Die Niederlage des liberalen Feminismus und die Ära Trump

31.01.2017, Lesezeit 7 Min.
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Die Einschränkungen des Abtreibungsrechts durch die neue US-Regierung und die Ankündigung weiterer Angriffe werfen die Frage auf: Wie können die Frauenrechte in die Ära Trump verteidigt werden?

Eines der ersten Dekrete von Donald Trump untersagte die Vergabe von Subventionen an Organisationen, die Abtreibungen im Ausland durchführen oder dazu beraten. Diese Maßnahme stieß in den USA und der ganzen Welt auf große Empörung.

Die niederländische Regierung schlug vor, einen internationalen Fonds zur Finanzierung von Sexualkunde-Unterricht und für Abtreibungsrechte in sogenannten Entwicklungsländern ins Leben zu rufen. Eine solche Maßnahme kann eine temporäre Verbesserung bewirken. Doch es ist keine Lösung für die Ursache des Problems: Erkämpfte Rechte können mit einem Federstreich verschwinden, wenn sie nicht durch die kontinuierliche Mobilisierung und den Kampf verteidigt werden, um sicher zu stellen, dass alle Personen diese Rechte in Anspruch nehmen können und nicht nur kleine Sektoren.

Die Frauenrechte in den USA sind in Gefahr. Weil die Trump-Administration schon jetzt den Stopp der Finanzierung von Organisationen verordnete, die das Selbstbestimmungsrecht der Frauen unterstützen; weil sein Vize-Präsident den abtreibungsfeindlichen „March for life“ anführte; weil die republikanische Mehrheit im Kongress die Finanzierung für Kliniken beendete, die Abtreibungen durchführen. Aber das ist noch nicht alles.

Die Frauenrechte sind in Gefahr, weil die Demokrat*innen, die das Land in den vergangenen acht Jahren durch einen sich selbst feministisch nennenden Präsidenten Obama regierten, nichts taten, um die Offensive der Rechten in zahlreichen Bundesstaaten zu stoppen. Dort bestimmten die Republikaner*innen Gesetze, die das Abtreibungsrecht einschränken und besonders Arme, Arbeiterinnen, Schwarze und Latinas betreffen, da sie von den staatlichen Gesundheitsprogrammen abhängen.

Außerdem versprach Trump, abtreibungsfeindliche Richterinnen für den Obersten Gerichtshof zu benennen. Das eröffnet die Möglichkeit für eine historische Revision der Entscheidung im Fall Roe v. Wade, das den Frauen das Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper ermöglicht. Das ist die letzte Hürde für die konservative und christliche Rechte, um den von Ronald Reagan als „Hundertjährigen Krieg“ gegen die Abtreibungen bezeichneten Prozess abzuschließen. Die alleinige Möglichkeit, dass so etwas passieren könnte, liegt zum Großteil in der Verantwortung der Demokratischen Partei und der feministischen Bewegung.

Die neoliberale Falle

Die jetzige Situation ist das Ergebnis einer Strategie des parlamentarischen Drucks und der Ausrichtung der Mehrheit der feministischen Bewegung in den USA. Sie tauschten die Straßen für Regierungssitze und die Kritik an der patriarchalen Gesellschaft für „inklusive Agenden“. So wurde die Inklusion von Frauen, LGBT-Menschen und ethnischen Minderheiten zu einem Deckmantel für eine Demokratie, die der Mehrheit der armen und arbeitenden Bevölkerung die grundlegendsten Rechte verwehrte – eben jene Bevölkerungsschichten, in denen Frauen, LGBT-Menschen, Afroamerikaner*innen und Latin*s überrepräsentiert sind.

Die tödliche Falle der Inklusion ermöglichte zum Beispiel George W. Bush, die Frauenrechte als Ausrede für die Invasion Afghanistans in 2001 vorzuschieben. In diesen und anderen neoliberalen Maßnahmen spielte der Feminismus eine rechtfertigende Rolle: Er befand sich eingespannt in eine „gefährliche Freundschaft“ mit der kapitalistischen Demokratie, wie es Nancy Fraser 2013 bezeichnete, als sie davor warnte, dass sich „ein gewisser Feminismus in einen Diener des Kapitalismus verwandelte“.

