DIE LINKE in den Landtag – und dann weiterkämpfen!

12.10.2018, Lesezeit 8 Min.
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Die marxistische jugend münchen ruft bei der bayerischen Landtagswahl zur Stimmabgabe für die Partei Die Linke auf. Die drängendsten Probleme werden so aber nicht gelöst. Dazu müssen wir für den Aufbau einer eigenen, unabhängigen Kraft kämpfen.

Die vergangenen Monate waren in Bayern und vor allem in München von großen Demonstrationen geprägt. Sie finden vor dem Hintergrund einer Repräsentationskrise statt, in der der Neoliberalismus abgewirtschaftet hat und überall rechte Fäulnisformen der kapitalistischen Demokratie wie die AfD zu Tage treten. Das alte Parteiensystem scheint nicht mehr zu funktionieren, auch weil sich die Parteienlandschaft insgesamt neoliberal diskreditiert hat.

Nun stehen bei uns Landtagswahlen an. Hunderttausende werden die Partei Die Linke wählen, viele von ihnen werden an den Großdemonstrationen teilgenommen haben, um ihrem Protest gegen den Rechtsruck, gegen hohe Mieten, gegen Umweltzerstörung und gegen das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz Ausdruck zu verleihen. Sie wollen Söder abstrafen und der voraussichtlich starken AfD einen linken Pol entgegenstellen. Und heuer besteht eine gute Chance, dass die Partei tatsächlich in den Landtag einzieht.

Auch wir, die marxistische jugend münchen, rufen dazu auf, am Sonntag alle Stimmen der Partei Die Linke zu geben.

Wir tun das, weil wir der Überzeugung sind, dass der Protest gegen die herrschende Politik so einen Ausdruck finden kann. Zur Wahl der Linkspartei rufen wir als Stimme gegen die CSU und für die Proteste des letzten halben Jahres auf. Die Partei ist in Bayern in den sozialen Protesten verankert und verspricht, den Landtag als Bühne für sie zu nutzen – dafür wollen wir sie wählen und bieten Strukturen der Linkspartei, besonders der Linksjugend solid, die Fortsetzung unserer Zusammenarbeit an. Im Bündnis gegen den Pflegenotstand in Bayern oder gegen das Polizeiaufgabengesetz (PAG), aber auch in Schüler*innen-Kämpfen gegen Abschiebungen haben wir gute gemeinsame Erfahrungen gemacht und wollen dieses Bündnis ausbauen. Anders als in den Grünen, die jederzeit zu einer Regierungskoalition bereit zu sein scheinen, sehen wir in Aktiven der Linkspartei Bayern Partner*innen in Straße und Betrieb, um Rechtsruck und Prekarisierung zurückzuschlagen. Wir wollen, dass die Linkspartei den Landtag für diesen Protest nutzt, und dafür unterstützen wir sie bei dieser Wahl. Darüber hinaus verurteilen wir die undemokratische Fünf-Prozent-Hürde und lehnen es ab, dass die Stimmen der Linkspartei verfallen, wenn diese Hürde nicht erreicht wird. Es ist nicht nachvollziehbar, dass es keinerlei Repräsentation einer oppositionellen Partei gibt, wenn sie „nur“ 4,9 Prozent der Stimmen erreicht. Gerade weil es diesmal besonders knapp werden kann, stehen wir für das Recht auf Vertretung ein. Die Wahl ist für uns also eine Protest-Wahl im näheren Sinne und eine aus demokratischer Motivation.

Wir glauben hingegen nicht, dass mit dieser Stimmabgabe, mit dieser Wahl oder mit Wahlen überhaupt die drängendsten Probleme der Frauen, der Jugendlichen, der Migrant*innen, der Arbeiter*innen gelindert werden würden. Das heißt, wir wählen die Linkspartei, damit sie den Landtag als Bühne für die Stärkung des sozialen Protests nutzt – und nicht etwa umgekehrt den sozialen Protest nutzt und ihn ins Parlament kanalisiert.

Wir warnen besonders davor, was passiert, wenn die Linkspartei in Regierungsgeschäfte gerät – ein Szenario, das zurzeit in Bayern aufgrund der Parteienkonstellation nahezu ausgeschlossen ist, was uns diese Stimmabgabe erlaubt. Wir weigern uns aber zu glauben, dass die Partei in Bayern eine andere ist als in Berlin, Brandenburg oder Thüringen. Die Menschen sehen in der Partei Die Linke hier einen Träger ihres Unmuts, weil sie schwach und oppositionell ist.

Wo die Partei stärker und „in Verantwortung“ ist, hat sie keine Gelegenheit ausgelassen, um sich an bürgerlichen Regierungen zu beteiligen und mit Grünen und SPD den Kapitalismus und seine Krisen zu verwalten. Wo sie es nach kapitalistischen Spielregeln „muss“, wie in Berlin, schiebt die Partei Die Linke Geflüchtete ab, betreibt Outsourcing im Gesundheitswesen, privatisiert Wohnraum und lässt instandbesetzten Wohnungsleerstand räumen. In so einer Partei wollen wir nicht arbeiten, weshalb wir uns unabhängig organisieren – unabhängig bedeutet hier unabhängig von Strategien der kapitalistischen Mitverwaltung und vom Staat, stattdessen mit dem Anspruch einer Souveränität der Interessen der multiethnischen Arbeiter*innenklasse in Deutschland und international. Unsere Verbündeten sehen wir nicht in den Regierungsstuben Berlins, Potsdams und Erfurts, sondern auf den Straßen Frankreichs, in den Fabriken Argentiniens und in den Bergen Kurdistans.

