boykott aufzurufen und die Verteidigung und den Widerstand nach der Proklamation der katalanischen Republik und der Annahme des Artikels 155 durch den spanischen Senat zu organisieren. Das Fehlen jeglicher Vorbereitung dieser Art wurde vom Zentralstaat dafür ausgenutzt, die katalanischen Verwaltungsorgane zu übernehmen, nationalistische und faschistische Gruppen zu mobilisieren und die Verhaftungen von vorgestern durchzuführen.

Die Weigerung des Regierungsbündnisses Junts pel Sí, der ANC und Òmnium, eine große soziale Bewegung in den letzten Tagen aufzubauen, ist Teil einer Strategie, die weiterhin auf Verhandlungen mithilfe der Vermittlung durch die EU setzt. Diese Strategie ist jedoch unfähig, eine Republik zu erkämpfen und den aktuellen Putsch zu stoppen. Sie fürchten, dass sich eine unabhängige Bewegung der Arbeiter*innen und Massen entwickelt, die soziale Forderungen aufstellt und sich damit gegen die Parteien der katalanischen Bourgeoisie stellt.

Die CUP hat bisher den Plan der katalanischen Regierung unterstützt. Jetzt hat sie zu Mobilisierungen und zur Vorbereitung eines neuen Generalstreiks aufgerufen. Die Gewerkschaftslinke, die während des Generalstreiks am 3. Oktober eine wichtige Rolle gespielt hat, um die Arbeiter*innenklasse mit ihren Forderungen und Kampfmethoden zu mobilisieren, muss dies nun wieder tun. Diese Organisationen sollten sich an die Spitze einer Kampagne zur Verbreiterung, Ausweitung und Koordinierung der Komitees zur Verteidigung der Republik in den Vierteln, an den Arbeitsplätzen und in den Schulen und Universitäten stellen. Dazu sollten sie zu Versammlungen aufrufen und einen Kampfplan der Arbeiter*innen und Massen aufstellen.

Podemos, Izquierda Unida und die „Comunes“ haben den Artikel 155 kritisiert, doch sie weigern sich weiterhin, das Ergebnis vom 1. Oktober und die katalanische Republik anzuerkennen und zu Mobilisierungen gegen die Repression aufzurufen, geschweige denn ihre Bündnisse mit der Sozialdemokratie im Rathaus von Barcelona und in Castilla-La Mancha aufzukündigen. Nur der katalanische Landesverband Podem hat sich gegen diese Politik gestellt, was dazu führte, das Pablo Iglesias seine Führung mit einem parteiinternen Artikel 155 absetzte. Die Gewerkschaftsbürokratie der großen Dachverbände CCOO und UGT haben sich ähnlich positioniert und die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes dazu aufgerufen, die neuen Vorgesetzten durch den Artikel 155 anzuerkennen. Die Rufe der Vorsitzenden dieser Organisationen nach der Freilassung der politischen Gefangenen müssten die Organisierung von Mobilisierungen, Streiks und Arbeitsniederlegungen im ganzen spanischen Staat zur Folge haben, wenn sie glaubhaft sein sollen.

Um den Putsch zu stoppen, müssen alle Organisationen, die den Artikel 155 ablehnen und die Freilassung der politischen Gefangenen fordern, sofort zu einer großen Mobilisierung gegen das Regime von 1978 und die Monarchie aufrufen, die zu einem Generalstreik in Katalonien und dem Rest des spanischen Staats führt.

Wir von der Revolutionären Arbeiter*innenströmung (CRT) glauben, dass die aktuelle Situation die Frage aufgeworfen hat, welche Führung die Bewegung braucht. Wir halten es für notwendig, eine Führung aus der Arbeiter*innenklasse und den Massen aufzubauen, die eine Alternative zur aktuellen Führung ist. Um die Teile der Arbeiter*innenklasse für die Bewegung zu gewinnen, die sich heute aufgrund ihrer Ablehnung der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Führung nicht beteiligen, müssen die wichtigsten sozialen Forderungen gegen die Arbeitslosigkeit, die Prekarisierung und für die Verteidigung des Bildungs- und Gesundheitswesens aufgestellt werden. Die katalanische Republik muss durch die breite Mobilisierung erkämpft werden und freie und souveräne verfassungsgebende Prozesse eröffnen, damit am Ende keine Republik der katalanischen Kapitalist*innen steht, sondern eine der Arbeiter*innen.

Wir fassen diesen Kampf nicht getrennt von den Kämpfen der Arbeiter*innenklasse im Rest des spanischen Staats auf. In Katalonien geht es heute darum, ob das Regime von 1978 eine reaktionäre Restauration durchsetzen kann, die zu weiteren Kürzungen und Gegen-Reformen führt. Deshalb geht es darum, den Kampf gegen die Monarchie und das spanische Regime auf den gesamten spanischen Staat auszuweiten, damit alle Arbeiter*innen den Kampf des katalanischen Volks unterstützen und einen verfassungsgebenden Prozess starten, der die Monarchie beendet und den Weg hin zu einer freien Föderation iberischer sozialistische Republiken öffnet.

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