Die Lücke zwischen den Belangen des „neoliberalen Feminismus“ und den Lebensbedingungen der Mehrheit der Frauen explodierte endgültig mit der 2007 begonnenen kapitalistischen Krise. Damals wurde „das Argument zugunsten der Übernahme der Frauen, ethnischen Minderheiten und Homosexuellen in ‚hierarchische Positionen‘ von den Rechten für sich beansprucht“, schrieb die Journalistin Nina Power 2009. Auch wenn die Machtübernahme von Obama einen Epochenwechsel einzuleiten schien, hatte die Inklusion vor allem von Frauen in Chefetagen die Vorteile der „Gleichheit“ ohne die Kritik an der imperialistischen Demokratie infrage gestellt.

Doch wenn ein Moment die Niederlage dieses „fortschrittlichen Neoliberalismus“ deutlich machte, um wieder auf Begriffe von Nancy Fraser zurück zu kommen, war es die Niederlage von Hillary Clinton. Ihre Darstellung als „natürliche“ Kandidatin des Feminismus machte erneut das Scheitern des Versuchs deutlich, die Mehrheit der Frauen in eine „Heldengeschichte“ einzuspannen, die nicht ihre war. Und noch viel schlimmer: Dass dieser Feminismus den Individualismus und die Meritokratie unterstützt – getarnt als „freie Entscheidung“ –, führte einen bedeutenden Teil weißer Frauen und ihre Ablehnung Clintons direkt in die Arme des (konservativen) „unternehmerischen Feminismus“ von Ivanka Trump, die das frauenfeindliche Profil ihres Vaters herunterspielt und ihn an den Urnen unterstützte.

Was nun?

Ohne Zweifel verschärft Trumps Einzug ins Weiße Haus für die Frauen, wie für viele andere Sektoren, die Perspektive der graduellen Einschränkung der Rechte in den letzten Jahren. Doch entgegen der Abwartehaltung, der den Liberalen und Apologet*innen der Demokratischen Partei zu eigen ist, war die erste Antwort der Frauen auf diese Bedrohung der massive Women’s March in den wichtigsten Städten im ganzen Land. Zwar hatte der Women’s March auch viele Grenzen, doch er bedeutet auch, dass die weltweiten Frauenbewegungen das Zentrum des imperialistischen Kapitalismus erreicht haben.

In so unterschiedlichen Ländern wie Argentinien und Polen gehen die Frauen spontan auf die Straße, um gegen die brutalsten Ausdrücke des Kapitalismus zu protestieren, wie es die patriarchale Gewalt oder die konservative Reaktion gegen das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper ist. Auch die Bewegungen für Lohngleichheit und gegen die Ungleichheiten des Kapitalismus selbst in „Paradiesen der Gleichheit“ wie Island leben wieder auf.

In vielen Ländern ist die Mobilisierung der Frauen gleichzeitig der Ausdruck einer weitergehenden Unzufriedenheit, des Widerstandes gegen die Angriffe der Unternehmer*innen und ihrer Regierungen auf die Lebensbedingungen de Arbeiter*innenklasse und der verarmten Sektoren, in denen Frauen die Mehrheit bilden. Die gleiche Entwicklung, die Ausdruck der Niederlage des „neoliberalen Feminismus“ ist, macht die Verbindung zwischen dem Kampf gegen die patriarchale Unterdrückung und dem Kampf gegen den Kapitalismus immer deutlicher. Deshalb finden die anfangs als „feministisch“ erscheinenden Forderungen Unterstützung in großen Teilen der Bevölkerung, die unter dem kapitalistischen Elend leiden und mobilisieren diese.

Dieses Jahr wurde durch das Versprechen des Hurrikans Trump eingeleitet und ist gleichzeitig der Hundertste Jahrestag der Russischen Revolution, die aus der Frauenbefreiung eine dringende Aufgabe machte, indem sie ihnen bedingungslos grundlegende Freiheiten gewährte, die für die weiblichen Massen in dieser Zeit undenkbar erschienen, wie das Scheidungs- und Abtreibungsrecht. In nur wenigen Monaten zeigte die Russische Revolution die Veränderungskraft einer Revolution im Gegensatz zum langsamen und bedingten Fortschritt der kapitalistischen Demokratien, die Hundert Jahre brauchen würden, um einige dieser Maßnahmen durchzusetzen. Dieser Jahrestag ist auch die Möglichkeit, dieses Erbe wiederzubeleben und es mit der Perspektive einer Frauenbewegung zu verbinden, die sich mit den Kämpfen der Arbeiter*innen vereint. Unser Kampf für die Emanzipation schlägt im unruhigen Rhythmus dieser Mehrheit von Frauen, die sich nicht nur von der Unterwerfung und Unterdrückung ihres Geschlechts befreien wollen, sondern die ganze Menschheit von jeder Ausbeutung und Unterdrückung.

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