Die Partei Die Linke hingegen ist auch heute noch die Schwesterpartei der griechischen Syriza, die brutal das Diktat der Troika gegen die Arbeiter*innen und Armen in Griechenland durchsetzt. Die strategische Logik des linkeren Reformismus, anstatt auf die eigene Kraft zu setzen die Geschäfte an einen angeblich wohler gesonnenen kapitalistischen Mitverwalter zu übergeben, zeigt sich am griechischen Beispiel besonders drastisch: Syriza demobilisierte die Straße und erwies damit dem griechischen und dem deutschen Großkapital einen größeren Gefallen als alle klassischen kapitalistischen Parteien zusammen.

In Bayern spricht sich die Linkspartei kategorisch gegen jede Koalition mit der CSU aus. Das sollte nicht weiter verwundern, doch sie ist damit die einzige der relevanten Parteien. Die Grünen wollen ebenfalls den Unmut, der sich auf den Straßen Münchens gezeigt hat, in Wahl-Gewinne kanalisieren und die Umfragen lassen vermuten, dass es ihnen gelingt. Doch sie biedern sich gleichzeitig der CSU an und schließen eine gemeinsame Regierungskoalition nicht aus. Das darf nur auf den ersten Blick verwundern. Schließlich sind die Grünen längst keine Partei mehr, die für sich in Anspruch nehmen kann, links zu sein. Wir erinnern an die Luftschläge im Kosovokrieg 1999, den ersten Kriegseinsatz der BRD, den der grüne Außenminister Joseph Fischer vorangetrieben hat. Wir erinnern an die Beteiligung der Grünen an dem sozialen Kahlschlag der Agenda 2010, der für Hunderttausende Menschen in Deutschland Armut und für Millionen mehr schlechtere Lebensbedingungen bedeutet. Und wir erinnern nicht zuletzt an das Beispiel Baden-Württemberg, wo ein grüner Ministerpräsident so regiert, dass man den Unterschied zur Union kaum bemerkt.

Es muss klar sein: Wer etwas verändern will, darf das Kreuz nicht bei den Grünen machen.

Die Partei Die Linke bangt unterdessen mit rund fünf prognostizierten Prozentpunkten um ihren Einzug in den Landtag. Die Fünf-Prozent-Hürde ist antidemokratisch und bedeutet, dass Hunderttausende Stimmen bei jeder Wahl keinen Ausdruck finden. Sie gehört abgeschafft. Weiterhin sind Hunderttausende, die hier leben und direkt von der bayerischen Politik betroffen sind, nicht wahlberechtigt, weil sie entweder nicht die deutsche Staatsbürgerschaft haben oder noch nicht die Volljährigkeit erreicht haben – obwohl sie zum Teil im letzten halben Jahr am aktivsten Politik auf der Straße gemacht haben! Wir sind dafür, dass auch Nicht-Deutsche und Jugendliche das Recht zu wählen bekommen.

Die Abgeordneten hingegen, die in dieser Wahl legitimiert werden, genießen fortan weitreichende Privilegien, die dazu führen, dass sie von ihrer eigenen Politik kaum mehr betroffen sind. Wir fordern, dass Abgeordnete das Gehalt einer Gesundheits- und Krankenpflegerin bekommen. Abgeordnete der Partei Die Linke sollten, wenn sie den Einzug schaffen, ihre darüber hinausgehenden Diäten an Streiks und die Kämpfe von Geflüchteten, Frauen, LGBTI* und Jugendlichen spenden anstatt an allgemeine humanitäre Zwecke oder die eigene Partei.

Für uns als marxistische jugend münchen ist in dieser Wahl klar, dass Politik längst nicht nur im Parlament stattfindet. Wenn überhaupt, ist das Parlament für uns nur eine Bühne für weitergehende Forderungen der Betriebe und Straßen, nicht der Lösungsweg, denn der ganze Laden gehört den Kapitalist*innen. Es ist unrealistisch, dass gerade aus einer kapitalistischen Institution heraus Interessen der Arbeiter*innenklasse und ihrer Verbündeten erfolgreich vertreten werden können. Dafür brauchen wir Streiks, Selbstorganisierung und letztlich eine eigene Partei. Um die drängendsten Probleme – den Rechtsruck, die soziale Misere, den Verfallszustand der kapitalistischen Demokratie, die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus – zu überwinden, brauchen wir eine eigene Kraft auf den Straßen, in den Bildungseinrichtungen und in den Betrieben, zu deren Aufbau wir beitragen möchten. Dafür schlagen wir die Beteiligung an den aktuellsten Kämpfen in München vor, wie um bessere Pflege und eine gute öffentliche Daseinsvorsorge für alle, um Bleiberecht gemeinsam mit Geflüchteten, um das Recht auf kostenlose, sichere und legale Abtreibung sowie Informationen, gegen jeden Schritt der AfD in den Straßen, Unis, Schulen und Nachbarschaften und gegen die gängelnde „Sicherheits“-Politik der neuen Regierung, egal welche Farben sie trägt.

Also: Wir sehen uns in den kommenden Kämpfen!

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